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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Aussatz eines jungen Poeten, der nicht einmal zu den Verschwore¬
nen gehörte, und mit dem blos die junge, der Prosa ungewohnte
Feder durchgegangen war, wurde vom geheimen Comittee des Un¬
terhauses vorgelegt, unter den Ackerstücken, die da beweisen sollten,
welche entsetzliche und staatsgefährliche Pläne das vereinigte Ir¬
land im Schild geführt habe.

Als einige Wochen vor der schrecklichen Katastrophe eine strenge
Untersuchung über die Studenten der Dubliner Universität verhängt
wurde, deren Gesinnungen längst verdächtig geworden, kam auch
Moore zum Verhör vor dem Tribunal, welches aus dem Lord
Vicekanzler und dem Doctor Duigenan -- bekannt durch seine
Wüthenden Pamphlete gegen die Katholiken -- zusammengesetzt
war; Moore benahm sich hier mit so ehrenhaften Muth und sol¬
cher Klugheit, daß er freigesprochen wurde, ohne die geringste Aus¬
sage sich entlocken zu lassen, die einen seiner Bekannten hätte com-
promittiren können. Viele, selbst Mitverschworene, bekannten alles
was sie wußten, um sich nicht ihre Carriere zu verderben, ein Ca-
merad Emmets, ^der auch mehrere bedenkliche Fragen, so wie der junge
Dichter nicht antworten wollte, wurde in Perpetuum relegirt, Moore
aber hatte es seiner offenen und kühnen Beredsamkeit zu danken,
daß er mit ganz heiler Haut davon kam. Er sei in das Collegium
getreten, redete er den Lord Clarc an, um sich zum Gelehrten und
zum Ehrenmann auszubilden, und er wisse nicht, wie sich damit
die Rolle eines Angebers seiner Cameraden vereinigen lassen; seine
eigenen Reden in der Rednergesellschaft habe man verdreht und
falsch ausgelegt, während das Schlimmste was ihnen ein Wahr¬
heitsliebender hätte nachsagen können, warmer Patriotismus ge¬
wesen sei, ... er wisse wohl, mit welchem hochsinnigen Edelmann
er es zu thun habe, . . . seine Lordschaft solle sich einen Augenblick
herablassen von Dero hoher Stellung und sich in seine (Moore'S)
Lage versetzen, um ihm zu sagen, wie Sie unter ähnlichen Umstän¬
den als Ehrenmann handeln würden. -- Diese Worte fanden all¬
gemeinen Beifall und der gestrenge Richter, ein so finsteres Gesicht
er Anfangs gemacht hatte, fühlte sich erweicht und entwaffnet.

Der neunzehnjährige Poet konnte also seine Studien fortsetzen
und begab sich nach London, um in den Middle Tempel zu treten
der die Pforten der Advocatur öffnet. Aber die Musen entrissen


Grenzbotc", I. 26

Aussatz eines jungen Poeten, der nicht einmal zu den Verschwore¬
nen gehörte, und mit dem blos die junge, der Prosa ungewohnte
Feder durchgegangen war, wurde vom geheimen Comittee des Un¬
terhauses vorgelegt, unter den Ackerstücken, die da beweisen sollten,
welche entsetzliche und staatsgefährliche Pläne das vereinigte Ir¬
land im Schild geführt habe.

