Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.woge eS einmal, den Wetteifer des Vertrags zu wecken, nicht lange Dies die Schattenseite unsrer Lehranstalten. Ihre Vertheidiger ') An einer Verwandlung und Verbesserung der gegenwärtigen Studien¬
zustände, wird bereits seit zwei Jahren gearbeitet. Von den verschiedenen Ly- cencn und Universitäten der Monarchie sind Professoren zu einer Ausarbeitung des neuen Studienplans nach Wien berufen. Wie dieser ausfallen wird, davon verlautet allerdings noch wenig. Das Institut der Privatdocenten scheint je¬ doch allen Anzeichen nach adoptirt, wenigstens sind in letzterer Zeit zu mehren Fächern der positiven Wissenschaften Privatdocenten zuqclasft" worden. In Wien liest Dr. Würth über Rechtsgeschichte, der Bezirksarzt or. Beer über gerichtliche Medizin für Juristen, Alecl. Dr. Hcbra über Hautkrankheiten (S00 Z A. d. R. uhörer!) or. Seligmann Geschichte der Medicin u. s. w. woge eS einmal, den Wetteifer des Vertrags zu wecken, nicht lange Dies die Schattenseite unsrer Lehranstalten. Ihre Vertheidiger ') An einer Verwandlung und Verbesserung der gegenwärtigen Studien¬
zustände, wird bereits seit zwei Jahren gearbeitet. Von den verschiedenen Ly- cencn und Universitäten der Monarchie sind Professoren zu einer Ausarbeitung des neuen Studienplans nach Wien berufen. Wie dieser ausfallen wird, davon verlautet allerdings noch wenig. Das Institut der Privatdocenten scheint je¬ doch allen Anzeichen nach adoptirt, wenigstens sind in letzterer Zeit zu mehren Fächern der positiven Wissenschaften Privatdocenten zuqclasft» worden. In Wien liest Dr. Würth über Rechtsgeschichte, der Bezirksarzt or. Beer über gerichtliche Medizin für Juristen, Alecl. Dr. Hcbra über Hautkrankheiten (S00 Z A. d. R. uhörer!) or. Seligmann Geschichte der Medicin u. s. w. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0063" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271324"/> <p xml:id="ID_142" prev="#ID_141"> woge eS einmal, den Wetteifer des Vertrags zu wecken, nicht lange<lb/> wird eS anstehen, daß sich unter den Jünglingen sowohl als in den<lb/> Wissenschaften selbst ein lebendigeres Streben regt, freilich die Haupt-<lb/> bedingung alles Fortschrittes nicht zu vergessen, Freiheit des Ver¬<lb/> trags! Nur diese vermag aus jener Kampfschule der Privatdocenten<lb/> auf den außerösterreichischen deutschen Universitäten die herrlichen Män¬<lb/> ner zu bilden, welche der Wissenschaft zum Ruhme, den Schülern<lb/> aber zum Zunder einer Flamme dient, die Zeit ihres Lebens<lb/> nimmer verkohlt. Die Gebundenheit an den Buchstaben der Vor¬<lb/> schrift ist eS eben, die unsere Assistenten und Substituten der juridi¬<lb/> schen Fakultät in Wien zu völlig unbrauchbaren Professoren macht;<lb/> nur Verordnungen und Gesetze wissen sie zu zitiren, darüber dürfen<lb/> sie nicht hinaus, und der Praris, die ihnen diesfalls den Kopf zu¬<lb/> recht gestellt hätte, sind sie immer ferne geblieben. Das Räderwerk<lb/> in diesem lang befahrenen Geleise zu erhalten, bezweckt auch die<lb/> ganze Wirksamkeit der Direktoren und Präfecten. Neues ist natür¬<lb/> lich unbequem; am leichtsten fügte eS sich immerhin, wenn die Be¬<lb/> richte gedruckt, und allenfalls nur die nöthigen Lücken offen wären<lb/> für die Zahl der Schüler!</p><lb/> <p xml:id="ID_143"> Dies die Schattenseite unsrer Lehranstalten. Ihre Vertheidiger<lb/> finden ihre Lichtseite darin, daß die Jugend vor Gift bewahrt bleibe.<lb/> Darin steckt nun freilich die Frage, ob der Baum der Erkenntniß<lb/> wirklich so giftige Früchte trage, und dann wäre eS freilich das Ge-<lb/> scheidteste, man risse ihn mit allen seinen Wurzeln aus dem Herzen der<lb/> Erde. Da aber das Böse nur eine Negation des Guten ist, so<lb/> kann das Wissen nur in seinem Erkennen bestehen, und die Aufgabe<lb/> des Lebens nicht im Verleugnen, sondern im Erforschen der Wahr¬<lb/> heit sein*).