Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.sellschaft abgefeimter Rabulisten einen ganz eigenthümlichen Erwerbs¬ Am II). Nov. fand die feierliche Eröffnung der bereits vollende¬ sellschaft abgefeimter Rabulisten einen ganz eigenthümlichen Erwerbs¬ Am II). Nov. fand die feierliche Eröffnung der bereits vollende¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0413" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271674"/> <p xml:id="ID_1104" prev="#ID_1103"> sellschaft abgefeimter Rabulisten einen ganz eigenthümlichen Erwerbs¬<lb/> plan gegründet, indem diese nämlich bald dem bald jenem reichen<lb/> Bürger die schriftliche Nachricht zukommen ließen, daß es ihnen zu¬<lb/> falliger Weise gelungen sei, ein Document in dem Comitatsarchiv<lb/> aufzufinden, dessen Wortlaut es außer allen Zweifel stelle, daß einer<lb/> seiner Vorfahren vom König Bela oder Ludwig dem Großen mit dem<lb/> Adel beschenkt worden sei und dieses Adelsrecht nur in Folge der Aeit-<lb/> stürme und des Verlustes des Adelsbciefes für die Nachkommen ver¬<lb/> loren gegangen wäre. Eine freudige Bestürzung ergreift das ganze<lb/> Haus bei dieser Nachricht, der ehrliche Bürgersmann sieht einen lang¬<lb/> gehegten geheimen Wunsch seiner Seele mit einem Schlage wie durch<lb/> eine milde Fügung der Vorsehung erfüllt und ist, in dem seligen Be¬<lb/> wußtsein, daß adeliges Geblüt in seinen Adern rolle, nicht knickerhast<lb/> in der den redlichen Findern des kostbaren Pergaments gebührenden<lb/> Belohnung. Der Unfug dieser Gesellschaft blieb nicht lange unent-<lb/> deckt und die Unechtheit der producirten Adelsbriefe, auf dem die Na¬<lb/> men aller Könige der ungarischen Vorzeit zu lesen waren, wurde von<lb/> den Heraldikern erkannt und nachgewiesen. Man kann nicht in Ab¬<lb/> rede stellen, daß durch die Betriebsamkeit dieses Juratenclubbs in we¬<lb/> nig Jahren die Emancipation des reichen Bütgerstandes durchgesetzt<lb/> worden wäre, mit deren Durchführung sich wohl noch mancher Reichs¬<lb/> tag abplagen wird, ohne ans Ziel zu gelangen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1105" next="#ID_1106"> Am II). Nov. fand die feierliche Eröffnung der bereits vollende¬<lb/> ten Strecke der nach Wien im Bau begriffenen Eifenstraße statt, wo¬<lb/> bei der Erzherzog Palatin und die obersten Behörden des Landes<lb/> erschienen, um den für die Zukunft Ungarns so wichtigen Moment<lb/> durch ihre Gegenwart zu verherrlichen. Die Fahrt nach Palota ging<lb/> rasch und ohne Unfall vorüber und Alles giebt sich der süßen Hoff¬<lb/> nung hin, daß die Bahn noch in diesem Jahre bis Waitzen eröffnet<lb/> werden könne, da die verspäteten Schienen bereits eingetroffen, und<lb/> die Direction sich mit dem Magistrat wegen des strittigen Grundes<lb/> durch eine Zahlung von I2M0 Gulden abgefunden hat. — Es geht<lb/> das Gerücht, der Palatinus wolle im Mai künftigen Jahres nach der<lb/> Feier seines 5,l)jährigen Amtsjubiläums aus seiner bisherigen Stellung<lb/> scheiden und seine letzten Tage der ersehnten Ruhe widmen, ein Ent¬<lb/> schluß, der, wenn er, wie es den Anschein hat, zur Ausführung kommt,<lb/> den Nerv unseres politischen Entwicklungsganges berühren wird. —<lb/> Die Wendung, welche die Angelegenheiten des Landtages in Agram<lb/> genommen haben, ist ein Schlag für die Partei der Magyaromanen,<lb/> auf den sie nicht gesaßt waren, da noch kürzlich durch die ungarische<lb/> Hofkanzlei in Wien die Sache der Turopolyer Edelleute in einem ihr<lb/> günstigen Sinne entschieden worden war. Die blutigen Vorfälle in<lb/> den Straßen Agrams scheinen die Negierung bewogen zu haben, den<lb/> bisher befolgten Weg zu verlassen und in der Ueberzeugung, daß an</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0413]
