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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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i.
A As B r i, f s e l.

Die Ausbreitung der Deutschen über die Erde. -- Deutsche Officiere, Diplo¬
maten und Handwerrsburschen im Auslande. -- Deutsche Schriftsteller in
Brüssel. -- Venedey und sein Buch über England. -- Francis Grund, der
publicistische Scatsfleld. -- Correspondenzburcau.

Den Franzosen gehört die Erde, den Engländern das Meer und
den Deutschen die Luft, sagt ein alter Schriftsteller. Mein das ist
baare Verleumdung. Erde, Meer und Lust, die ganze Welt gehört
den Deutschen Während man zu Hause immer neue Colonisations-
plane heckt, fragt man im Auslande: Mein Gott, wo kommen nur
die vielen Deutschen her? Gibt es denn noch welche in Deutschland
selber? Alle Erdwinkel wimmeln ja von ihnen. Mitten in den
Weltstädten gibt es deutsche Städte von sechszig bis achtzigtausend
Seelen, aber nicht nur in Paris und London, wo Fremde aller Na¬
tionen leben, haben sie ihre Eolonien, sondern eben so reich sind ver¬
hältnißmäßig Rom und Petersburg, Amsterdam und Venedig, Lyon
und Manchester, Krakau und Odessa :c. :c. mit Absenkern deutschen
Stammes gesegnet; gar nicht von der andern Halbkugel zu sprechen,
wo sie einen der republikanischen Vcreinsstaaten ganz füllen und wo
die Schwaben vor dem vierzigsten Jahre gescheidt werden sollen.
Ein Blick auf die Lage und das Treiben der Deutschen im europäi¬
schen Auslande, führt jedoch zu einem andern Schlüsse. Es ist wahr,
was Stricker von ihrer Ausbreitung über die Erde sagt, aber darum
gehört die Welt nicht ihnen, sondern sie gehören der Welt. Ueberall
dienen sie als Fußschemel und Dreschflegel, als Lad- und Prügelstöcke,
als gute Werkzeuge in Krieg und Frieden, und wenn sie auch in
manchen Fällen "das Salz der Welt" sind, wie die nationale Selbst¬
liebe predigt, so lassen sie sich eben mit Wollust von der fremden
Masse aufsaugen. Und wie verschieden ist ihr persönliches Schicksal!


Grcuzlivten, 184s. IV. 64
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i.
A As B r i, f s e l.

Die Ausbreitung der Deutschen über die Erde. — Deutsche Officiere, Diplo¬
maten und Handwerrsburschen im Auslande. — Deutsche Schriftsteller in
Brüssel. — Venedey und sein Buch über England. — Francis Grund, der
publicistische Scatsfleld. — Correspondenzburcau.

Den Franzosen gehört die Erde, den Engländern das Meer und
den Deutschen die Luft, sagt ein alter Schriftsteller. Mein das ist
baare Verleumdung. Erde, Meer und Lust, die ganze Welt gehört
den Deutschen Während man zu Hause immer neue Colonisations-
plane heckt, fragt man im Auslande: Mein Gott, wo kommen nur
die vielen Deutschen her? Gibt es denn noch welche in Deutschland
selber? Alle Erdwinkel wimmeln ja von ihnen. Mitten in den
Weltstädten gibt es deutsche Städte von sechszig bis achtzigtausend
Seelen, aber nicht nur in Paris und London, wo Fremde aller Na¬
tionen leben, haben sie ihre Eolonien, sondern eben so reich sind ver¬
hältnißmäßig Rom und Petersburg, Amsterdam und Venedig, Lyon
und Manchester, Krakau und Odessa :c. :c. mit Absenkern deutschen
Stammes gesegnet; gar nicht von der andern Halbkugel zu sprechen,
wo sie einen der republikanischen Vcreinsstaaten ganz füllen und wo
die Schwaben vor dem vierzigsten Jahre gescheidt werden sollen.
Ein Blick auf die Lage und das Treiben der Deutschen im europäi¬
schen Auslande, führt jedoch zu einem andern Schlüsse. Es ist wahr,
was Stricker von ihrer Ausbreitung über die Erde sagt, aber darum
gehört die Welt nicht ihnen, sondern sie gehören der Welt. Ueberall
dienen sie als Fußschemel und Dreschflegel, als Lad- und Prügelstöcke,
als gute Werkzeuge in Krieg und Frieden, und wenn sie auch in
manchen Fällen „das Salz der Welt" sind, wie die nationale Selbst¬
liebe predigt, so lassen sie sich eben mit Wollust von der fremden
Masse aufsaugen. Und wie verschieden ist ihr persönliches Schicksal!


Grcuzlivten, 184s. IV. 64
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[0505] T a g e b u et). i. A As B r i, f s e l. Die Ausbreitung der Deutschen über die Erde. — Deutsche Officiere, Diplo¬ maten und Handwerrsburschen im Auslande. — Deutsche Schriftsteller in Brüssel. — Venedey und sein Buch über England. — Francis Grund, der publicistische Scatsfleld. — Correspondenzburcau. Den Franzosen gehört die Erde, den Engländern das Meer und den Deutschen die Luft, sagt ein alter Schriftsteller. Mein das ist baare Verleumdung. Erde, Meer und Lust, die ganze Welt gehört den Deutschen Während man zu Hause immer neue Colonisations- plane heckt, fragt man im Auslande: Mein Gott, wo kommen nur die vielen Deutschen her? Gibt es denn noch welche in Deutschland selber? Alle Erdwinkel wimmeln ja von ihnen. Mitten in den Weltstädten gibt es deutsche Städte von sechszig bis achtzigtausend Seelen, aber nicht nur in Paris und London, wo Fremde aller Na¬ tionen leben, haben sie ihre Eolonien, sondern eben so reich sind ver¬ hältnißmäßig Rom und Petersburg, Amsterdam und Venedig, Lyon und Manchester, Krakau und Odessa :c. :c. mit Absenkern deutschen Stammes gesegnet; gar nicht von der andern Halbkugel zu sprechen, wo sie einen der republikanischen Vcreinsstaaten ganz füllen und wo die Schwaben vor dem vierzigsten Jahre gescheidt werden sollen. Ein Blick auf die Lage und das Treiben der Deutschen im europäi¬ schen Auslande, führt jedoch zu einem andern Schlüsse. Es ist wahr, was Stricker von ihrer Ausbreitung über die Erde sagt, aber darum gehört die Welt nicht ihnen, sondern sie gehören der Welt. Ueberall dienen sie als Fußschemel und Dreschflegel, als Lad- und Prügelstöcke, als gute Werkzeuge in Krieg und Frieden, und wenn sie auch in manchen Fällen „das Salz der Welt" sind, wie die nationale Selbst¬ liebe predigt, so lassen sie sich eben mit Wollust von der fremden Masse aufsaugen. Und wie verschieden ist ihr persönliches Schicksal! Grcuzlivten, 184s. IV. 64

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/505>, abgerufen am 05.02.2025.