Als einige Wochen vor der schrecklichen Katastrophe eine strenge
Untersuchung über die Studenten der Dubliner Universität verhängt
wurde, deren Gesinnungen längst verdächtig geworden, kam auch
Moore zum Verhör vor dem Tribunal, welches aus dem Lord
Vicekanzler und dem Doctor Duigenan — bekannt durch seine
Wüthenden Pamphlete gegen die Katholiken — zusammengesetzt
war; Moore benahm sich hier mit so ehrenhaften Muth und sol¬
cher Klugheit, daß er freigesprochen wurde, ohne die geringste Aus¬
sage sich entlocken zu lassen, die einen seiner Bekannten hätte com-
promittiren können. Viele, selbst Mitverschworene, bekannten alles
was sie wußten, um sich nicht ihre Carriere zu verderben, ein Ca-
merad Emmets, ^der auch mehrere bedenkliche Fragen, so wie der junge
Dichter nicht antworten wollte, wurde in Perpetuum relegirt, Moore
aber hatte es seiner offenen und kühnen Beredsamkeit zu danken,
daß er mit ganz heiler Haut davon kam. Er sei in das Collegium
getreten, redete er den Lord Clarc an, um sich zum Gelehrten und
zum Ehrenmann auszubilden, und er wisse nicht, wie sich damit
die Rolle eines Angebers seiner Cameraden vereinigen lassen; seine
eigenen Reden in der Rednergesellschaft habe man verdreht und
falsch ausgelegt, während das Schlimmste was ihnen ein Wahr¬
heitsliebender hätte nachsagen können, warmer Patriotismus ge¬
wesen sei, ... er wisse wohl, mit welchem hochsinnigen Edelmann
er es zu thun habe, . . . seine Lordschaft solle sich einen Augenblick
herablassen von Dero hoher Stellung und sich in seine (Moore'S)
Lage versetzen, um ihm zu sagen, wie Sie unter ähnlichen Umstän¬
den als Ehrenmann handeln würden. — Diese Worte fanden all¬
gemeinen Beifall und der gestrenge Richter, ein so finsteres Gesicht
er Anfangs gemacht hatte, fühlte sich erweicht und entwaffnet.

Der neunzehnjährige Poet konnte also seine Studien fortsetzen
und begab sich nach London, um in den Middle Tempel zu treten
der die Pforten der Advocatur öffnet. Aber die Musen entrissen


Grenzbotc», I. 26
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[0209] Aussatz eines jungen Poeten, der nicht einmal zu den Verschwore¬ nen gehörte, und mit dem blos die junge, der Prosa ungewohnte Feder durchgegangen war, wurde vom geheimen Comittee des Un¬ terhauses vorgelegt, unter den Ackerstücken, die da beweisen sollten, welche entsetzliche und staatsgefährliche Pläne das vereinigte Ir¬ land im Schild geführt habe. Als einige Wochen vor der schrecklichen Katastrophe eine strenge Untersuchung über die Studenten der Dubliner Universität verhängt wurde, deren Gesinnungen längst verdächtig geworden, kam auch Moore zum Verhör vor dem Tribunal, welches aus dem Lord Vicekanzler und dem Doctor Duigenan — bekannt durch seine Wüthenden Pamphlete gegen die Katholiken — zusammengesetzt war; Moore benahm sich hier mit so ehrenhaften Muth und sol¬ cher Klugheit, daß er freigesprochen wurde, ohne die geringste Aus¬ sage sich entlocken zu lassen, die einen seiner Bekannten hätte com- promittiren können. Viele, selbst Mitverschworene, bekannten alles was sie wußten, um sich nicht ihre Carriere zu verderben, ein Ca- merad Emmets, ^der auch mehrere bedenkliche Fragen, so wie der junge Dichter nicht antworten wollte, wurde in Perpetuum relegirt, Moore aber hatte es seiner offenen und kühnen Beredsamkeit zu danken, daß er mit ganz heiler Haut davon kam. Er sei in das Collegium getreten, redete er den Lord Clarc an, um sich zum Gelehrten und zum Ehrenmann auszubilden, und er wisse nicht, wie sich damit die Rolle eines Angebers seiner Cameraden vereinigen lassen; seine eigenen Reden in der Rednergesellschaft habe man verdreht und falsch ausgelegt, während das Schlimmste was ihnen ein Wahr¬ heitsliebender hätte nachsagen können, warmer Patriotismus ge¬ wesen sei, ... er wisse wohl, mit welchem hochsinnigen Edelmann er es zu thun habe, . . . seine Lordschaft solle sich einen Augenblick herablassen von Dero hoher Stellung und sich in seine (Moore'S) Lage versetzen, um ihm zu sagen, wie Sie unter ähnlichen Umstän¬ den als Ehrenmann handeln würden. — Diese Worte fanden all¬ gemeinen Beifall und der gestrenge Richter, ein so finsteres Gesicht er Anfangs gemacht hatte, fühlte sich erweicht und entwaffnet. Der neunzehnjährige Poet konnte also seine Studien fortsetzen und begab sich nach London, um in den Middle Tempel zu treten der die Pforten der Advocatur öffnet. Aber die Musen entrissen Grenzbotc», I. 26

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/209>, abgerufen am 01.09.2024.