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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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l,ni unsern Monopolisten zusehends erstirbt, und ihre Schriften schon
nach dem ersten Jahren stereotyp werden. So heißt es denn am
Ende selbst hier: .j>".'iio in vvrim miigi"tri! Die Literatur betreffend,
beschränken sich die obligaten Stunden auf Uebersetzung und Erklä¬
rung von Bruchstücken lateinischer Autoren; Kanzeln über mittelhoch¬
deutsche Sprache und Dichtung, Kunstgeschichte u. s. w., sind bei
uns unbekannte Größen. Geschichte zu hören, ist Niemand gebun¬
den, mit Ausnahme der österreichischen, die für den juridischen Doctor-
grad gefordert wird, wobei es sich am Rande versteht, daß auch hier
der Weltereignisse manche sind, die weder für wissenswerth noch
belehrend gehalten werden. Als die besten möchten noch die unver¬
fänglichen Kanzeln der Mathematik und Physik gelten. Die Brot¬
studien sind ohnehin mehr an die Scholle des praktischen Lebens ge¬
fesselt, als auf Lustwandlungen in der schrankenlosen Urwelt der For¬
schung angewiesen, aber auch hier wird bei den juridischen das rein
Wissenschaftliche von der Ueberfülle deS Positiven erdrückt. Ich meine
damit nicht nur das natürliche Privat-, Staats- und Völkerrecht,
die sich begreiflicher Weise aus den unschuldigen Zeiten vor der
Sündfluth der Steuern datiren, sondern auch namentlich jene alte
Schule der zwölf Tafeln mit dem ganzen Anhange von Institutionen,
Pandekten, Novellen u. s. w., welche den Juristen über ein Jahr¬
tausend so viel galten, als seit mehreren jene zwei des Berges Si¬
nai den Moralisten. Der gestimmten römischen Rechtsgelehrlheit blieb
als Antiquität nur ein halbes Jahr aufgespart, dafür ist man be¬
müht, gleich in die Erstlingsbegriffe aller Materien jene tausend
und aber tausend Verordnungen einzuweben, die nur durch Praxis
begriffen und behalten werden, und hat sogar für das vielgliedrige
und paragraphenreiche neue Gefällsgesetzbuch eine eigene Kanzel ge¬
schaffen. Nicht mit mehr Zuversicht mögen wir von der ultramonta-
nen Richtung der Theologie erwarten, daß irgend ein Streitpunkt
derselben ernstlich in Frage gestellt werde, die Studien in Wien und
Prag machen jedoch davon ehrenvolle Ausnahmen. Viele Lehran¬
stalten der Klöster finden nicht einmal das Vorgeschriebene zum Heile
dienlich, insbesondere reichen die Kapuziner ihren Klerikern nur des¬
sen Essenz in winzigen Heftchen. Halten diese nun größtentheils
durch die freiwillige Beschränkung ihres Gesichtskreises ihr herbes
geistiges Loos erträglich, so bringt die erzwungene Einkerkerung der


l,ni unsern Monopolisten zusehends erstirbt, und ihre Schriften schon
nach dem ersten Jahren stereotyp werden. So heißt es denn am
Ende selbst hier: .j>".'iio in vvrim miigi«tri! Die Literatur betreffend,
beschränken sich die obligaten Stunden auf Uebersetzung und Erklä¬
rung von Bruchstücken lateinischer Autoren; Kanzeln über mittelhoch¬
deutsche Sprache und Dichtung, Kunstgeschichte u. s. w., sind bei
uns unbekannte Größen. Geschichte zu hören, ist Niemand gebun¬
den, mit Ausnahme der österreichischen, die für den juridischen Doctor-
grad gefordert wird, wobei es sich am Rande versteht, daß auch hier
der Weltereignisse manche sind, die weder für wissenswerth noch
belehrend gehalten werden. Als die besten möchten noch die unver¬
fänglichen Kanzeln der Mathematik und Physik gelten. Die Brot¬
studien sind ohnehin mehr an die Scholle des praktischen Lebens ge¬
fesselt, als auf Lustwandlungen in der schrankenlosen Urwelt der For¬
schung angewiesen, aber auch hier wird bei den juridischen das rein
Wissenschaftliche von der Ueberfülle deS Positiven erdrückt. Ich meine
damit nicht nur das natürliche Privat-, Staats- und Völkerrecht,
die sich begreiflicher Weise aus den unschuldigen Zeiten vor der
