Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.man so nennt. Aber es ist eine interessirende Eharakterzeichnung Bis auf die neueste Zeit und selbst noch zum Theil in der Ge¬ man so nennt. Aber es ist eine interessirende Eharakterzeichnung Bis auf die neueste Zeit und selbst noch zum Theil in der Ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0548" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271809"/> <p xml:id="ID_1456" prev="#ID_1455"> man so nennt. Aber es ist eine interessirende Eharakterzeichnung<lb/> mit viel geistreichem Beiwerk; ich erblicke darin ein Erzeugniß der<lb/> Vorarbeiten zu Thomas Thymau, wenigstens sicherlich einen Zusam¬<lb/> menhang mit jenem Roman. Immerhin muß es aber dem Publi-<lb/> cum, wenn nichts mehr, doch literarisch interessant sein, eine Roman¬<lb/> schriftstellerin bedeutenden Rufes sich auch in andern Gestaltungen<lb/> der Produktion versuchen zu sehen. — Die übrigen beiden Beiträge<lb/> der Perlen sind zwei Novellen von Robert Heller. Während „Unter<lb/> Bauern" einen recht glücklichen Versuch einer Dorfgeschichte auf säch¬<lb/> sischem Boden darbietet, tritt der Verfasser in der Novelle „Drei<lb/> Werber — ein Herz" auf einem Terrain mit entschiedener Kraft<lb/> und Gewandtheit auf, welches man ihn bisher wieder vorzugsweise,<lb/> ja beinahe ausschließlich zum Elemente seiner Schilderungen wählen<lb/> sah. Ich meine das Terrain der rein psychologischen Entwickelung.<lb/> Es ist eine sehr schwierige Frage, deren Beantwortung Heller sich<lb/> zur Aufgabe seiner vorliegenden Novelle machte, nämlich jene Frage,<lb/> ob ein Mann, der in seiner frischesten Jugend niemals die höhere<lb/> und feinere Liebe kennen lernte, spater noch Fähigkeit zu einer solchen<lb/> in sich trage, und — wenn auch in ihm wirklich deren Wesen em¬<lb/> porkeimt — ob er einer Offenbarung derselben mächtig, die ihm das<lb/> Herz des geliebten Weibes erobert. Dieser Gedanke klingt nun in<lb/> seiner nackten Hinstellung durchaus nicht wie das Thema einer auch<lb/> äußerlich interessanten und selbst für einen oberflächlichen Leser durch¬<lb/> weg spannenden Novelle. Man möchte leicht glauben, die Didaktik<lb/> müsse sich darin zu breit entfalten. Allein eben darin liegt der Vor¬<lb/> zug jener Erzählung, daß sie die Wendungen des äußeren Lebens<lb/> der auftretenden Personen nicht einen Augenblick um der psychologi¬<lb/> schen Entwickelungen willen zurückdrängt, sondern diese fort und fort<lb/> in lebendige Gruppen zusammenzuordnen weiß, deren verschiedene<lb/> Auflösungen und Vereinigung endlich zu einem ästhetisch schönen und<lb/> psychologisch wahren Abschluß gedeihen. — Die Perlen geben fünf<lb/> Stahlstiche, unter denen das Bildniß der Verfasserin von Godwie-<lb/> Castle vorzugsweise und nächstoem „das Märchenbuch" hervorzu¬<lb/> heben sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_1457" next="#ID_1458"> Bis auf die neueste Zeit und selbst noch zum Theil in der Ge¬<lb/> genwart blieb die österreichische Literatur dem nichtösterreichischen Deutsch¬<lb/> land ferner gerückt, als es dem gegenseitigen Vortheil beider und</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0548]
man so nennt. Aber es ist eine interessirende Eharakterzeichnung
mit viel geistreichem Beiwerk; ich erblicke darin ein Erzeugniß der
Vorarbeiten zu Thomas Thymau, wenigstens sicherlich einen Zusam¬
menhang mit jenem Roman. Immerhin muß es aber dem Publi-
cum, wenn nichts mehr, doch literarisch interessant sein, eine Roman¬
schriftstellerin bedeutenden Rufes sich auch in andern Gestaltungen
der Produktion versuchen zu sehen. — Die übrigen beiden Beiträge
der Perlen sind zwei Novellen von Robert Heller. Während „Unter
Bauern" einen recht glücklichen Versuch einer Dorfgeschichte auf säch¬
sischem Boden darbietet, tritt der Verfasser in der Novelle „Drei
Werber — ein Herz" auf einem Terrain mit entschiedener Kraft
und Gewandtheit auf, welches man ihn bisher wieder vorzugsweise,
ja beinahe ausschließlich zum Elemente seiner Schilderungen wählen
sah. Ich meine das Terrain der rein psychologischen Entwickelung.
Es ist eine sehr schwierige Frage, deren Beantwortung Heller sich
zur Aufgabe seiner vorliegenden Novelle machte, nämlich jene Frage,
ob ein Mann, der in seiner frischesten Jugend niemals die höhere
und feinere Liebe kennen lernte, spater noch Fähigkeit zu einer solchen
in sich trage, und — wenn auch in ihm wirklich deren Wesen em¬
porkeimt — ob er einer Offenbarung derselben mächtig, die ihm das
Herz des geliebten Weibes erobert. Dieser Gedanke klingt nun in
seiner nackten Hinstellung durchaus nicht wie das Thema einer auch
äußerlich interessanten und selbst für einen oberflächlichen Leser durch¬
weg spannenden Novelle. Man möchte leicht glauben, die Didaktik
müsse sich darin zu breit entfalten. Allein eben darin liegt der Vor¬
zug jener Erzählung, daß sie die Wendungen des äußeren Lebens
der auftretenden Personen nicht einen Augenblick um der psychologi¬
schen Entwickelungen willen zurückdrängt, sondern diese fort und fort
in lebendige Gruppen zusammenzuordnen weiß, deren verschiedene
Auflösungen und Vereinigung endlich zu einem ästhetisch schönen und
psychologisch wahren Abschluß gedeihen. — Die Perlen geben fünf
Stahlstiche, unter denen das Bildniß der Verfasserin von Godwie-
Castle vorzugsweise und nächstoem „das Märchenbuch" hervorzu¬
heben sind.
Bis auf die neueste Zeit und selbst noch zum Theil in der Ge¬
genwart blieb die österreichische Literatur dem nichtösterreichischen Deutsch¬
land ferner gerückt, als es dem gegenseitigen Vortheil beider und
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