</p><lb/> <note xml:id="FID_3" place="foot"> ') An einer Verwandlung und Verbesserung der gegenwärtigen Studien¬<lb/> zustände, wird bereits seit zwei Jahren gearbeitet. Von den verschiedenen Ly-<lb/> cencn und Universitäten der Monarchie sind Professoren zu einer Ausarbeitung<lb/> des neuen Studienplans nach Wien berufen. Wie dieser ausfallen wird, davon<lb/> verlautet allerdings noch wenig. Das Institut der Privatdocenten scheint je¬<lb/> doch allen Anzeichen nach adoptirt, wenigstens sind in letzterer Zeit zu mehren<lb/> Fächern der positiven Wissenschaften Privatdocenten zuqclasft» worden. In<lb/> Wien liest Dr. Würth über Rechtsgeschichte, der Bezirksarzt or. Beer über<lb/> gerichtliche Medizin für Juristen, Alecl. Dr. Hcbra über Hautkrankheiten (S00<lb/> Z<note type="byline"> A. d. R.</note> uhörer!) or. Seligmann Geschichte der Medicin u. s. w. </note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0063]
woge eS einmal, den Wetteifer des Vertrags zu wecken, nicht lange
wird eS anstehen, daß sich unter den Jünglingen sowohl als in den
Wissenschaften selbst ein lebendigeres Streben regt, freilich die Haupt-
bedingung alles Fortschrittes nicht zu vergessen, Freiheit des Ver¬
trags! Nur diese vermag aus jener Kampfschule der Privatdocenten
auf den außerösterreichischen deutschen Universitäten die herrlichen Män¬
ner zu bilden, welche der Wissenschaft zum Ruhme, den Schülern
aber zum Zunder einer Flamme dient, die Zeit ihres Lebens
nimmer verkohlt. Die Gebundenheit an den Buchstaben der Vor¬
schrift ist eS eben, die unsere Assistenten und Substituten der juridi¬
schen Fakultät in Wien zu völlig unbrauchbaren Professoren macht;
nur Verordnungen und Gesetze wissen sie zu zitiren, darüber dürfen
sie nicht hinaus, und der Praris, die ihnen diesfalls den Kopf zu¬
recht gestellt hätte, sind sie immer ferne geblieben. Das Räderwerk
in diesem lang befahrenen Geleise zu erhalten, bezweckt auch die
ganze Wirksamkeit der Direktoren und Präfecten. Neues ist natür¬
lich unbequem; am leichtsten fügte eS sich immerhin, wenn die Be¬
richte gedruckt, und allenfalls nur die nöthigen Lücken offen wären
für die Zahl der Schüler!
Dies die Schattenseite unsrer Lehranstalten. Ihre Vertheidiger
finden ihre Lichtseite darin, daß die Jugend vor Gift bewahrt bleibe.
Darin steckt nun freilich die Frage, ob der Baum der Erkenntniß
wirklich so giftige Früchte trage, und dann wäre eS freilich das Ge-
scheidteste, man risse ihn mit allen seinen Wurzeln aus dem Herzen der
Erde. Da aber das Böse nur eine Negation des Guten ist, so
kann das Wissen nur in seinem Erkennen bestehen, und die Aufgabe
des Lebens nicht im Verleugnen, sondern im Erforschen der Wahr¬
heit sein*).
') An einer Verwandlung und Verbesserung der gegenwärtigen Studien¬
zustände, wird bereits seit zwei Jahren gearbeitet. Von den verschiedenen Ly-
cencn und Universitäten der Monarchie sind Professoren zu einer Ausarbeitung
des neuen Studienplans nach Wien berufen. Wie dieser ausfallen wird, davon
verlautet allerdings noch wenig. Das Institut der Privatdocenten scheint je¬
doch allen Anzeichen nach adoptirt, wenigstens sind in letzterer Zeit zu mehren
Fächern der positiven Wissenschaften Privatdocenten zuqclasft» worden. In
Wien liest Dr. Würth über Rechtsgeschichte, der Bezirksarzt or. Beer über
gerichtliche Medizin für Juristen, Alecl. Dr. Hcbra über Hautkrankheiten (S00
Z A. d. R. uhörer!) or. Seligmann Geschichte der Medicin u. s. w.
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