Sündfluth der Steuern datiren, sondern auch namentlich jene alte
Schule der zwölf Tafeln mit dem ganzen Anhange von Institutionen,
Pandekten, Novellen u. s. w., welche den Juristen über ein Jahr¬
tausend so viel galten, als seit mehreren jene zwei des Berges Si¬
nai den Moralisten. Der gestimmten römischen Rechtsgelehrlheit blieb
als Antiquität nur ein halbes Jahr aufgespart, dafür ist man be¬
müht, gleich in die Erstlingsbegriffe aller Materien jene tausend
und aber tausend Verordnungen einzuweben, die nur durch Praxis
begriffen und behalten werden, und hat sogar für das vielgliedrige
und paragraphenreiche neue Gefällsgesetzbuch eine eigene Kanzel ge¬
schaffen. Nicht mit mehr Zuversicht mögen wir von der ultramonta-
nen Richtung der Theologie erwarten, daß irgend ein Streitpunkt
derselben ernstlich in Frage gestellt werde, die Studien in Wien und
Prag machen jedoch davon ehrenvolle Ausnahmen. Viele Lehran¬
stalten der Klöster finden nicht einmal das Vorgeschriebene zum Heile
dienlich, insbesondere reichen die Kapuziner ihren Klerikern nur des¬
sen Essenz in winzigen Heftchen. Halten diese nun größtentheils
durch die freiwillige Beschränkung ihres Gesichtskreises ihr herbes
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[0061] l,ni unsern Monopolisten zusehends erstirbt, und ihre Schriften schon nach dem ersten Jahren stereotyp werden. So heißt es denn am Ende selbst hier: .j>".'iio in vvrim miigi«tri! Die Literatur betreffend, beschränken sich die obligaten Stunden auf Uebersetzung und Erklä¬ rung von Bruchstücken lateinischer Autoren; Kanzeln über mittelhoch¬ deutsche Sprache und Dichtung, Kunstgeschichte u. s. w., sind bei uns unbekannte Größen. Geschichte zu hören, ist Niemand gebun¬ den, mit Ausnahme der österreichischen, die für den juridischen Doctor- grad gefordert wird, wobei es sich am Rande versteht, daß auch hier der Weltereignisse manche sind, die weder für wissenswerth noch belehrend gehalten werden. Als die besten möchten noch die unver¬ fänglichen Kanzeln der Mathematik und Physik gelten. Die Brot¬ studien sind ohnehin mehr an die Scholle des praktischen Lebens ge¬ fesselt, als auf Lustwandlungen in der schrankenlosen Urwelt der For¬ schung angewiesen, aber auch hier wird bei den juridischen das rein Wissenschaftliche von der Ueberfülle deS Positiven erdrückt. Ich meine damit nicht nur das natürliche Privat-, Staats- und Völkerrecht, die sich begreiflicher Weise aus den unschuldigen Zeiten vor der Sündfluth der Steuern datiren, sondern auch namentlich jene alte Schule der zwölf Tafeln mit dem ganzen Anhange von Institutionen, Pandekten, Novellen u. s. w., welche den Juristen über ein Jahr¬ tausend so viel galten, als seit mehreren jene zwei des Berges Si¬ nai den Moralisten. Der gestimmten römischen Rechtsgelehrlheit blieb als Antiquität nur ein halbes Jahr aufgespart, dafür ist man be¬ müht, gleich in die Erstlingsbegriffe aller Materien jene tausend und aber tausend Verordnungen einzuweben, die nur durch Praxis begriffen und behalten werden, und hat sogar für das vielgliedrige und paragraphenreiche neue Gefällsgesetzbuch eine eigene Kanzel ge¬ schaffen. Nicht mit mehr Zuversicht mögen wir von der ultramonta- nen Richtung der Theologie erwarten, daß irgend ein Streitpunkt derselben ernstlich in Frage gestellt werde, die Studien in Wien und Prag machen jedoch davon ehrenvolle Ausnahmen. Viele Lehran¬ stalten der Klöster finden nicht einmal das Vorgeschriebene zum Heile dienlich, insbesondere reichen die Kapuziner ihren Klerikern nur des¬ sen Essenz in winzigen Heftchen. Halten diese nun größtentheils durch die freiwillige Beschränkung ihres Gesichtskreises ihr herbes geistiges Loos erträglich, so bringt die erzwungene Einkerkerung der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/61>, abgerufen am 10.02.2025.