Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.Orden liebenswürdiger Weiblichkeit. "Seht nur, wie wir zusammen¬ Orden liebenswürdiger Weiblichkeit. „Seht nur, wie wir zusammen¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0503" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271764"/> <p xml:id="ID_1364" prev="#ID_1363" next="#ID_1365"> Orden liebenswürdiger Weiblichkeit. „Seht nur, wie wir zusammen¬<lb/> lebe«" ^_ sagt dabei unter Andern» das Vermächtniß. „Daß wir<lb/> auf diese Weise g u t bleiben können, ist auf die Länge der Zeit ganz<lb/> unmöglich; darum: Stolz und Demuth. Stolz gegen uns selbst,<lb/> indem wir anfangen, wahr zu sein." Und weiter fährt eS fort:<lb/> „Laßt uns, meine Schwestern, an einem neuen Bau der Gesellschaft<lb/> bauen, so viel an uns ist; laßt uns dafür sorgen, daß wir wieder<lb/> anständig unter Dach und Fach kommen, denn jetzt stehen wir gleich¬<lb/> sam auf freiem Felde. Seid stolz und demüthig. Stolz, indem ihr<lb/> euch zu hoch achtet, um vor jedem Mückenstich zurückzubeben; de¬<lb/> müthig, indem ihr liebend und ehrend anerkennt, was Schönes und<lb/> Gutes selbst oft in der verwahrloststen Menschenseele wohnt." Es<lb/> ist viel Wahrheit, viel bitterer Ernst hinter diesen halb scherzend hin¬<lb/> geschriebenen Worten verborgen, es ist das Resultat herbster Ueber¬<lb/> zeugungen, welches sich darin kundgiebt. Wahrlich, man kann dies<lb/> Capriccio keinen Spaß und keine Farce nennen, es ist der Ausbruch<lb/> des echten Humors, der alle Schmerzen kennt und fühlt; es ist die<lb/> „lächelnde Thräne" über die eigene Schuld der Frauen an der Ver¬<lb/> worrenheit unserer weiblichen Zustände. „Ohne Diener kein'Herr¬<lb/> scher. In unserem rohen, tölpelhaften GesellschaftsegoismuS ist keine,<lb/> auch nicht die leiseste Andeutung der socialen Demuth. Himmel,<lb/> wie kämen sie auch dahin? Wer „lernt" heute den „Umgang"?<lb/> Jeder glaubt sich zu einem Gesellschafter „geboren". Jeder, indem<lb/> er alle seine Thorheiten und Untugenden nach außen kehrt, glaubt<lb/> die Toilette der Liebenswürdigkeit gemacht zu haben. Ihr habt ein<lb/> schweres Stück Arbeit, Freimaurerinnen. Aber nur frisch an's Werk.<lb/> DaS neunzehnte Jahrhundert muß auch endlich seine Gesellschaft ha¬<lb/> ben. Bis jetzt hat eS nur einen Haufen pöbelhafter und roher gro-<lb/> ßer Kinder." Damit und mit dem Gebote an die Isis: „lehre deine<lb/> Töchter das Geheimniß zu gefallen, schließt das Vermächtniß<lb/> und die Novelle. — Wenden wir denn auch damit den Blick von<lb/> dieser originellen Schöpfung Sternberg's zu den übrigen Beiträgen,<lb/> so begegnen wir hier zunächst Willibald Aleris' Namen wieder an<lb/> der Spitze von „Blätter aus meinen Erinnerungen", deren bereits<lb/> die vorigen Jahrgänge brachten. Die diesjährigen schildern das Le¬<lb/> ben des Verfassers als freiwilliger Jäger in den Ardennen. Leicht<lb/> frei und liebenswürdig wie immer stellt er ein Stück jenes wildbe-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0503]
Orden liebenswürdiger Weiblichkeit. „Seht nur, wie wir zusammen¬
lebe«" ^_ sagt dabei unter Andern» das Vermächtniß. „Daß wir
auf diese Weise g u t bleiben können, ist auf die Länge der Zeit ganz
unmöglich; darum: Stolz und Demuth. Stolz gegen uns selbst,
indem wir anfangen, wahr zu sein." Und weiter fährt eS fort:
„Laßt uns, meine Schwestern, an einem neuen Bau der Gesellschaft
bauen, so viel an uns ist; laßt uns dafür sorgen, daß wir wieder
anständig unter Dach und Fach kommen, denn jetzt stehen wir gleich¬
sam auf freiem Felde. Seid stolz und demüthig. Stolz, indem ihr
euch zu hoch achtet, um vor jedem Mückenstich zurückzubeben; de¬
müthig, indem ihr liebend und ehrend anerkennt, was Schönes und
Gutes selbst oft in der verwahrloststen Menschenseele wohnt." Es
ist viel Wahrheit, viel bitterer Ernst hinter diesen halb scherzend hin¬
geschriebenen Worten verborgen, es ist das Resultat herbster Ueber¬
zeugungen, welches sich darin kundgiebt. Wahrlich, man kann dies
Capriccio keinen Spaß und keine Farce nennen, es ist der Ausbruch
des echten Humors, der alle Schmerzen kennt und fühlt; es ist die
„lächelnde Thräne" über die eigene Schuld der Frauen an der Ver¬
worrenheit unserer weiblichen Zustände. „Ohne Diener kein'Herr¬
scher. In unserem rohen, tölpelhaften GesellschaftsegoismuS ist keine,
auch nicht die leiseste Andeutung der socialen Demuth. Himmel,
wie kämen sie auch dahin? Wer „lernt" heute den „Umgang"?
Jeder glaubt sich zu einem Gesellschafter „geboren". Jeder, indem
er alle seine Thorheiten und Untugenden nach außen kehrt, glaubt
die Toilette der Liebenswürdigkeit gemacht zu haben. Ihr habt ein
schweres Stück Arbeit, Freimaurerinnen. Aber nur frisch an's Werk.
DaS neunzehnte Jahrhundert muß auch endlich seine Gesellschaft ha¬
ben. Bis jetzt hat eS nur einen Haufen pöbelhafter und roher gro-
ßer Kinder." Damit und mit dem Gebote an die Isis: „lehre deine
Töchter das Geheimniß zu gefallen, schließt das Vermächtniß
und die Novelle. — Wenden wir denn auch damit den Blick von
dieser originellen Schöpfung Sternberg's zu den übrigen Beiträgen,
so begegnen wir hier zunächst Willibald Aleris' Namen wieder an
der Spitze von „Blätter aus meinen Erinnerungen", deren bereits
die vorigen Jahrgänge brachten. Die diesjährigen schildern das Le¬
ben des Verfassers als freiwilliger Jäger in den Ardennen. Leicht
frei und liebenswürdig wie immer stellt er ein Stück jenes wildbe-
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