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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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eine Verschmelzung der slavischen Kronländer mit Ungarn selbst in
keiner Art zu denken sei, ihnen alle unter den bevorstehenden
Verhältnissen mögliche Selbständigkeit zu gewahren. Die Entlassung
des Grafen Haller, der eine Reise nach Deutschland antreten wird,
war der erste Schritt der Negierung auf der neuen Bahn. Der da¬
durch erledigte Posten eines Barus von Croatien dürfte nicht sobald
wieder besetzt werden, weil, wie ich schon schrieb, es an tüchtigen
Persönlichkeiten für diese heikle Stellung fehlt; man hat eS daher für
besser befunden, die Machtfülle dieser Würde zu theilen und dem Bi¬
schof von Agram, Haulik, die Civiladministration, dem Generalmajor
Graf Giulay aber das Militaircommando zu übertragen. Der Erstere
ist mit Leib und Seele der nationalen Partei ergeben und wird wo
nur immer möglich, die Entwicklung der von dieser Partei angestrebt
ten slavischen Volkstümlichkeit zu fördern suchen, indeß Gras Giulay,
seiner Abstammung gemäß, mit den Magyaren sympathisirt, doch in
einem Sinn, welcher der lediglich dem militärischen Gehorsam zufal¬
lenden Stellung des Generals, dessen Eardinaltugend Leidenschaftslo¬
sigkeit sein muß, keinen Abbruch thun wird. -- Die durch die ver¬
änderte Richtung der Negicrungspolitik und die Ausscheidung der
Turopolyer Edelleute, welche bislang den Ton angegeben, ermuthigte
Nalionalitätspartei hat die ihr vorschwebende Aufgabe sogleich begrif¬
fen und eine Reihe von Beschlüssen gefaßt, die, wenn sie die könig¬
liche Sanction erhalten, was noch zweifelhaft ist, die ganze Lage Un¬
garns zu seinen Kronländern verändern und die Basis einer slavischen
Entwicklung unmittelbar an den Thoren des morschgewordenen Os-
mancnreiches werden muß. Der in Agram versammelte croatische
Landtag hat unter dem Vorsitz des Bischofs Haulik beschlossen, daß
die Landtage künftighin jährlich abgehalten und der Versammlungen
zwischen Croatien und Slavonien wechseln solle, das sich in der be¬
drängten Lage und gegen die gemeinschaftliche Gefahr fest an Croa¬
tien anschließen müsse, um den Jumuthungen der Magyaren mit Er¬
folg die Stirne bieten zu können. Auch wurde die Heranziehung
Dalmatiens und der Militairgrenze, welche zusammen gleichfalls eine
Bevölkerung von 1-1 Million Menschen besitzen, die vorzugsweise sla¬
vischer Abstammung ist, in Anregung gebracht, um sich numerisch zu
verstärken, und zugleich die Bitte um eine besondere Statthalterschaft
gestellt, wie sie das Land schon früher besessen, und die bis zum Jahre
1779 in Agram ihren Sitz hatte. Man sieht aus diesen parlamen¬
tarischen Resultaten des arvalischen Landtages, daß der von Ludwig
Czaj gestreute Same bereits ins Grüne aufschießt und die Doctrin
der Nationalzeitung in Karlstadt vom illyrischen Reiche ihre practischen
Fühlhörner cmporzurecken beginnt. Wenn man bis jetzt noch nicht
von Krain, Istrien und Südsteiennark spricht und diese Gebiete nicht
gleichfalls als uraltes Slavenland für das moderne Jllyrien in Be-


eine Verschmelzung der slavischen Kronländer mit Ungarn selbst in
keiner Art zu denken sei, ihnen alle unter den bevorstehenden
Verhältnissen mögliche Selbständigkeit zu gewahren. Die Entlassung
des Grafen Haller, der eine Reise nach Deutschland antreten wird,
war der erste Schritt der Negierung auf der neuen Bahn. Der da¬
durch erledigte Posten eines Barus von Croatien dürfte nicht sobald
wieder besetzt werden, weil, wie ich schon schrieb, es an tüchtigen
Persönlichkeiten für diese heikle Stellung fehlt; man hat eS daher für
besser befunden, die Machtfülle dieser Würde zu theilen und dem Bi¬
schof von Agram, Haulik, die Civiladministration, dem Generalmajor
Graf Giulay aber das Militaircommando zu übertragen. Der Erstere
ist mit Leib und Seele der nationalen Partei ergeben und wird wo
nur immer möglich, die Entwicklung der von dieser Partei angestrebt
ten slavischen Volkstümlichkeit zu fördern suchen, indeß Gras Giulay,
seiner Abstammung gemäß, mit den Magyaren sympathisirt, doch in
einem Sinn, welcher der lediglich dem militärischen Gehorsam zufal¬
lenden Stellung des Generals, dessen Eardinaltugend Leidenschaftslo¬
sigkeit sein muß, keinen Abbruch thun wird. — Die durch die ver¬
änderte Richtung der Negicrungspolitik und die Ausscheidung der
Turopolyer Edelleute, welche bislang den Ton angegeben, ermuthigte
Nalionalitätspartei hat die ihr vorschwebende Aufgabe sogleich begrif¬
fen und eine Reihe von Beschlüssen gefaßt, die, wenn sie die könig¬
