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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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von Seladon - oder Flaschengrün umtauscht, welches auch bereits einen
salzigen Geschmack annimmt, fesselt durch seine sich immer mehr aus¬
dehnende Breite den Blick und trügt das Auge zwischen den ferner
und ferner ans einander tretenden Ufern hin und her. Bremerha¬
fen, eine Schöpfung der neuesten Zeit, trägt das Gepräge eines zeit¬
gemäßen glücklichen Gedankens, co ist der lebendig anzuschauende Fort¬
schritt : man sieht, daß hier freie Menschenkraft und freier Menschen-
geist thätig sind und des kleinen Punktes Bedeutung mit jedem neu
anbrechenden Tage wächst. Bald nun reicht der heilige Flußgott, der
alte Völkerschiedsmann, der Richter zwischen dem Römer und dem
Deutschen, zwischen dem Franken und dem Sachsen, der jetzt einem sich
nutzbar und gesellig steigernden Friedensverkehr seine Wellen ebnet und
aus der trocknen Stille eines blos statistischen oder mercantilischen Da¬
seins hervortretend in die großen Triebräder der Culturvermittelung
eingreift, das südliche Vaterland mit dem nördlichen zusammendrückt,
und schaubegierige Wandergäste hin- und herträgt, dem Bruder Ocean
seine Hände, um geräuschlos, ja incognito, wie diejenigen Mächte rei¬
sen, die sich keiner bloßen Eitelgröße bewußt sind, sich in die Abgründe
der Weltwogen einzuschiffen. Freiwillige Deputationen der letztern,
neugierige, gutmüthig täppische Seehunde, desgleichen die Seiltänzer
der Fluthen, die humoristischen Delphine, in der Seemannssprache
Tümmler genannt, und die malerisch über die Wellen hinstreifenden
Möven und Taucher heißen ihn bereits auf seinem eignen Reviere,
weit oben im Flusse, willkommen. So ein Seehund, in der Nähe be¬
trachtet, ist es ein curiöses, unbehilfliches, unappetitliches Thier, die
seufzende Creatur des Apostels, welche wartet auf die Offenbarung
der Kinder Gottes ! Aber seht sein Auge, ist daS uicht Auge von
Gottes Auge und Leben von Gottes Leben, so weiß ich nicht, was
mit Recht so hieße! Da liegt eine Treue, eine Zutraulichkeit, ein
Liebesleben darin, daß man glaubt, in das Geheimniß der Tiefen zu
blicken und ahnen zu können, wie unter dem Wasser traulich wohnen
sein muß. Ich glaube überhaupt, an der Thierwelt kann man sich
erst rein und uneigennützig abstrahiren, wie eine Seele aussieht. Die
Menschenseele im Menschenauge besticht uns gleich; wir werden ihre
oder sie unsere Beute, und das Studiren geht zu schnell in das Pro-
biren über.

Aber nun gar dieser fließende Chrysopras, der sich als ein blin¬
kendes, schillerndes, hüpfendes Brautgeschmeide, sie ihrer besten Tage
ermneslid, um die alte Erde legt, dieser unsterbliche, Gold und Perlen


von Seladon - oder Flaschengrün umtauscht, welches auch bereits einen
salzigen Geschmack annimmt, fesselt durch seine sich immer mehr aus¬
dehnende Breite den Blick und trügt das Auge zwischen den ferner
und ferner ans einander tretenden Ufern hin und her. Bremerha¬
fen, eine Schöpfung der neuesten Zeit, trägt das Gepräge eines zeit¬
gemäßen glücklichen Gedankens, co ist der lebendig anzuschauende Fort¬
schritt : man sieht, daß hier freie Menschenkraft und freier Menschen-
geist thätig sind und des kleinen Punktes Bedeutung mit jedem neu
anbrechenden Tage wächst. Bald nun reicht der heilige Flußgott, der
alte Völkerschiedsmann, der Richter zwischen dem Römer und dem
Deutschen, zwischen dem Franken und dem Sachsen, der jetzt einem sich
nutzbar und gesellig steigernden Friedensverkehr seine Wellen ebnet und
aus der trocknen Stille eines blos statistischen oder mercantilischen Da¬
seins hervortretend in die großen Triebräder der Culturvermittelung
eingreift, das südliche Vaterland mit dem nördlichen zusammendrückt,
und schaubegierige Wandergäste hin- und herträgt, dem Bruder Ocean
seine Hände, um geräuschlos, ja incognito, wie diejenigen Mächte rei¬
sen, die sich keiner bloßen Eitelgröße bewußt sind, sich in die Abgründe
der Weltwogen einzuschiffen. Freiwillige Deputationen der letztern,
neugierige, gutmüthig täppische Seehunde, desgleichen die Seiltänzer
der Fluthen, die humoristischen Delphine, in der Seemannssprache
Tümmler genannt, und die malerisch über die Wellen hinstreifenden
Möven und Taucher heißen ihn bereits auf seinem eignen Reviere,
weit oben im Flusse, willkommen. So ein Seehund, in der Nähe be¬
trachtet, ist es ein curiöses, unbehilfliches, unappetitliches Thier, die
seufzende Creatur des Apostels, welche wartet auf die Offenbarung
der Kinder Gottes ! Aber seht sein Auge, ist daS uicht Auge von
Gottes Auge und Leben von Gottes Leben, so weiß ich nicht, was
mit Recht so hieße! Da liegt eine Treue, eine Zutraulichkeit, ein
Liebesleben darin, daß man glaubt, in das Geheimniß der Tiefen zu
blicken und ahnen zu können, wie unter dem Wasser traulich wohnen
sein muß. Ich glaube überhaupt, an der Thierwelt kann man sich
erst rein und uneigennützig abstrahiren, wie eine Seele aussieht. Die
Menschenseele im Menschenauge besticht uns gleich; wir werden ihre
oder sie unsere Beute, und das Studiren geht zu schnell in das Pro-
biren über.

Aber nun gar dieser fließende Chrysopras, der sich als ein blin¬
kendes, schillerndes, hüpfendes Brautgeschmeide, sie ihrer besten Tage
ermneslid, um die alte Erde legt, dieser unsterbliche, Gold und Perlen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/10>, abgerufen am 04.07.2024.