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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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des Armen Sache ist "verloren und faul". Warum? Immer nur
deshalb, weil der Arme arm ist, während das Geld die Herrschaft,
die Macht hat, das Geld, diese Loreley, die Alles lockt und ver¬
dirbt. Das ist der ewige Rcferain:


"Denn warum sind wir arm?! --"

Ja, und warum ist der Arme arm? das ist die letzte Frage.
Darum, weil er nichts thut als beten und dulden:


"Dies Dulden ist unser unendlich Verschulden.
"Und -- darum sind wir arm." -- --

Und dieses Lied also vom armen Manne ist gesungen mit dem
frommen Wunsche:


O, daß es Trost und Hülfe brächte!

Wer soll aber dem Armen helfen? Der Arme sich selbst? Das
"Warum sind wir arm?" macht uns glauben, daß dies des Dichters
Meinung sei) auch ist es ein vortrefflicher Rath. Nur das "Wie?"
Das "Wie," das ist der gordische Knoten.

Der Poet hat ihn nicht gelöst, und wird ihn freilich nimmer
losen; aber er l,at ihn auch nicht einmal zerhauen. Er wendet
sich andrerseits an den Reichen Und macht Dem die bittersten Vor¬
würfe, daß er die Armuth zulasse, daß er den Armen nicht helfe.
Nimmt man diese Vorwürfe prosaisch ernst -- und man muß sie
wirklich so nehmen, denn Becks reflectirende Streifzüge, oft fast im
Predigtton, sonderlich in der Eingangsepistel "an das Haus Roth¬
schild" zwingen dazu -- nimmt man sie also prosaisch ernst, so sind
sie in hohem Grade ungerecht.

Denn wenn Wohlthätigkeit verlangt wird, -- nun wahrlich,
Mangel an dieser Tugend kann man unserer Zeit so allgemein hin
gewiß nicht vorwerfen. Man sieht die Reichen, sagt Beck, ihre
Hunde und Pferde pflegen,


des Armen Sache ist „verloren und faul". Warum? Immer nur
deshalb, weil der Arme arm ist, während das Geld die Herrschaft,
die Macht hat, das Geld, diese Loreley, die Alles lockt und ver¬
dirbt. Das ist der ewige Rcferain:


„Denn warum sind wir arm?! —"

Ja, und warum ist der Arme arm? das ist die letzte Frage.
Darum, weil er nichts thut als beten und dulden:


„Dies Dulden ist unser unendlich Verschulden.
„Und — darum sind wir arm." — —

Und dieses Lied also vom armen Manne ist gesungen mit dem
frommen Wunsche:


O, daß es Trost und Hülfe brächte!

Wer soll aber dem Armen helfen? Der Arme sich selbst? Das
„Warum sind wir arm?" macht uns glauben, daß dies des Dichters
Meinung sei) auch ist es ein vortrefflicher Rath. Nur das „Wie?"
Das „Wie," das ist der gordische Knoten.

Der Poet hat ihn nicht gelöst, und wird ihn freilich nimmer
losen; aber er l,at ihn auch nicht einmal zerhauen. Er wendet
sich andrerseits an den Reichen Und macht Dem die bittersten Vor¬
würfe, daß er die Armuth zulasse, daß er den Armen nicht helfe.
Nimmt man diese Vorwürfe prosaisch ernst — und man muß sie
wirklich so nehmen, denn Becks reflectirende Streifzüge, oft fast im
Predigtton, sonderlich in der Eingangsepistel „an das Haus Roth¬
schild" zwingen dazu — nimmt man sie also prosaisch ernst, so sind
sie in hohem Grade ungerecht.

Denn wenn Wohlthätigkeit verlangt wird, — nun wahrlich,
Mangel an dieser Tugend kann man unserer Zeit so allgemein hin
gewiß nicht vorwerfen. Man sieht die Reichen, sagt Beck, ihre
Hunde und Pferde pflegen,


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[0270] des Armen Sache ist „verloren und faul". Warum? Immer nur deshalb, weil der Arme arm ist, während das Geld die Herrschaft, die Macht hat, das Geld, diese Loreley, die Alles lockt und ver¬ dirbt. Das ist der ewige Rcferain: „Denn warum sind wir arm?! —" Ja, und warum ist der Arme arm? das ist die letzte Frage. Darum, weil er nichts thut als beten und dulden: „Dies Dulden ist unser unendlich Verschulden. „Und — darum sind wir arm." — — Und dieses Lied also vom armen Manne ist gesungen mit dem frommen Wunsche: O, daß es Trost und Hülfe brächte! Wer soll aber dem Armen helfen? Der Arme sich selbst? Das „Warum sind wir arm?" macht uns glauben, daß dies des Dichters Meinung sei) auch ist es ein vortrefflicher Rath. Nur das „Wie?" Das „Wie," das ist der gordische Knoten. Der Poet hat ihn nicht gelöst, und wird ihn freilich nimmer losen; aber er l,at ihn auch nicht einmal zerhauen. Er wendet sich andrerseits an den Reichen Und macht Dem die bittersten Vor¬ würfe, daß er die Armuth zulasse, daß er den Armen nicht helfe. Nimmt man diese Vorwürfe prosaisch ernst — und man muß sie wirklich so nehmen, denn Becks reflectirende Streifzüge, oft fast im Predigtton, sonderlich in der Eingangsepistel „an das Haus Roth¬ schild" zwingen dazu — nimmt man sie also prosaisch ernst, so sind sie in hohem Grade ungerecht. Denn wenn Wohlthätigkeit verlangt wird, — nun wahrlich, Mangel an dieser Tugend kann man unserer Zeit so allgemein hin gewiß nicht vorwerfen. Man sieht die Reichen, sagt Beck, ihre Hunde und Pferde pflegen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/270>, abgerufen am 01.09.2024.