Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.chen Vetter an die gemeinsame Abstammung erinnern will. Wie Ich hätte nicht gedacht, daß man in London seinen Mann so chen Vetter an die gemeinsame Abstammung erinnern will. Wie Ich hätte nicht gedacht, daß man in London seinen Mann so <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0544" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271805"/> <p xml:id="ID_1450" prev="#ID_1449"> chen Vetter an die gemeinsame Abstammung erinnern will. Wie<lb/> könnt' es auch anders sein, und wer wollte darüber moralisiren?<lb/> Käme einmal ein deutscherDe Ruyter die Themse heraufgefahren, ja dann<lb/> — aber so muß man es schon mit Dank annehmen, wenn unsere<lb/> Landsleute in London, nach dem Vortritte aller europäischen sou-<lb/> veraine, worunter auch unser Freund Nikolaus, das hier gegründete<lb/> deutsche Spital unterstützen. — Und ich fürchte, die Londoner Deut¬<lb/> sche Zeitung wird auch einmal ins Spiltel wandern müssen, wie<lb/> manche Unternehmung der Art. Das beste Blatt, im Auslande ge¬<lb/> druckt, kann unter den jetzigen Verhältnissen nicht mehr sein, als ein<lb/> trostloser Monolog der paar Flüchtlinge, die sich meist bei solchen<lb/> Journalen betheiligen und die auch nach wenigen Jahren das Ver¬<lb/> ständniß unserer «erkünstelten deutschen Zustände zu verlieren pflegen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1451" next="#ID_1452"> Ich hätte nicht gedacht, daß man in London seinen Mann so<lb/> schnell erfragen kann. Mit Hilfe eines Directory oder Adreßkalen-<lb/> ders, so dick wie ein Band des Brockhausischen ConversationSlerikons,<lb/> erfuhr ich die Adresse einer Familie, die mit dem Freunde, den ich<lb/> suchte, verwandt war und wo ich nähere Auskunft hoffen konnte.<lb/> Eine Karte von London orientirte mich über den kürzesten Weg von<lb/> Leicestersquare bis dahin. Nach einer Stunde war ich an Ort und<lb/> Stelle und erfuhr, daß die Gesuchten verreist waren und nicht vor<lb/> einer Woche zurück erwartet wurden. Da stand ich denn rathlos<lb/> lind ging eine Weile auf dem einsamen Trottoir auf und ab; in<lb/> den Squares pflegt nämlich eine Ruhe zu herrschen, wie in dem<lb/> Hofe eines ländlichen Schlosses. Wirklich sieht es so aus. Die<lb/> drei Häuserreihen des Square, mit gleicher Eleganz und vollständig<lb/> in einander gebaut, scheinen nur Einen Palast zu bilden, in der<lb/> Mitte ist ein viereckiger, eingegitterter Garten; darin spielen die Kin¬<lb/> der und die Alten in vollkommener Sonntagsstille, nur aus der<lb/> Ferne hört man das Gebrause des Verkehrs. Ich ging also auf<lb/> und nieder, unentschlossen, ob ich bleiben oder zurückreisen sollte; der<lb/> Kohlendunst, der den Himmel trübte und in dicken Wolken über<lb/> Dächern und Baumwipfeln lag, verstimmte mich, und ich fürchtete,<lb/> auch bei längerem Aufenthalte werde mir London eine verschlossene<lb/> Welt bleiben, da ich keinen Bekannten hatte unter den zwei Millio¬<lb/> nen Seelen, welche die Weltstadt füllen. In diesem Augenblicke fragt<lb/> mich ein bebrillter junger Mann: Vous ödes 4lIen>!in<Z, Monsieur?</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0544]
chen Vetter an die gemeinsame Abstammung erinnern will. Wie
könnt' es auch anders sein, und wer wollte darüber moralisiren?
Käme einmal ein deutscherDe Ruyter die Themse heraufgefahren, ja dann
— aber so muß man es schon mit Dank annehmen, wenn unsere
Landsleute in London, nach dem Vortritte aller europäischen sou-
veraine, worunter auch unser Freund Nikolaus, das hier gegründete
deutsche Spital unterstützen. — Und ich fürchte, die Londoner Deut¬
sche Zeitung wird auch einmal ins Spiltel wandern müssen, wie
manche Unternehmung der Art. Das beste Blatt, im Auslande ge¬
druckt, kann unter den jetzigen Verhältnissen nicht mehr sein, als ein
trostloser Monolog der paar Flüchtlinge, die sich meist bei solchen
Journalen betheiligen und die auch nach wenigen Jahren das Ver¬
ständniß unserer «erkünstelten deutschen Zustände zu verlieren pflegen.
Ich hätte nicht gedacht, daß man in London seinen Mann so
schnell erfragen kann. Mit Hilfe eines Directory oder Adreßkalen-
ders, so dick wie ein Band des Brockhausischen ConversationSlerikons,
erfuhr ich die Adresse einer Familie, die mit dem Freunde, den ich
suchte, verwandt war und wo ich nähere Auskunft hoffen konnte.
Eine Karte von London orientirte mich über den kürzesten Weg von
Leicestersquare bis dahin. Nach einer Stunde war ich an Ort und
Stelle und erfuhr, daß die Gesuchten verreist waren und nicht vor
einer Woche zurück erwartet wurden. Da stand ich denn rathlos
lind ging eine Weile auf dem einsamen Trottoir auf und ab; in
den Squares pflegt nämlich eine Ruhe zu herrschen, wie in dem
Hofe eines ländlichen Schlosses. Wirklich sieht es so aus. Die
drei Häuserreihen des Square, mit gleicher Eleganz und vollständig
in einander gebaut, scheinen nur Einen Palast zu bilden, in der
Mitte ist ein viereckiger, eingegitterter Garten; darin spielen die Kin¬
der und die Alten in vollkommener Sonntagsstille, nur aus der
Ferne hört man das Gebrause des Verkehrs. Ich ging also auf
und nieder, unentschlossen, ob ich bleiben oder zurückreisen sollte; der
Kohlendunst, der den Himmel trübte und in dicken Wolken über
Dächern und Baumwipfeln lag, verstimmte mich, und ich fürchtete,
auch bei längerem Aufenthalte werde mir London eine verschlossene
Welt bleiben, da ich keinen Bekannten hatte unter den zwei Millio¬
nen Seelen, welche die Weltstadt füllen. In diesem Augenblicke fragt
mich ein bebrillter junger Mann: Vous ödes 4lIen>!in<Z, Monsieur?
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