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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Thema, mittels welches ich mit ihr anknüpfen könnte, aber ich
dachte an meinen alten Grundsatz: wenn ich verstimmt bin, Nie¬
mand, zumal eine Dame nicht zu langweilen; ein Grundsatz, der
eben sowohl auf Humanität, als auf Eitelkeit basirt ist, und ich
begnügte mich, sie bloß zu betrachten, wohl auch hie und da, wenn
sie mit einem der Reisenden sprach, zu belauschen.

-- Sprachen Sie auch wirklich gar nicht mit ihr? fragte
Eugenie lauernd.

-- Kein Wort! Ich hatte genug zu sehen und zu hören. Die
Dame war braun und blaß, besaß aber dabei doch eine so schöne
kindliche Fülle der Wangen und des Körpers, wie sie sonst mit
diesem Teint nicht vereinigt zu sein pflegt. Augen und Haar sind
schwarz, so viel ich mich erinnere rabenschwarz, und ihre ganze
Gestalt so, wie ich mir eine schöne junge Araberin denke. Ihre
Neisetoilette war sehr geschmackvoll, edel und harmonisch, ihre Be¬
wegung gemessen, doch sanft, nur ihre Sprache hatte etwas Männ¬
liches. Vielleicht thue ich hier der Dame Unrecht, und ist nur
meine damalige Ungewohnheit der nordischen Sprechweise Schuld,
daß mir ihre Rede für eine Dame ihres Alters etwas zu energisch
schien. Doch wende diese Härte, so zu sagen, durch die Weiblich¬
keit des ganzen Gesichtes und des ganzen Wesens der Unbekann¬
ten gemildert. Die Unbekannte aber war die bekannte Verfasserin
der Jenny, der Clementine und der Lebensfrage.

-- Sprach sie klug, geistreich?

-- Es war eben nicht Gelegenheit dazu da, doch sah man
ihr an, daß sie es konnte, wenn es darauf ankäme. Als ich erfuhr,
daß die Dame im Sammetspenzer und mit dem grünen Schleier
Fanny Lewald sei, verlor ich auch den Muth sie anzureden, denn
ich hatte damals noch kein Wort von ihr gelesen; gegenwärtig
kenne ich ihren "Kunstteufel" aus den Grenzboten. Es ist eine
Novelle K lit --

-- Kein Urtheil! rief Eugenie, was wissen Sie noch von ihr?

-- Sonst nichts mehr, als daß sie abwechselnd in Berlin
und Königsberg lebt und gegenwärtigen Winter in Rom zubringt
und nach Frauenart viel schreibt.

-- Ich wollte, sie würde katholisch und bliebe in Rom, sagte
Eugenie und sah mich prüfend an.


Thema, mittels welches ich mit ihr anknüpfen könnte, aber ich
dachte an meinen alten Grundsatz: wenn ich verstimmt bin, Nie¬
mand, zumal eine Dame nicht zu langweilen; ein Grundsatz, der
eben sowohl auf Humanität, als auf Eitelkeit basirt ist, und ich
begnügte mich, sie bloß zu betrachten, wohl auch hie und da, wenn
sie mit einem der Reisenden sprach, zu belauschen.

— Sprachen Sie auch wirklich gar nicht mit ihr? fragte
Eugenie lauernd.

— Kein Wort! Ich hatte genug zu sehen und zu hören. Die
Dame war braun und blaß, besaß aber dabei doch eine so schöne
kindliche Fülle der Wangen und des Körpers, wie sie sonst mit
diesem Teint nicht vereinigt zu sein pflegt. Augen und Haar sind
schwarz, so viel ich mich erinnere rabenschwarz, und ihre ganze
Gestalt so, wie ich mir eine schöne junge Araberin denke. Ihre
Neisetoilette war sehr geschmackvoll, edel und harmonisch, ihre Be¬
wegung gemessen, doch sanft, nur ihre Sprache hatte etwas Männ¬
liches. Vielleicht thue ich hier der Dame Unrecht, und ist nur
meine damalige Ungewohnheit der nordischen Sprechweise Schuld,
daß mir ihre Rede für eine Dame ihres Alters etwas zu energisch
schien. Doch wende diese Härte, so zu sagen, durch die Weiblich¬
keit des ganzen Gesichtes und des ganzen Wesens der Unbekann¬
ten gemildert. Die Unbekannte aber war die bekannte Verfasserin
der Jenny, der Clementine und der Lebensfrage.

