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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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ren Werkes konnte er eine kurze Zeit unabhängig leben, dann
überfiel ihn wieder das literarische Elend. Die precäre Existenz
eines gemeinen Soldaten der Presse, eines polo^ -a-Ilmer, der bald
in dieses, bald in jenes Journal kleine Artikel liefert, die von der
Redaction entweder zurückgewiesen oder zurückgelegt werden, dieses
traurige Leben hatte Carrel nicht ertragen, wenn sein stolzes mi¬
litärisch männliches Auftreten ihn nicht wenigstens vor gering¬
schätziger Behandlung bewahrt hätte. Nach einigen Monaten kam
er in solche Verlegenheiten, daß er wieder an den Handelsstand
dachte, aber, um seinen literarischen Sympathien nicht untreu
werden zu müssen, an den Buchhandel. Seine Familie gab ihm
die Mittel, um, in Gemeinschaft mit einem seiner Freunde, ein
kleines Geschäft anzufangen, bei welchem Nichts verloren ging,
als das eingelegte Capital. In einem Hinterstübchen dieses Buch¬
ladens, auf einem alten Tisch, an dessen Fuß er einen großen
Neufundländer angebunden hatte, da entwarf und schrieb Carrel,
bald in einen Stoß englischer Scharteken vertieft, bald seinen
treuen Hund liebkosend, seine "Geschichte der Contrerevolution in
England im I. 1688."

Aber auch dieses Werk ging unbemerkt vorüber, wie die bei¬
den frühern. Es war klar und einfach, mit Mäßigung und viel
gesundem Verstände geschrieben, aber nirgendswo zeigten sich jene
großen Blicke und tiefen Ideen, die den überlegenen Geist, den
hervorragenden Schriftsteller verrathen. Erst ein Jahr später,
imiio 1828, als er in der livvuv er-my-us" zwei ausführliche Ar¬
tikel über den spanischen Krieg veröffentlichte, wo er von Dingen
und Menschen sprach, die er gesehen und erlebt, als er Leiden,
schaften malte, die er getheilt oder bekämpft, da mit einem Male
enthüllte er sich vor den Augen der Lesewelt mit den ihm ganz
eigenen Formen, mit jener kühnen, aber maßvollen Zeichnung,
mit jenem kraftvollen und doch so gehaltenen, anmuthigen Styl,
der seinen spätern Schriften ein so glänzendes Relief gab. Diese
Aufzeichnungen eines bewährten Kriegers waren nicht bloß durch
die strenge Schönheit der Form und den Schwung der Ideen
merkwürdig, sondern der hohe Sinn für Gerechtigkeit und Unpar¬
teilichkeit, der sich darin ausprägte, mußte an einem Soldaten
doppelt rühmenswerth erscheinen.
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Gisnztot-n, 1"-!". I. 20

ren Werkes konnte er eine kurze Zeit unabhängig leben, dann
überfiel ihn wieder das literarische Elend. Die precäre Existenz
eines gemeinen Soldaten der Presse, eines polo^ -a-Ilmer, der bald
in dieses, bald in jenes Journal kleine Artikel liefert, die von der
Redaction entweder zurückgewiesen oder zurückgelegt werden, dieses
traurige Leben hatte Carrel nicht ertragen, wenn sein stolzes mi¬
litärisch männliches Auftreten ihn nicht wenigstens vor gering¬
schätziger Behandlung bewahrt hätte. Nach einigen Monaten kam
er in solche Verlegenheiten, daß er wieder an den Handelsstand
dachte, aber, um seinen literarischen Sympathien nicht untreu
werden zu müssen, an den Buchhandel. Seine Familie gab ihm
die Mittel, um, in Gemeinschaft mit einem seiner Freunde, ein
kleines Geschäft anzufangen, bei welchem Nichts verloren ging,
als das eingelegte Capital. In einem Hinterstübchen dieses Buch¬
ladens, auf einem alten Tisch, an dessen Fuß er einen großen
Neufundländer angebunden hatte, da entwarf und schrieb Carrel,
bald in einen Stoß englischer Scharteken vertieft, bald seinen
treuen Hund liebkosend, seine „Geschichte der Contrerevolution in
England im I. 1688."

