Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.haberei war sogar in den letztverflossenen Jahren, theils durch wirk¬ haberei war sogar in den letztverflossenen Jahren, theils durch wirk¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0548" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182358"/> <p xml:id="ID_1306" prev="#ID_1305"> haberei war sogar in den letztverflossenen Jahren, theils durch wirk¬<lb/> liche Neigung, theils aber auch durch die Mode, so alleinherrschend<lb/> geworden, daß gegen diese jedes andere ästhetische Interesse in<lb/> den Hintergrund zu treten drohte. Da wendete die Umgestaltung<lb/> des Theaters unter einer neuen Direktion dieser vor nun anderthalb<lb/> Jahren die Aufmerksamkeit der Gesellschaft wieder lebhafter'zu, und<lb/> dieses Interesse ist denn bis jetzt auch ziemlich nachhaltig geblie¬<lb/> ben. Aber immerhin wird es dem aufmerksamen Besucher des Schau¬<lb/> spielhauses nicht entgehen, wie die höheren Range desselben bei<lb/> den Opern meistens von einem ganz anderen Publicum als bei re-<lb/> citirenden Schauspiel erfüllt werden; vie Oper hat ein zahlreiche¬<lb/> res, das recitirende Schauspiel ein wechselnderes; in der Oper ist<lb/> die Zahl der Frauen, im Schauspiel die der Männer Verhältniß-<lb/> mäßig bedeutender. Wenden wir uns endlich noch einmal zu den Pri¬<lb/> vatgesellschaften zurück, so sehen wir im Ganzen die Kartentische,<lb/> diese Zeugnisse innerlicher Beziehungslosigkeit der Gesellschaftsmit-<lb/> glicdcr zu einander, nur sparsam und meistens nur von denen be¬<lb/> setzt, welche nicht durch die Lust an der Gesellschaft, sondern durch<lb/> bestimmte Pflichten und Rücksichten zu deren Besuch genöthigt sind.<lb/> Auch die Zimmer, in denen die neuesten Kupfer- und Prachtwerke<lb/> aufliegen, diese Schlupfwinkel der Langweile, sind nur von We¬<lb/> nigen besetzt, wenn nicht wirkliche Meisterwerke eine allgemeinere<lb/> Aufmerksamkeit dorthin lenken. Dagegen schwirrt das Gespräch<lb/> munter und rasch durch die verschiedenen Gruppen; die Zeichen<lb/> geistiger Lebhaftigkeit offenbaren sich ringsum. Die Leipziger Gesell¬<lb/> schaft hat den Vorzug wirklich vielseitig angeregt und geistig be¬<lb/> wegt zu sein. Dies mag vielleicht nicht sowohl ihr-eigenes Ver¬<lb/> dienst, als das der sie umgebenden Verhältnisse sein. Denn Leipzig<lb/> hat die glücklichsten Mischungen zu einer wirklich ausgezeichneten<lb/> Gesellschaft; jede Richtung des öffentlichen praktischen und theore¬<lb/> tischen Lebens ist in ihr vertreten; die große Menge der jugendli¬<lb/> chen geistig aufgeregten und verschiedenartig gebildeten Menschen<lb/> ihrer Kreise führen fort und fort alle neuen Bewegungen der Zeit<lb/> in sie hinein. Und hört man auch selten, daß gerade diese den Ge¬<lb/> genstand der Unterhaltung bilden, so sind sie doch Hintergrund und<lb/> Staffage jener Erörterungen welche den Salon nicht scheuen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0548]
haberei war sogar in den letztverflossenen Jahren, theils durch wirk¬
liche Neigung, theils aber auch durch die Mode, so alleinherrschend
geworden, daß gegen diese jedes andere ästhetische Interesse in
den Hintergrund zu treten drohte. Da wendete die Umgestaltung
des Theaters unter einer neuen Direktion dieser vor nun anderthalb
Jahren die Aufmerksamkeit der Gesellschaft wieder lebhafter'zu, und
dieses Interesse ist denn bis jetzt auch ziemlich nachhaltig geblie¬
ben. Aber immerhin wird es dem aufmerksamen Besucher des Schau¬
spielhauses nicht entgehen, wie die höheren Range desselben bei
den Opern meistens von einem ganz anderen Publicum als bei re-
citirenden Schauspiel erfüllt werden; vie Oper hat ein zahlreiche¬
res, das recitirende Schauspiel ein wechselnderes; in der Oper ist
die Zahl der Frauen, im Schauspiel die der Männer Verhältniß-
mäßig bedeutender. Wenden wir uns endlich noch einmal zu den Pri¬
vatgesellschaften zurück, so sehen wir im Ganzen die Kartentische,
diese Zeugnisse innerlicher Beziehungslosigkeit der Gesellschaftsmit-
glicdcr zu einander, nur sparsam und meistens nur von denen be¬
setzt, welche nicht durch die Lust an der Gesellschaft, sondern durch
bestimmte Pflichten und Rücksichten zu deren Besuch genöthigt sind.
Auch die Zimmer, in denen die neuesten Kupfer- und Prachtwerke
aufliegen, diese Schlupfwinkel der Langweile, sind nur von We¬
nigen besetzt, wenn nicht wirkliche Meisterwerke eine allgemeinere
Aufmerksamkeit dorthin lenken. Dagegen schwirrt das Gespräch
munter und rasch durch die verschiedenen Gruppen; die Zeichen
geistiger Lebhaftigkeit offenbaren sich ringsum. Die Leipziger Gesell¬
schaft hat den Vorzug wirklich vielseitig angeregt und geistig be¬
wegt zu sein. Dies mag vielleicht nicht sowohl ihr-eigenes Ver¬
dienst, als das der sie umgebenden Verhältnisse sein. Denn Leipzig
hat die glücklichsten Mischungen zu einer wirklich ausgezeichneten
Gesellschaft; jede Richtung des öffentlichen praktischen und theore¬
tischen Lebens ist in ihr vertreten; die große Menge der jugendli¬
chen geistig aufgeregten und verschiedenartig gebildeten Menschen
ihrer Kreise führen fort und fort alle neuen Bewegungen der Zeit
in sie hinein. Und hört man auch selten, daß gerade diese den Ge¬
genstand der Unterhaltung bilden, so sind sie doch Hintergrund und
Staffage jener Erörterungen welche den Salon nicht scheuen.
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