— Sprach sie klug, geistreich?

— Es war eben nicht Gelegenheit dazu da, doch sah man
ihr an, daß sie es konnte, wenn es darauf ankäme. Als ich erfuhr,
daß die Dame im Sammetspenzer und mit dem grünen Schleier
Fanny Lewald sei, verlor ich auch den Muth sie anzureden, denn
ich hatte damals noch kein Wort von ihr gelesen; gegenwärtig
kenne ich ihren „Kunstteufel" aus den Grenzboten. Es ist eine
Novelle K lit —

— Kein Urtheil! rief Eugenie, was wissen Sie noch von ihr?

— Sonst nichts mehr, als daß sie abwechselnd in Berlin
und Königsberg lebt und gegenwärtigen Winter in Rom zubringt
und nach Frauenart viel schreibt.

— Ich wollte, sie würde katholisch und bliebe in Rom, sagte
Eugenie und sah mich prüfend an.


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[0437] Thema, mittels welches ich mit ihr anknüpfen könnte, aber ich dachte an meinen alten Grundsatz: wenn ich verstimmt bin, Nie¬ mand, zumal eine Dame nicht zu langweilen; ein Grundsatz, der eben sowohl auf Humanität, als auf Eitelkeit basirt ist, und ich begnügte mich, sie bloß zu betrachten, wohl auch hie und da, wenn sie mit einem der Reisenden sprach, zu belauschen. — Sprachen Sie auch wirklich gar nicht mit ihr? fragte Eugenie lauernd. — Kein Wort! Ich hatte genug zu sehen und zu hören. Die Dame war braun und blaß, besaß aber dabei doch eine so schöne kindliche Fülle der Wangen und des Körpers, wie sie sonst mit diesem Teint nicht vereinigt zu sein pflegt. Augen und Haar sind schwarz, so viel ich mich erinnere rabenschwarz, und ihre ganze Gestalt so, wie ich mir eine schöne junge Araberin denke. Ihre Neisetoilette war sehr geschmackvoll, edel und harmonisch, ihre Be¬ wegung gemessen, doch sanft, nur ihre Sprache hatte etwas Männ¬ liches. Vielleicht thue ich hier der Dame Unrecht, und ist nur meine damalige Ungewohnheit der nordischen Sprechweise Schuld, daß mir ihre Rede für eine Dame ihres Alters etwas zu energisch schien. Doch wende diese Härte, so zu sagen, durch die Weiblich¬ keit des ganzen Gesichtes und des ganzen Wesens der Unbekann¬ ten gemildert. Die Unbekannte aber war die bekannte Verfasserin der Jenny, der Clementine und der Lebensfrage. — Sprach sie klug, geistreich? — Es war eben nicht Gelegenheit dazu da, doch sah man ihr an, daß sie es konnte, wenn es darauf ankäme. Als ich erfuhr, daß die Dame im Sammetspenzer und mit dem grünen Schleier Fanny Lewald sei, verlor ich auch den Muth sie anzureden, denn ich hatte damals noch kein Wort von ihr gelesen; gegenwärtig kenne ich ihren „Kunstteufel" aus den Grenzboten. Es ist eine Novelle K lit — — Kein Urtheil! rief Eugenie, was wissen Sie noch von ihr? — Sonst nichts mehr, als daß sie abwechselnd in Berlin und Königsberg lebt und gegenwärtigen Winter in Rom zubringt und nach Frauenart viel schreibt. — Ich wollte, sie würde katholisch und bliebe in Rom, sagte Eugenie und sah mich prüfend an.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/437>, abgerufen am 07.10.2024.