Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.sucht die Religion zu retten, Jeder die seinige, die er von den ver¬ III. Das Leipziger Theater. Es ist jetzt über ein Jahr her, daß das Leipziger Theater unter eine sucht die Religion zu retten, Jeder die seinige, die er von den ver¬ III. Das Leipziger Theater. Es ist jetzt über ein Jahr her, daß das Leipziger Theater unter eine <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0095" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271356"/> <p xml:id="ID_222" prev="#ID_221"> sucht die Religion zu retten, Jeder die seinige, die er von den ver¬<lb/> schiedensten Seiten bedroht sieht. Keiner weiß so recht, wo eigentlich<lb/> sein Feind steht, welchen Gegner er am meisten zu fürchten und zu<lb/> bekämpfen hat. Die Parteien werfen einander dieselben Beschuldigungen<lb/> wechselseitig zu: jede schilt die andere, daß sie Partei sei, daß sie for¬<lb/> schen wolle, daß sie mit der Masse imponiren wolle, daß sie schlechte<lb/> Mittel gebrauche u. s. w. Und dessen, was jede der andern vorwirft,<lb/> macht sie sich wirklich in demselben Augenblicke selber schuldig. Ihr<lb/> seid lieblos, schallt es von dieser Seite; nein, ihr! schallt es von jener.<lb/> Ihr eifert mit Unverstand, rufen diese. Das thut ihr, entgegnen die<lb/> Andern. Gegenseitig klagt man sich des Mangels an Aufrichtigkeit,<lb/> der Heuchelei an. Anfangs hatte der Kampf etwas Plebejisches, nun<lb/> hat er eine aristokratische Färbung erhalten. Würdenträger und nam¬<lb/> hafte Leute schwingen die Schwerter. Bischöfe, Universitätslehrer, städ¬<lb/> tische Kollegien sind in's Feld gerückt. Ich werde ihnen die Stellung<lb/> der Armeen, die Streitkräfte, die bisherigen Bewegungen in einigen<lb/> folgenden Briefen zu schildern suchen.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> III.<lb/> Das Leipziger Theater.</head><lb/> <p xml:id="ID_223" next="#ID_224"> Es ist jetzt über ein Jahr her, daß das Leipziger Theater unter eine<lb/> neue Direction getreten ist und eine vollständige Umgestaltung erhalten<lb/> hat. Der August spielt in Leipzig eine große Rolle. Die deutsche<lb/> Journalistik beschäftigte sich mit jenem Bühnenregierungswechsel, mit<lb/> jenen Augustereignissen des vorigen Jahres fast eben so eifrig, wie<lb/> mit den diesjährigen, ja die Leipziger Local-Presse war damals noch viel<lb/> geschäftiger und mittheilender, als bei den diesjährigen Vorfällen,<lb/> wahrscheinlich weil man zu jener Zeit nicht die Redacteure und Ver¬<lb/> leger auf das Rathhaus bestellte, um sie vor „Verdächtigungen" zu<lb/> verwarnen. Herr Schmidt, der neue Director, der seinen politi¬<lb/> schen Prinzipien nach der Fortschrittspartei angehört, hat sich nicht<lb/> der Besprechung des Theaters widersetzt!, obgleich sein Unterneh¬<lb/> men in der Schwebe war und etwaige Verdächtigungen seiner<lb/> neuen Verwaltung zu größerem Schaden hätten ausfallen können.<lb/> Der Erfolg der neuen Direction zeigte, daß Herr Dr. Schmidt seine<lb/> Prinzipien nicht zu bereuen Ursache hat; trotz mancher heftigen Jour¬<lb/> nalangriffe, die obendrein nicht immer unbegründet waren, ist das<lb/> erste Jahr der Theaterunternehmug so glücklich ausgefallen, daß der<lb/> Director sicherlich Ursache hat, mit seiner Cassa und seiner Stellung<lb/> zufrieden zu sein. Es ist wahr, die Chancen waren sehr günstig. Die</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0095]
sucht die Religion zu retten, Jeder die seinige, die er von den ver¬
schiedensten Seiten bedroht sieht. Keiner weiß so recht, wo eigentlich
sein Feind steht, welchen Gegner er am meisten zu fürchten und zu
bekämpfen hat. Die Parteien werfen einander dieselben Beschuldigungen
wechselseitig zu: jede schilt die andere, daß sie Partei sei, daß sie for¬
schen wolle, daß sie mit der Masse imponiren wolle, daß sie schlechte
Mittel gebrauche u. s. w. Und dessen, was jede der andern vorwirft,
macht sie sich wirklich in demselben Augenblicke selber schuldig. Ihr
seid lieblos, schallt es von dieser Seite; nein, ihr! schallt es von jener.
Ihr eifert mit Unverstand, rufen diese. Das thut ihr, entgegnen die
Andern. Gegenseitig klagt man sich des Mangels an Aufrichtigkeit,
der Heuchelei an. Anfangs hatte der Kampf etwas Plebejisches, nun
hat er eine aristokratische Färbung erhalten. Würdenträger und nam¬
hafte Leute schwingen die Schwerter. Bischöfe, Universitätslehrer, städ¬
tische Kollegien sind in's Feld gerückt. Ich werde ihnen die Stellung
der Armeen, die Streitkräfte, die bisherigen Bewegungen in einigen
folgenden Briefen zu schildern suchen.
III.
Das Leipziger Theater.
Es ist jetzt über ein Jahr her, daß das Leipziger Theater unter eine
neue Direction getreten ist und eine vollständige Umgestaltung erhalten
hat. Der August spielt in Leipzig eine große Rolle. Die deutsche
Journalistik beschäftigte sich mit jenem Bühnenregierungswechsel, mit
jenen Augustereignissen des vorigen Jahres fast eben so eifrig, wie
mit den diesjährigen, ja die Leipziger Local-Presse war damals noch viel
geschäftiger und mittheilender, als bei den diesjährigen Vorfällen,
wahrscheinlich weil man zu jener Zeit nicht die Redacteure und Ver¬
leger auf das Rathhaus bestellte, um sie vor „Verdächtigungen" zu
verwarnen. Herr Schmidt, der neue Director, der seinen politi¬
schen Prinzipien nach der Fortschrittspartei angehört, hat sich nicht
der Besprechung des Theaters widersetzt!, obgleich sein Unterneh¬
men in der Schwebe war und etwaige Verdächtigungen seiner
neuen Verwaltung zu größerem Schaden hätten ausfallen können.
Der Erfolg der neuen Direction zeigte, daß Herr Dr. Schmidt seine
Prinzipien nicht zu bereuen Ursache hat; trotz mancher heftigen Jour¬
nalangriffe, die obendrein nicht immer unbegründet waren, ist das
erste Jahr der Theaterunternehmug so glücklich ausgefallen, daß der
Director sicherlich Ursache hat, mit seiner Cassa und seiner Stellung
zufrieden zu sein. Es ist wahr, die Chancen waren sehr günstig. Die
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