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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Wäre es uns erlaubt, hier mehr ins Detail einzugehen, so
würde der Leser über die Resultate staunen. Wenn man gewisse,
zufällige Ursachen abrechnet, so zeigt sich im Allgemeinen, daß die
relative Sterblichkeit überall im umgekehrten Verhältniß steht zum
Fortschritte der Civilisation. Eine Denkschrift, die Herr Mulier der
medicinischen Akademie in Paris -"">" 1828 mittheilte, beweist au¬
thentisch, daß, in den verschiedenen Departements von Frankreich,
die Sterblichkeit desto geringer ist, je mehr der öffentliche Unterricht
in denselben sich verbreitet hat, und umgekehrt. Der gebildetere
Norden Frankreichs zeigt weniger Sterbefälle, während die Unter-
Bretagne in Hinsicht der Sterblichkeit und der Bildung gleich schwarz
angeschrieben steht. In den Departements ersten Ranges kommt
ein Todesfall auf 5" Einwohner; in den Departements letzten
Ranges einer auf 26; durchschnittlich kam in Frankreich, nach Mu¬
lier, -ullo 1828 einer auf vierzig.

Ueber den jährlichen Fortschritt der Bevölkerung von Paris
besitzt man Documente seit 1670; damals ließ der große Minister
Colbert die ersten Untersuchungen darüber anstellen, die seitdem re¬
gelmäßig fortgesetzt wurden. Man findet sie vollständig abgedruckt
in den "Statistischen Forschungen über die Stadt Paris und das
Departement der Seine, herausgegeben unter der Leitung des Gra¬
fen von Chabrol." ^Paris, 1823). In dem einleitenden Memoire,
welches gleichsam die aus der großen Arbeit geschöpften moralischen
Folgerungen enthält, heißt es unter andern": "In dem Maße, als
die gemeinnützigen Kenntnisse sich verbreitet und auf die öffentliche
Verwaltung Einfluß gewonnen haben, ist auch die zeitweise große
Sterblichkeit in der Hauptstadt viel seltener geworden. In der Reihe
der jährlichen Sterbefälle ist mehr Gleichmäßigkeit eingetreten; die
Veränderungen fallen nicht mehr so plötzlich und in so ausgedehn¬
tem Maße aus, wie ehedem. ... Es herrscht ein humanerer und
mehr erleuchteter Sinn im Bereich der öffentlichen Unterstützung
und Hülfeleistung, überhaupt haben Erfahrung, Fortschritt der In¬
dustrie und allgemeine Stimmung der Geister zu glücklichen Ver¬
besserungen geführt.

Von 1670 bis 1760 überstieg die Zahl der jährlichen Sterbe-
fälle fast jedesmal die der Geburten, während sie seit 1760 weit
unter der letztern blieb) ausgenommen die Jahre 1780 und 1781,


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Wäre es uns erlaubt, hier mehr ins Detail einzugehen, so
würde der Leser über die Resultate staunen. Wenn man gewisse,
zufällige Ursachen abrechnet, so zeigt sich im Allgemeinen, daß die
relative Sterblichkeit überall im umgekehrten Verhältniß steht zum
Fortschritte der Civilisation. Eine Denkschrift, die Herr Mulier der
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thentisch, daß, in den verschiedenen Departements von Frankreich,
die Sterblichkeit desto geringer ist, je mehr der öffentliche Unterricht
in denselben sich verbreitet hat, und umgekehrt. Der gebildetere
Norden Frankreichs zeigt weniger Sterbefälle, während die Unter-
Bretagne in Hinsicht der Sterblichkeit und der Bildung gleich schwarz
angeschrieben steht. In den Departements ersten Ranges kommt
ein Todesfall auf 5» Einwohner; in den Departements letzten
Ranges einer auf 26; durchschnittlich kam in Frankreich, nach Mu¬
lier, -ullo 1828 einer auf vierzig.

Ueber den jährlichen Fortschritt der Bevölkerung von Paris
besitzt man Documente seit 1670; damals ließ der große Minister
Colbert die ersten Untersuchungen darüber anstellen, die seitdem re¬
gelmäßig fortgesetzt wurden. Man findet sie vollständig abgedruckt
in den „Statistischen Forschungen über die Stadt Paris und das
Departement der Seine, herausgegeben unter der Leitung des Gra¬
fen von Chabrol." ^Paris, 1823). In dem einleitenden Memoire,
welches gleichsam die aus der großen Arbeit geschöpften moralischen
Folgerungen enthält, heißt es unter andern»: „In dem Maße, als
die gemeinnützigen Kenntnisse sich verbreitet und auf die öffentliche
Verwaltung Einfluß gewonnen haben, ist auch die zeitweise große
Sterblichkeit in der Hauptstadt viel seltener geworden. In der Reihe
der jährlichen Sterbefälle ist mehr Gleichmäßigkeit eingetreten; die
Veränderungen fallen nicht mehr so plötzlich und in so ausgedehn¬
tem Maße aus, wie ehedem. ... Es herrscht ein humanerer und
mehr erleuchteter Sinn im Bereich der öffentlichen Unterstützung
und Hülfeleistung, überhaupt haben Erfahrung, Fortschritt der In¬
dustrie und allgemeine Stimmung der Geister zu glücklichen Ver¬
besserungen geführt.

Von 1670 bis 1760 überstieg die Zahl der jährlichen Sterbe-
fälle fast jedesmal die der Geburten, während sie seit 1760 weit
unter der letztern blieb) ausgenommen die Jahre 1780 und 1781,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/527>, abgerufen am 01.09.2024.