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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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sprühende Westbecher, dieses wohlige, wollustvott jauchzende, schmeich-
lerisch tosende, lind an die Menschonbrust spukende und ihr jeden be¬
geisterten Machtgcdanken, jede ahnungsvolle frühe Sehnsucht, jeden
Jünglingswonnetraum zurückrufende und wieder flüssig machende Ele¬
ment, dieses Meer! Eine unverdorbene jugendliche Natur war auf
dem Schiffe, die im wallenden Vollmaße frohgestimmten Jünglingsge-
fühls ausrief: "Nein, das Meer ist weit schöner, als das Land, auf
ihm möchte ich immer leben und dem Lande gänzlich Valet sagen!"
O ja, die alten Mährchen von den in die Fluthen niederlockenden
und niedcrschmeichelnden Nymphen und Niren sind kein crtändcltes,
müssiges Geplauder: sie sind ein lebendiges Bild, das sich jeder Phan¬
tasie mit dem ersten Anblicke des, wie vor uns., ruhig ausgebreiteten
und mit jenem schalkhaften Gelächter, das die Dichter feiern, einem Ge¬
lächter, fröhlicher Mädchen gleich, heranplätschcrndcn Meeres von selbst ge¬
staltet. O, die Sprache dieses Elements ist bezaubernd, sie hat eine Ver¬
heißung, sie hat einen geheimen, allmächtigen, seelenüberwältigeuden Sinn.
Redet nicht von einer deutschen Flotte, die Ihr keine deutsche Freiheit wollt.
Am Strande des Meeres wehet die Fahne der Freiheit. Das Meer dul¬
det nur freie Männer, lind findet es sie nicht frei, es macht sie frei.
Denkt an Athen, dessen Freiheit ans der Flotte wohnte, das, auch aus
Knechtschaft, immer wieder frei wurde, so oft es neue Flotten bemannte.
Auf keinem Elemente lernt man mehr, Niemand als allein Gott
fürchten, und wer diese wahrhafte, nicht pure pietistisch plattirte Pa-
tentgottcsfurcht in sich hat, der, wahrlich, ist kein Mann mehr für Eure
büreaukratischen Enormitäten. Aber baut sie nur, die deutsche Flotte!
Vielleicht, daß in einem Seebade der alte Leib unsrer Mutter Ger¬
mania wieder zusammenwächst, daß er da seine zerstreuten Gebeine zur
Auferstehung sammelt und das elastische, lebenskräftige, die stygische
Weihe der Unverwundbarkeit in. seinen Tiefen bergende Element ihm
einen Trank der Verjüngung spendet!

Die Sonne brach durch die den ganzen Tag mit ihren elektri¬
schen Ladungen unbeweglich, wie ein still angetretenes, lautlos der
Schlacht harrendes Heer, lauschenden und lauernden Wolken und bc-
glänzte die bis dahin nur in ihrem eignen Grün spielende und sich
spiegelnde Fläche. O, wie perlten und strahlten da gleich Millionen
Juwelen in millionenfach gebrochnen Lichtern und schimmern über sie
hin. In allen Seelen ging die Sonne auf und auch die Seekräuter
Herzen athmeten frischer, erholten sich und wurden erquickt von der
unermeßlich nach allen Seiten hin glitzernden und funkelnden Helle.


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sprühende Westbecher, dieses wohlige, wollustvott jauchzende, schmeich-
lerisch tosende, lind an die Menschonbrust spukende und ihr jeden be¬
geisterten Machtgcdanken, jede ahnungsvolle frühe Sehnsucht, jeden
Jünglingswonnetraum zurückrufende und wieder flüssig machende Ele¬
ment, dieses Meer! Eine unverdorbene jugendliche Natur war auf
dem Schiffe, die im wallenden Vollmaße frohgestimmten Jünglingsge-
fühls ausrief: „Nein, das Meer ist weit schöner, als das Land, auf
ihm möchte ich immer leben und dem Lande gänzlich Valet sagen!"
O ja, die alten Mährchen von den in die Fluthen niederlockenden
und niedcrschmeichelnden Nymphen und Niren sind kein crtändcltes,
müssiges Geplauder: sie sind ein lebendiges Bild, das sich jeder Phan¬
tasie mit dem ersten Anblicke des, wie vor uns., ruhig ausgebreiteten
und mit jenem schalkhaften Gelächter, das die Dichter feiern, einem Ge¬
lächter, fröhlicher Mädchen gleich, heranplätschcrndcn Meeres von selbst ge¬
staltet. O, die Sprache dieses Elements ist bezaubernd, sie hat eine Ver¬
heißung, sie hat einen geheimen, allmächtigen, seelenüberwältigeuden Sinn.
Redet nicht von einer deutschen Flotte, die Ihr keine deutsche Freiheit wollt.
Am Strande des Meeres wehet die Fahne der Freiheit. Das Meer dul¬
det nur freie Männer, lind findet es sie nicht frei, es macht sie frei.
Denkt an Athen, dessen Freiheit ans der Flotte wohnte, das, auch aus
Knechtschaft, immer wieder frei wurde, so oft es neue Flotten bemannte.
Auf keinem Elemente lernt man mehr, Niemand als allein Gott
fürchten, und wer diese wahrhafte, nicht pure pietistisch plattirte Pa-
tentgottcsfurcht in sich hat, der, wahrlich, ist kein Mann mehr für Eure
büreaukratischen Enormitäten. Aber baut sie nur, die deutsche Flotte!
Vielleicht, daß in einem Seebade der alte Leib unsrer Mutter Ger¬
mania wieder zusammenwächst, daß er da seine zerstreuten Gebeine zur
Auferstehung sammelt und das elastische, lebenskräftige, die stygische
Weihe der Unverwundbarkeit in. seinen Tiefen bergende Element ihm
einen Trank der Verjüngung spendet!

Die Sonne brach durch die den ganzen Tag mit ihren elektri¬
schen Ladungen unbeweglich, wie ein still angetretenes, lautlos der
Schlacht harrendes Heer, lauschenden und lauernden Wolken und bc-
glänzte die bis dahin nur in ihrem eignen Grün spielende und sich
spiegelnde Fläche. O, wie perlten und strahlten da gleich Millionen
Juwelen in millionenfach gebrochnen Lichtern und schimmern über sie
hin. In allen Seelen ging die Sonne auf und auch die Seekräuter
Herzen athmeten frischer, erholten sich und wurden erquickt von der
unermeßlich nach allen Seiten hin glitzernden und funkelnden Helle.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/11>, abgerufen am 04.07.2024.