Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gen. -- Ich drückte ihm dankbar die Hand und ging. -- Wieder
einmal mußte ich mir sagen, wie viel besser es ist, mit den Dus
in"jorlun AvMium zu thun zu haben, als mit denen miuuruili.
Im Herzen aber jubelte ich, denn mit Trieft war mir dir Pforte
nach dem lang ersehnten Italien aufgethan, und an diesem letzten
Visum war mir besonders gelegen, da ohne es der Eingang
in den Freihafen, den man wie Ausland betrachtet, nicht gewährt
wird.

Am Abend desselben Tages jubelte ich von der Obtschinaer
Höhe der blauen Herrlichkeit des Adrianschcn Meeres entgegen, und
mit mir jubelte eine ganze Schaar von Stichenten aus allen Welt-
gegenden, die einige Minuten vor mir auf diesem herrlichen Punkte
angelangt waren. Die allgemeine Freude erleichterte unsere Be¬
kanntschaft und wir zogen als gute Wanderfreunde alle zusam¬
men in Trieft ein und herbergten alle im selben Gasthause. An
der Barriere besah man unsere Pässe, gab sie uns aber mit der
Weisung zurück, sie zur weitern Reise auf der Polizeidirection vi-
diren zu lassen.

Drei schöne Tage verstrichen auf die angenehmste Weise, end¬
lich kam der Tag der Abreise heran. Die Pässe mußten vidirt
sein, sonst nahm man uns auf dem Dampfschiffe, das nach Ve¬
nedig geht, nicht auf. Früher als alle Andern stund ich an die¬
sem Tage auf und ging wie ein Diener der heiligen Hermandad
von Zimmer zu Zimmer und bat um ihre Pässe und um die Gunst
sie besorgen zu dürfen. Es waren ihrer zwölf; zwölf solide,
loyale, fleckenlose, engelreine Pässe, die kein forschendes Polizei¬
auge der Welt zu scheuen brauchten. Mich beschlich Wehmuth
bei ihrem Anblick) auch der Räuber hat seine Stunden. Einst
konnte ich nicht schlafen ohne mein Nachtgebet herges.igt zu haben,
und jetzt reiste ich ohne Paß, oder wenigstens mit einem schlechten,
so zu sagen liberalen und subversiven Passe. O, es ist weit
mit dir gekommen, Ottavio! -- Ich nahm ihn und steckte ihn in
die untersten Reihen; ach, er war der Judas in dieser heiligen
Schaar von Zwölfen. -- So' kam ich auf die Polizei. Man
wies mich an einen kleinen schwarzen Italiener. Wollen Sie ge¬
fälligst diese Studenten-Pässe nach Venedig vidiren? -- Er nahm
sie, betrachtete das hübsche Häuflein und fragte: Lauter Stuben-


gen. — Ich drückte ihm dankbar die Hand und ging. — Wieder
einmal mußte ich mir sagen, wie viel besser es ist, mit den Dus
in»jorlun AvMium zu thun zu haben, als mit denen miuuruili.
Im Herzen aber jubelte ich, denn mit Trieft war mir dir Pforte
nach dem lang ersehnten Italien aufgethan, und an diesem letzten
Visum war mir besonders gelegen, da ohne es der Eingang
in den Freihafen, den man wie Ausland betrachtet, nicht gewährt
wird.

Am Abend desselben Tages jubelte ich von der Obtschinaer
Höhe der blauen Herrlichkeit des Adrianschcn Meeres entgegen, und
mit mir jubelte eine ganze Schaar von Stichenten aus allen Welt-
gegenden, die einige Minuten vor mir auf diesem herrlichen Punkte
angelangt waren. Die allgemeine Freude erleichterte unsere Be¬
kanntschaft und wir zogen als gute Wanderfreunde alle zusam¬
men in Trieft ein und herbergten alle im selben Gasthause. An
der Barriere besah man unsere Pässe, gab sie uns aber mit der
Weisung zurück, sie zur weitern Reise auf der Polizeidirection vi-
diren zu lassen.

