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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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-- Das hieße nicht einen, daS hieße bei Fanny Lewald zwei
Schritte zurückthun.

-- Sie haben sich Fannys Toilette wunderbar gut gemerkt!

-- Ja, der Schleier war grün, der Sammetspenzer bräunlich¬
roth und mit zierlichen Knöpfchen besetzt; auch trug sie eine hübsche
Lorgnette, mit der sie sehr niedlich spielte. Mein Gedächtniß für
Damcntoilette darf Sie nicht wundern; ich kann Ihnen genau be¬
schreiben, wie sich Frau von Bacharacht trägt.

-- Kennen Sie auch diese? ach erzählen Sie, aber ausführlich!

-- Gut. Ort der Handlung: Leipzig, im Storchnest. Der
Zuschauer sieht ein geräumiges, komfortable eingerichtetes Studier¬
zimmer mit einer Haupt- und einer Seitenthür. Von den Wänden
blicken französische und deutsche Gelehrte, Dichter und Staatsmän¬
ner, durch das Fenster hat man einen weiten Blick auf das Schlacht¬
feld. Sie sehen, ich werde ganz dramatisch, das kann aber nicht
anders sein, denn ich denke an Heinrich Laube, und sein Zimmer
ist es, daS ich Ihnen hier beschreibe. Um einen Tisch sitzen ge¬
müthlich plaudernd ':ut Kaffee trinkend der Herr deö Hauses,
seine liebenswürdige Frau und zwei Freunde, Berthold Auerbach
und ich. Ein Bedienter tritt ein und giebt der Frau vom Hause
eine Karte. Sie liest: Frau von Bacharacht. -- Frau von Ba¬
characht! rusen Alle nach. -- Therese, Briefe aus dem Süden,
Menschen und Gegenden, das ist ja herrlich! rufe ich. - Wie er
sich freut, weil er weiß, daß es eine schöne Frau ist, sagt Madame
Laube. -- Wird sehr angenehm sein! -- Der Bediente geht, Ma¬
dame Laube begiebt sich in ihr Empfangzimmer und ich reibe mir
vor Freude die Hände. - - Der i sah t noch jung! sagt der Verfas¬
ser der Dorfgeschichten. -- Nach zehn Minuten gingen wir den
Damen nach und fanden sie schon im eifrigsten, lebhaftesten Ge¬
spräch. Wer kann auch mit Madame Laube nur wenige Minuten
zusammen sein, ohne sich aufs Jnteressanteste zu unterhalten. Diese
geistvolle Dame weiß bei Jedem sogleich, wie ein erfahrener Berg¬
mann, den rechten Punkt anzuschlagen, wo er am reichsten und er¬
giebigsten ist. Ist dieser Schacht erschöpft, so hat sie mittlerweile
eine andere Seite entdeckt, und ehe man sich es versieht, ist man
in einem Uebergange, dann wieder in einem dritten, vierten, bis
man erstaunt bemerkt, welch ein weites Feld, welch ein wahres La-


— Das hieße nicht einen, daS hieße bei Fanny Lewald zwei
Schritte zurückthun.

— Sie haben sich Fannys Toilette wunderbar gut gemerkt!

— Ja, der Schleier war grün, der Sammetspenzer bräunlich¬
roth und mit zierlichen Knöpfchen besetzt; auch trug sie eine hübsche
Lorgnette, mit der sie sehr niedlich spielte. Mein Gedächtniß für
Damcntoilette darf Sie nicht wundern; ich kann Ihnen genau be¬
schreiben, wie sich Frau von Bacharacht trägt.

— Kennen Sie auch diese? ach erzählen Sie, aber ausführlich!

— Gut. Ort der Handlung: Leipzig, im Storchnest. Der
Zuschauer sieht ein geräumiges, komfortable eingerichtetes Studier¬
zimmer mit einer Haupt- und einer Seitenthür. Von den Wänden
blicken französische und deutsche Gelehrte, Dichter und Staatsmän¬
ner, durch das Fenster hat man einen weiten Blick auf das Schlacht¬
feld. Sie sehen, ich werde ganz dramatisch, das kann aber nicht
anders sein, denn ich denke an Heinrich Laube, und sein Zimmer
ist es, daS ich Ihnen hier beschreibe. Um einen Tisch sitzen ge¬
müthlich plaudernd ':ut Kaffee trinkend der Herr deö Hauses,
seine liebenswürdige Frau und zwei Freunde, Berthold Auerbach
und ich. Ein Bedienter tritt ein und giebt der Frau vom Hause
eine Karte. Sie liest: Frau von Bacharacht. — Frau von Ba¬
characht! rusen Alle nach. — Therese, Briefe aus dem Süden,
Menschen und Gegenden, das ist ja herrlich! rufe ich. - Wie er
sich freut, weil er weiß, daß es eine schöne Frau ist, sagt Madame
Laube. — Wird sehr angenehm sein! — Der Bediente geht, Ma¬
dame Laube begiebt sich in ihr Empfangzimmer und ich reibe mir
vor Freude die Hände. - - Der i sah t noch jung! sagt der Verfas¬
ser der Dorfgeschichten. — Nach zehn Minuten gingen wir den
Damen nach und fanden sie schon im eifrigsten, lebhaftesten Ge¬
spräch. Wer kann auch mit Madame Laube nur wenige Minuten
zusammen sein, ohne sich aufs Jnteressanteste zu unterhalten. Diese
geistvolle Dame weiß bei Jedem sogleich, wie ein erfahrener Berg¬
mann, den rechten Punkt anzuschlagen, wo er am reichsten und er¬
giebigsten ist. Ist dieser Schacht erschöpft, so hat sie mittlerweile
eine andere Seite entdeckt, und ehe man sich es versieht, ist man
in einem Uebergange, dann wieder in einem dritten, vierten, bis
man erstaunt bemerkt, welch ein weites Feld, welch ein wahres La-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/438>, abgerufen am 23.12.2024.