Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.schick und so gediegene Anlagen, daß in kurzer Zeit die Grenz¬ Indessen wollten die großen literarischen Erfolge nicht so bald schick und so gediegene Anlagen, daß in kurzer Zeit die Grenz¬ Indessen wollten die großen literarischen Erfolge nicht so bald <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0160" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181970"/> <p xml:id="ID_332" prev="#ID_331"> schick und so gediegene Anlagen, daß in kurzer Zeit die Grenz¬<lb/> linie zwischen dem Schreiber und dem selbständigen Schriftsteller<lb/> verwischt war; und Thierry, dessen liebenswürdige Bescheidenheit<lb/> deutschen und französischen Gelehrten ein Muster sein könnte, hat<lb/> stets mit großem Eifer erzählt, was der letzte Band seiner Ge¬<lb/> schichte der Eroberung Alles Earrel's Mitarbeiterschaft zu verdan¬<lb/> ken habe. So verging ein halbes Jahr, und Carrel hatte noch<lb/> keine Feier zu einer selbständigen Arbeit angerührt, als ein Buch¬<lb/> händler Herrn Thierry um einen Abriß der schottischen Geschichte<lb/> bat. Thierry, der kaum Zeit hatte, die eigenen Pläne auszufüh¬<lb/> ren, schlug dem Buchhändler seinen Mitarbeiter als Autor vor.<lb/> Carrel machte sich ans Werk und schrieb, die Ideen der Geschichte<lb/> der Eroberung Englands zu Grunde legend, einen gedrängten<lb/> Abriß der Geschichte Schottlands, welchen Thierry mit einer Vor¬<lb/> rede von seiner Hand in die literarische Welt einführte. Das<lb/> Buch machte ein ziemliches Glück, so daß Carrel von seinem Gön¬<lb/> ner fortan keinen Gehalt mehr nehmen wollte. Allein das war<lb/> wieder Herrn Thierry nicht recht, und es wurde endlich ausge¬<lb/> macht, daß Carrel noch drei Monate lang sein Honorar beziehen,<lb/> und dann frei sein sollte. Inzwischen war Carrel's Mutter nach<lb/> Paris gekommen, besorgt um die Zukunft ihres Sohnes und nicht<lb/> sehr erbaut von dem Gedanken, daß derselbe weiter Nichts als<lb/> ein Literat werden solle. — Sie glauben also, Herr Thierry, sagte<lb/> sie, daß mein Sohn auf diese Art zu etwas kommen kann? —<lb/> Ich stehe gut für ihn, wie für mich selbst, erwiederte Herr Thierry,<lb/> ich habe einige Erfahrung in solchen Dingen, und erkenne unge¬<lb/> fähr, ob. Einer literarischen Beruf hat. Der junge Mann pflegte<lb/> diese Gespräche in stumm bescheidener und fast furchtsamer Hal¬<lb/> tung vor seiner Mutter anzuhören, deren ehrwürdiger Charakter<lb/> große Macht über ihn hatte. Carrel pflegte sich nur vor jenen<lb/> Eigenschaften zu beugen, die das Innere seines eigenen Wesens<lb/> bildeten; denn was er so hoch an seiner Mutter verehrte, war<lb/> eben jene Charakterfestigkeit, die später ihn selbst zum Gegenstände<lb/> der allgemeinen Achtung machte.</p><lb/> <p xml:id="ID_333" next="#ID_334"> Indessen wollten die großen literarischen Erfolge nicht so bald<lb/> kommen. Auf Thierry'ö Rath schrieb er einen Abriß der „Ge¬<lb/> schichte der Neugriechen", und vom Ertrage dieses und des frühe-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0160]
schick und so gediegene Anlagen, daß in kurzer Zeit die Grenz¬
linie zwischen dem Schreiber und dem selbständigen Schriftsteller
verwischt war; und Thierry, dessen liebenswürdige Bescheidenheit
deutschen und französischen Gelehrten ein Muster sein könnte, hat
stets mit großem Eifer erzählt, was der letzte Band seiner Ge¬
schichte der Eroberung Alles Earrel's Mitarbeiterschaft zu verdan¬
ken habe. So verging ein halbes Jahr, und Carrel hatte noch
keine Feier zu einer selbständigen Arbeit angerührt, als ein Buch¬
händler Herrn Thierry um einen Abriß der schottischen Geschichte
bat. Thierry, der kaum Zeit hatte, die eigenen Pläne auszufüh¬
ren, schlug dem Buchhändler seinen Mitarbeiter als Autor vor.
Carrel machte sich ans Werk und schrieb, die Ideen der Geschichte
der Eroberung Englands zu Grunde legend, einen gedrängten
Abriß der Geschichte Schottlands, welchen Thierry mit einer Vor¬
rede von seiner Hand in die literarische Welt einführte. Das
Buch machte ein ziemliches Glück, so daß Carrel von seinem Gön¬
ner fortan keinen Gehalt mehr nehmen wollte. Allein das war
wieder Herrn Thierry nicht recht, und es wurde endlich ausge¬
macht, daß Carrel noch drei Monate lang sein Honorar beziehen,
und dann frei sein sollte. Inzwischen war Carrel's Mutter nach
Paris gekommen, besorgt um die Zukunft ihres Sohnes und nicht
sehr erbaut von dem Gedanken, daß derselbe weiter Nichts als
ein Literat werden solle. — Sie glauben also, Herr Thierry, sagte
sie, daß mein Sohn auf diese Art zu etwas kommen kann? —
Ich stehe gut für ihn, wie für mich selbst, erwiederte Herr Thierry,
ich habe einige Erfahrung in solchen Dingen, und erkenne unge¬
fähr, ob. Einer literarischen Beruf hat. Der junge Mann pflegte
diese Gespräche in stumm bescheidener und fast furchtsamer Hal¬
tung vor seiner Mutter anzuhören, deren ehrwürdiger Charakter
große Macht über ihn hatte. Carrel pflegte sich nur vor jenen
Eigenschaften zu beugen, die das Innere seines eigenen Wesens
bildeten; denn was er so hoch an seiner Mutter verehrte, war
eben jene Charakterfestigkeit, die später ihn selbst zum Gegenstände
der allgemeinen Achtung machte.
Indessen wollten die großen literarischen Erfolge nicht so bald
kommen. Auf Thierry'ö Rath schrieb er einen Abriß der „Ge¬
schichte der Neugriechen", und vom Ertrage dieses und des frühe-
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