Drei schöne Tage verstrichen auf die angenehmste Weise, end¬
lich kam der Tag der Abreise heran. Die Pässe mußten vidirt
sein, sonst nahm man uns auf dem Dampfschiffe, das nach Ve¬
nedig geht, nicht auf. Früher als alle Andern stund ich an die¬
sem Tage auf und ging wie ein Diener der heiligen Hermandad
von Zimmer zu Zimmer und bat um ihre Pässe und um die Gunst
sie besorgen zu dürfen. Es waren ihrer zwölf; zwölf solide,
loyale, fleckenlose, engelreine Pässe, die kein forschendes Polizei¬
auge der Welt zu scheuen brauchten. Mich beschlich Wehmuth
bei ihrem Anblick) auch der Räuber hat seine Stunden. Einst
konnte ich nicht schlafen ohne mein Nachtgebet herges.igt zu haben,
und jetzt reiste ich ohne Paß, oder wenigstens mit einem schlechten,
so zu sagen liberalen und subversiven Passe. O, es ist weit
mit dir gekommen, Ottavio! — Ich nahm ihn und steckte ihn in
die untersten Reihen; ach, er war der Judas in dieser heiligen
Schaar von Zwölfen. — So' kam ich auf die Polizei. Man
wies mich an einen kleinen schwarzen Italiener. Wollen Sie ge¬
fälligst diese Studenten-Pässe nach Venedig vidiren? — Er nahm
sie, betrachtete das hübsche Häuflein und fragte: Lauter Stuben-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0402" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182212"/>
          <p xml:id="ID_908" prev="#ID_907"> gen. &#x2014; Ich drückte ihm dankbar die Hand und ging. &#x2014; Wieder<lb/>
einmal mußte ich mir sagen, wie viel besser es ist, mit den Dus<lb/>
in»jorlun AvMium zu thun zu haben, als mit denen miuuruili.<lb/>
Im Herzen aber jubelte ich, denn mit Trieft war mir dir Pforte<lb/>
nach dem lang ersehnten Italien aufgethan, und an diesem letzten<lb/>
Visum war mir besonders gelegen, da ohne es der Eingang<lb/>
in den Freihafen, den man wie Ausland betrachtet, nicht gewährt<lb/>
wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_909"> Am Abend desselben Tages jubelte ich von der Obtschinaer<lb/>
Höhe der blauen Herrlichkeit des Adrianschcn Meeres entgegen, und<lb/>
mit mir jubelte eine ganze Schaar von Stichenten aus allen Welt-<lb/>
gegenden, die einige Minuten vor mir auf diesem herrlichen Punkte<lb/>
angelangt waren. Die allgemeine Freude erleichterte unsere Be¬<lb/>
kanntschaft und wir zogen als gute Wanderfreunde alle zusam¬<lb/>
men in Trieft ein und herbergten alle im selben Gasthause. An<lb/>
der Barriere besah man unsere Pässe, gab sie uns aber mit der<lb/>
Weisung zurück, sie zur weitern Reise auf der Polizeidirection vi-<lb/>
diren zu lassen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_910" next="#ID_911"> Drei schöne Tage verstrichen auf die angenehmste Weise, end¬<lb/>
lich kam der Tag der Abreise heran. Die Pässe mußten vidirt<lb/>
sein, sonst nahm man uns auf dem Dampfschiffe, das nach Ve¬<lb/>
nedig geht, nicht auf. Früher als alle Andern stund ich an die¬<lb/>
sem Tage auf und ging wie ein Diener der heiligen Hermandad<lb/>
von Zimmer zu Zimmer und bat um ihre Pässe und um die Gunst<lb/>
sie besorgen zu dürfen. Es waren ihrer zwölf; zwölf solide,<lb/>
loyale, fleckenlose, engelreine Pässe, die kein forschendes Polizei¬<lb/>
