Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.Kandidaten des Weltpriesterstandes in Seminarien oft desto schlim¬ Man hat die Schuld des schlechten Unterrichts häufig den Leh¬ Kandidaten des Weltpriesterstandes in Seminarien oft desto schlim¬ Man hat die Schuld des schlechten Unterrichts häufig den Leh¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0062" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271323"/> <p xml:id="ID_140" prev="#ID_139"> Kandidaten des Weltpriesterstandes in Seminarien oft desto schlim¬<lb/> mere Früchte. Entweder gehen sie daraus als überspannte Nigori-<lb/> ften und Pedanten der Gesellschaft entfremdet hervor, oder sie versu-<lb/> chen'S, ihre Entbehrungen in materiellem Spiritus und rühriger AN-<lb/> geschäftigkeit zu vergessen; Liebe zum Studium keimt nicht unter dem<lb/> Schwerte des Damokles. Am gründlichsten lassen sich noch die ärzt¬<lb/> lichen Studien an, denen keine Nebenrücksichten im Wege stehen, und<lb/> die wirklich glänzende Resultate liefern.</p><lb/> <p xml:id="ID_141" next="#ID_142"> Man hat die Schuld des schlechten Unterrichts häufig den Leh¬<lb/> rern in die Schuhe geschoben, gewiß aber nur mit halbem Rechte.<lb/> DaS gegenwartge System hat sie erzogen; von ihren Vorfahren,<lb/> welche vorschriftsmäßig die Saiten des Geistes eben so schlaff ließen,<lb/> hat sich der Gedächtnißschlendrian in traditioneller Weise auf sie ver¬<lb/> erbt. Bei Vielen möchte zwar ein gerechter Zweifel obwalten, ob sie<lb/> einer freiern oder tiefern Behandlung ihres Faches Lust und Geschmack<lb/> abgewinnen konnten. Man versuche es aber nur ernstlich, den Willen<lb/> zu zeigen, das Wissen als Forschung und nicht als eine längst ab¬<lb/> geschlossene unverbesserliche Maschine zu betreiben, die nur gut einge¬<lb/> übt werden will, gleich wird es tüchtige junge Leute geben, die den<lb/> hingeworfenen Handschuh aufnehmen, denn nicht an Talenten, an<lb/> deren Verwendung fehlt es. Wie sollten nachgerade die Lehrer der<lb/> Gymnasien ihre Schüler den Adel der Schönheit begreifen lehren,<lb/> wenn ihr eigenes Verständniß kaum bis zum Faltenwurfe reicht, wie<lb/> ihnen Schätze nahe bringen, die ihnen selbst gleich jenem Hort der<lb/> Nibelungen von einem dämonischen Zwerg bewacht scheinen, wie die<lb/> Zunge der Geschichte lösen, die ihre eigene Weisheit so oft zu Schan¬<lb/> den machen würde? Vor Allem bedarf es Lehrer aus dem weltlichen<lb/> Stande, im Gegensatze zu den Geistlichen, die in Alles die Ansichten<lb/> ihres Standes hineintragen, und ihre größte Kunst im Verschweigen<lb/> und Verhüllen suchen; es bedarf Leute, welche den Beruf zum Lehr¬<lb/> amte dadurch bekunden, daß sie der Wissenschaft ihr Leben widmen,<lb/> und sich ihm nicht blos deshalb unterwerfen, weil es ihr<lb/> geistlicher Obere so befiehlt. Dasselbe gilt zum Theile auch<lb/> von den philosophischen Studien. Fast immer steckt, trotz aller Con-<lb/> curse, ein Auftrag der geistlichen Behörden um die aufgeschriebene<lb/> Kanzel zur vermeintlichen Wahrung guter Grundsätze unter der Ju¬<lb/> gend zu werben im Hintergrunde, und gilt «is Empfehlung. Man</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0062]
Kandidaten des Weltpriesterstandes in Seminarien oft desto schlim¬
mere Früchte. Entweder gehen sie daraus als überspannte Nigori-
ften und Pedanten der Gesellschaft entfremdet hervor, oder sie versu-
chen'S, ihre Entbehrungen in materiellem Spiritus und rühriger AN-
geschäftigkeit zu vergessen; Liebe zum Studium keimt nicht unter dem
Schwerte des Damokles. Am gründlichsten lassen sich noch die ärzt¬
lichen Studien an, denen keine Nebenrücksichten im Wege stehen, und
die wirklich glänzende Resultate liefern.
Man hat die Schuld des schlechten Unterrichts häufig den Leh¬
rern in die Schuhe geschoben, gewiß aber nur mit halbem Rechte.
DaS gegenwartge System hat sie erzogen; von ihren Vorfahren,
welche vorschriftsmäßig die Saiten des Geistes eben so schlaff ließen,
hat sich der Gedächtnißschlendrian in traditioneller Weise auf sie ver¬
erbt. Bei Vielen möchte zwar ein gerechter Zweifel obwalten, ob sie
einer freiern oder tiefern Behandlung ihres Faches Lust und Geschmack
abgewinnen konnten. Man versuche es aber nur ernstlich, den Willen
zu zeigen, das Wissen als Forschung und nicht als eine längst ab¬
geschlossene unverbesserliche Maschine zu betreiben, die nur gut einge¬
übt werden will, gleich wird es tüchtige junge Leute geben, die den
hingeworfenen Handschuh aufnehmen, denn nicht an Talenten, an
deren Verwendung fehlt es. Wie sollten nachgerade die Lehrer der
Gymnasien ihre Schüler den Adel der Schönheit begreifen lehren,
wenn ihr eigenes Verständniß kaum bis zum Faltenwurfe reicht, wie
ihnen Schätze nahe bringen, die ihnen selbst gleich jenem Hort der
Nibelungen von einem dämonischen Zwerg bewacht scheinen, wie die
Zunge der Geschichte lösen, die ihre eigene Weisheit so oft zu Schan¬
den machen würde? Vor Allem bedarf es Lehrer aus dem weltlichen
Stande, im Gegensatze zu den Geistlichen, die in Alles die Ansichten
ihres Standes hineintragen, und ihre größte Kunst im Verschweigen
und Verhüllen suchen; es bedarf Leute, welche den Beruf zum Lehr¬
amte dadurch bekunden, daß sie der Wissenschaft ihr Leben widmen,
und sich ihm nicht blos deshalb unterwerfen, weil es ihr
geistlicher Obere so befiehlt. Dasselbe gilt zum Theile auch
von den philosophischen Studien. Fast immer steckt, trotz aller Con-
curse, ein Auftrag der geistlichen Behörden um die aufgeschriebene
Kanzel zur vermeintlichen Wahrung guter Grundsätze unter der Ju¬
gend zu werben im Hintergrunde, und gilt «is Empfehlung. Man
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