Aber auch dieses Werk ging unbemerkt vorüber, wie die bei¬
den frühern. Es war klar und einfach, mit Mäßigung und viel
gesundem Verstände geschrieben, aber nirgendswo zeigten sich jene
großen Blicke und tiefen Ideen, die den überlegenen Geist, den
hervorragenden Schriftsteller verrathen. Erst ein Jahr später,
imiio 1828, als er in der livvuv er-my-us« zwei ausführliche Ar¬
tikel über den spanischen Krieg veröffentlichte, wo er von Dingen
und Menschen sprach, die er gesehen und erlebt, als er Leiden,
schaften malte, die er getheilt oder bekämpft, da mit einem Male
enthüllte er sich vor den Augen der Lesewelt mit den ihm ganz
eigenen Formen, mit jener kühnen, aber maßvollen Zeichnung,
mit jenem kraftvollen und doch so gehaltenen, anmuthigen Styl,
der seinen spätern Schriften ein so glänzendes Relief gab. Diese
Aufzeichnungen eines bewährten Kriegers waren nicht bloß durch
die strenge Schönheit der Form und den Schwung der Ideen
merkwürdig, sondern der hohe Sinn für Gerechtigkeit und Unpar¬
teilichkeit, der sich darin ausprägte, mußte an einem Soldaten
doppelt rühmenswerth erscheinen.
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[0161] ren Werkes konnte er eine kurze Zeit unabhängig leben, dann überfiel ihn wieder das literarische Elend. Die precäre Existenz eines gemeinen Soldaten der Presse, eines polo^ -a-Ilmer, der bald in dieses, bald in jenes Journal kleine Artikel liefert, die von der Redaction entweder zurückgewiesen oder zurückgelegt werden, dieses traurige Leben hatte Carrel nicht ertragen, wenn sein stolzes mi¬ litärisch männliches Auftreten ihn nicht wenigstens vor gering¬ schätziger Behandlung bewahrt hätte. Nach einigen Monaten kam er in solche Verlegenheiten, daß er wieder an den Handelsstand dachte, aber, um seinen literarischen Sympathien nicht untreu werden zu müssen, an den Buchhandel. Seine Familie gab ihm die Mittel, um, in Gemeinschaft mit einem seiner Freunde, ein kleines Geschäft anzufangen, bei welchem Nichts verloren ging, als das eingelegte Capital. In einem Hinterstübchen dieses Buch¬ ladens, auf einem alten Tisch, an dessen Fuß er einen großen Neufundländer angebunden hatte, da entwarf und schrieb Carrel, bald in einen Stoß englischer Scharteken vertieft, bald seinen treuen Hund liebkosend, seine „Geschichte der Contrerevolution in England im I. 1688." Aber auch dieses Werk ging unbemerkt vorüber, wie die bei¬ den frühern. Es war klar und einfach, mit Mäßigung und viel gesundem Verstände geschrieben, aber nirgendswo zeigten sich jene großen Blicke und tiefen Ideen, die den überlegenen Geist, den hervorragenden Schriftsteller verrathen. Erst ein Jahr später, imiio 1828, als er in der livvuv er-my-us« zwei ausführliche Ar¬ tikel über den spanischen Krieg veröffentlichte, wo er von Dingen und Menschen sprach, die er gesehen und erlebt, als er Leiden, schaften malte, die er getheilt oder bekämpft, da mit einem Male enthüllte er sich vor den Augen der Lesewelt mit den ihm ganz eigenen Formen, mit jener kühnen, aber maßvollen Zeichnung, mit jenem kraftvollen und doch so gehaltenen, anmuthigen Styl, der seinen spätern Schriften ein so glänzendes Relief gab. Diese Aufzeichnungen eines bewährten Kriegers waren nicht bloß durch die strenge Schönheit der Form und den Schwung der Ideen merkwürdig, sondern der hohe Sinn für Gerechtigkeit und Unpar¬ teilichkeit, der sich darin ausprägte, mußte an einem Soldaten doppelt rühmenswerth erscheinen. ' Gisnztot-n, 1»-!«. I. 20

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/161>, abgerufen am 23.12.2024.