auge der Welt zu scheuen brauchten. Mich beschlich Wehmuth<lb/>
bei ihrem Anblick) auch der Räuber hat seine Stunden. Einst<lb/>
konnte ich nicht schlafen ohne mein Nachtgebet herges.igt zu haben,<lb/>
und jetzt reiste ich ohne Paß, oder wenigstens mit einem schlechten,<lb/>
so zu sagen liberalen und subversiven Passe. O, es ist weit<lb/>
mit dir gekommen, Ottavio! &#x2014; Ich nahm ihn und steckte ihn in<lb/>
die untersten Reihen; ach, er war der Judas in dieser heiligen<lb/>
Schaar von Zwölfen. &#x2014; So' kam ich auf die Polizei. Man<lb/>
wies mich an einen kleinen schwarzen Italiener. Wollen Sie ge¬<lb/>
fälligst diese Studenten-Pässe nach Venedig vidiren? &#x2014; Er nahm<lb/>
sie, betrachtete das hübsche Häuflein und fragte: Lauter Stuben-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0402] gen. — Ich drückte ihm dankbar die Hand und ging. — Wieder einmal mußte ich mir sagen, wie viel besser es ist, mit den Dus in»jorlun AvMium zu thun zu haben, als mit denen miuuruili. Im Herzen aber jubelte ich, denn mit Trieft war mir dir Pforte nach dem lang ersehnten Italien aufgethan, und an diesem letzten Visum war mir besonders gelegen, da ohne es der Eingang in den Freihafen, den man wie Ausland betrachtet, nicht gewährt wird. Am Abend desselben Tages jubelte ich von der Obtschinaer Höhe der blauen Herrlichkeit des Adrianschcn Meeres entgegen, und mit mir jubelte eine ganze Schaar von Stichenten aus allen Welt- gegenden, die einige Minuten vor mir auf diesem herrlichen Punkte angelangt waren. Die allgemeine Freude erleichterte unsere Be¬ kanntschaft und wir zogen als gute Wanderfreunde alle zusam¬ men in Trieft ein und herbergten alle im selben Gasthause. An der Barriere besah man unsere Pässe, gab sie uns aber mit der Weisung zurück, sie zur weitern Reise auf der Polizeidirection vi- diren zu lassen. Drei schöne Tage verstrichen auf die angenehmste Weise, end¬ lich kam der Tag der Abreise heran. Die Pässe mußten vidirt sein, sonst nahm man uns auf dem Dampfschiffe, das nach Ve¬ nedig geht, nicht auf. Früher als alle Andern stund ich an die¬ sem Tage auf und ging wie ein Diener der heiligen Hermandad von Zimmer zu Zimmer und bat um ihre Pässe und um die Gunst sie besorgen zu dürfen. Es waren ihrer zwölf; zwölf solide, loyale, fleckenlose, engelreine Pässe, die kein forschendes Polizei¬ auge der Welt zu scheuen brauchten. Mich beschlich Wehmuth bei ihrem Anblick) auch der Räuber hat seine Stunden. Einst konnte ich nicht schlafen ohne mein Nachtgebet herges.igt zu haben, und jetzt reiste ich ohne Paß, oder wenigstens mit einem schlechten, so zu sagen liberalen und subversiven Passe. O, es ist weit mit dir gekommen, Ottavio! — Ich nahm ihn und steckte ihn in die untersten Reihen; ach, er war der Judas in dieser heiligen Schaar von Zwölfen. — So' kam ich auf die Polizei. Man wies mich an einen kleinen schwarzen Italiener. Wollen Sie ge¬ fälligst diese Studenten-Pässe nach Venedig vidiren? — Er nahm sie, betrachtete das hübsche Häuflein und fragte: Lauter Stuben-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/402
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/402>, abgerufen am 02.09.2024.