sellschaft abgefeimter Rabulisten einen ganz eigenthümlichen Erwerbs¬
plan gegründet, indem diese nämlich bald dem bald jenem reichen
Bürger die schriftliche Nachricht zukommen ließen, daß es ihnen zu¬
falliger Weise gelungen sei, ein Document in dem Comitatsarchiv
aufzufinden, dessen Wortlaut es außer allen Zweifel stelle, daß einer
seiner Vorfahren vom König Bela oder Ludwig dem Großen mit dem
Adel beschenkt worden sei und dieses Adelsrecht nur in Folge der Aeit-
stürme und des Verlustes des Adelsbciefes für die Nachkommen ver¬
loren gegangen wäre. Eine freudige Bestürzung ergreift das ganze
Haus bei dieser Nachricht, der ehrliche Bürgersmann sieht einen lang¬
gehegten geheimen Wunsch seiner Seele mit einem Schlage wie durch
eine milde Fügung der Vorsehung erfüllt und ist, in dem seligen Be¬
wußtsein, daß adeliges Geblüt in seinen Adern rolle, nicht knickerhast
in der den redlichen Findern des kostbaren Pergaments gebührenden
Belohnung. Der Unfug dieser Gesellschaft blieb nicht lange unent-
deckt und die Unechtheit der producirten Adelsbriefe, auf dem die Na¬
men aller Könige der ungarischen Vorzeit zu lesen waren, wurde von
den Heraldikern erkannt und nachgewiesen. Man kann nicht in Ab¬
rede stellen, daß durch die Betriebsamkeit dieses Juratenclubbs in we¬
nig Jahren die Emancipation des reichen Bütgerstandes durchgesetzt
worden wäre, mit deren Durchführung sich wohl noch mancher Reichs¬
tag abplagen wird, ohne ans Ziel zu gelangen.
Am II). Nov. fand die feierliche Eröffnung der bereits vollende¬
ten Strecke der nach Wien im Bau begriffenen Eifenstraße statt, wo¬
bei der Erzherzog Palatin und die obersten Behörden des Landes
erschienen, um den für die Zukunft Ungarns so wichtigen Moment
durch ihre Gegenwart zu verherrlichen. Die Fahrt nach Palota ging
rasch und ohne Unfall vorüber und Alles giebt sich der süßen Hoff¬
nung hin, daß die Bahn noch in diesem Jahre bis Waitzen eröffnet
werden könne, da die verspäteten Schienen bereits eingetroffen, und
die Direction sich mit dem Magistrat wegen des strittigen Grundes
durch eine Zahlung von I2M0 Gulden abgefunden hat. — Es geht
das Gerücht, der Palatinus wolle im Mai künftigen Jahres nach der
Feier seines 5,l)jährigen Amtsjubiläums aus seiner bisherigen Stellung
scheiden und seine letzten Tage der ersehnten Ruhe widmen, ein Ent¬
schluß, der, wenn er, wie es den Anschein hat, zur Ausführung kommt,
den Nerv unseres politischen Entwicklungsganges berühren wird. —
Die Wendung, welche die Angelegenheiten des Landtages in Agram
genommen haben, ist ein Schlag für die Partei der Magyaromanen,
auf den sie nicht gesaßt waren, da noch kürzlich durch die ungarische
Hofkanzlei in Wien die Sache der Turopolyer Edelleute in einem ihr
günstigen Sinne entschieden worden war. Die blutigen Vorfälle in
den Straßen Agrams scheinen die Negierung bewogen zu haben, den
bisher befolgten Weg zu verlassen und in der Ueberzeugung, daß an
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