liche Sanction erhalten, was noch zweifelhaft ist, die ganze Lage Un¬
garns zu seinen Kronländern verändern und die Basis einer slavischen
Entwicklung unmittelbar an den Thoren des morschgewordenen Os-
mancnreiches werden muß. Der in Agram versammelte croatische
Landtag hat unter dem Vorsitz des Bischofs Haulik beschlossen, daß
die Landtage künftighin jährlich abgehalten und der Versammlungen
zwischen Croatien und Slavonien wechseln solle, das sich in der be¬
drängten Lage und gegen die gemeinschaftliche Gefahr fest an Croa¬
tien anschließen müsse, um den Jumuthungen der Magyaren mit Er¬
folg die Stirne bieten zu können. Auch wurde die Heranziehung
Dalmatiens und der Militairgrenze, welche zusammen gleichfalls eine
Bevölkerung von 1-1 Million Menschen besitzen, die vorzugsweise sla¬
vischer Abstammung ist, in Anregung gebracht, um sich numerisch zu
verstärken, und zugleich die Bitte um eine besondere Statthalterschaft
gestellt, wie sie das Land schon früher besessen, und die bis zum Jahre
1779 in Agram ihren Sitz hatte. Man sieht aus diesen parlamen¬
tarischen Resultaten des arvalischen Landtages, daß der von Ludwig
Czaj gestreute Same bereits ins Grüne aufschießt und die Doctrin
der Nationalzeitung in Karlstadt vom illyrischen Reiche ihre practischen
Fühlhörner cmporzurecken beginnt. Wenn man bis jetzt noch nicht
von Krain, Istrien und Südsteiennark spricht und diese Gebiete nicht
gleichfalls als uraltes Slavenland für das moderne Jllyrien in Be-


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[0414] eine Verschmelzung der slavischen Kronländer mit Ungarn selbst in keiner Art zu denken sei, ihnen alle unter den bevorstehenden Verhältnissen mögliche Selbständigkeit zu gewahren. Die Entlassung des Grafen Haller, der eine Reise nach Deutschland antreten wird, war der erste Schritt der Negierung auf der neuen Bahn. Der da¬ durch erledigte Posten eines Barus von Croatien dürfte nicht sobald wieder besetzt werden, weil, wie ich schon schrieb, es an tüchtigen Persönlichkeiten für diese heikle Stellung fehlt; man hat eS daher für besser befunden, die Machtfülle dieser Würde zu theilen und dem Bi¬ schof von Agram, Haulik, die Civiladministration, dem Generalmajor Graf Giulay aber das Militaircommando zu übertragen. Der Erstere ist mit Leib und Seele der nationalen Partei ergeben und wird wo nur immer möglich, die Entwicklung der von dieser Partei angestrebt ten slavischen Volkstümlichkeit zu fördern suchen, indeß Gras Giulay, seiner Abstammung gemäß, mit den Magyaren sympathisirt, doch in einem Sinn, welcher der lediglich dem militärischen Gehorsam zufal¬ lenden Stellung des Generals, dessen Eardinaltugend Leidenschaftslo¬ sigkeit sein muß, keinen Abbruch thun wird. — Die durch die ver¬ änderte Richtung der Negicrungspolitik und die Ausscheidung der Turopolyer Edelleute, welche bislang den Ton angegeben, ermuthigte Nalionalitätspartei hat die ihr vorschwebende Aufgabe sogleich begrif¬ fen und eine Reihe von Beschlüssen gefaßt, die, wenn sie die könig¬ liche Sanction erhalten, was noch zweifelhaft ist, die ganze Lage Un¬ garns zu seinen Kronländern verändern und die Basis einer slavischen Entwicklung unmittelbar an den Thoren des morschgewordenen Os- mancnreiches werden muß. Der in Agram versammelte croatische Landtag hat unter dem Vorsitz des Bischofs Haulik beschlossen, daß die Landtage künftighin jährlich abgehalten und der Versammlungen zwischen Croatien und Slavonien wechseln solle, das sich in der be¬ drängten Lage und gegen die gemeinschaftliche Gefahr fest an Croa¬ tien anschließen müsse, um den Jumuthungen der Magyaren mit Er¬ folg die Stirne bieten zu können. Auch wurde die Heranziehung Dalmatiens und der Militairgrenze, welche zusammen gleichfalls eine Bevölkerung von 1-1 Million Menschen besitzen, die vorzugsweise sla¬ vischer Abstammung ist, in Anregung gebracht, um sich numerisch zu verstärken, und zugleich die Bitte um eine besondere Statthalterschaft gestellt, wie sie das Land schon früher besessen, und die bis zum Jahre 1779 in Agram ihren Sitz hatte. Man sieht aus diesen parlamen¬ tarischen Resultaten des arvalischen Landtages, daß der von Ludwig Czaj gestreute Same bereits ins Grüne aufschießt und die Doctrin der Nationalzeitung in Karlstadt vom illyrischen Reiche ihre practischen Fühlhörner cmporzurecken beginnt. Wenn man bis jetzt noch nicht von Krain, Istrien und Südsteiennark spricht und diese Gebiete nicht gleichfalls als uraltes Slavenland für das moderne Jllyrien in Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/414>, abgerufen am 05.02.2025.