Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.<>x<:olle?meo kommt, dort nicht sollte mit offnen Armen aufgenommen <>x<:olle?meo kommt, dort nicht sollte mit offnen Armen aufgenommen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0375" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271636"/> <p xml:id="ID_1014" prev="#ID_1013" next="#ID_1015"> <>x<:olle?meo kommt, dort nicht sollte mit offnen Armen aufgenommen<lb/> werden. Oder wäre es mit dem hohen musikalischen Standpunkt<lb/> Leipzigs nicht so — el, was wäre mir da beinah entfahren! Man<lb/> hat sich zwar von einem sonderbaren Falle viel erzählt, in welchem<lb/> das Musik-Athen Deutschlands, das urtheilbefähigte, kunstkennerisch<lb/> hochgebildete und tiefverständige, contrapunctkundige, musikgeschichts-<lb/> gclehrte, Johann-Sebastian-Bach-Denkmal-Setzende Leipzig eine Sym¬<lb/> phonie von diesem Johann Sebastian Bach, in der Meinung, basi<lb/> es etwa eine Jahrmarktsdudelci sein möchte, ausgezischt hat. Indes¬<lb/> sen so etwas kann überall begegnen. Ein Bekannter von mir sagte<lb/> einmal einem berühmten Concertmeister in einer berühmten Residenz,<lb/> nachdem man eben den ersten Satz einer elenden Symphonie von ir¬<lb/> gend einem Stümper heruntergespielt hatte, und da der Concertmei¬<lb/> ster fragte, waS das wäre: el, das hören Sie nicht gleich? es ist<lb/> ja eine der spätesten Arbeiten von Beethoven, aus seiner Verlassen-<lb/> schaft; und dann schnitt er während des zweiten Satzes, dem Con¬<lb/> certmeister zuwinkend, verzückte Gesichter, und hatte den Spaß, daß<lb/> dieser ihm alle Grimassen doppelt verzückt zurückgab. — Nun habe<lb/> ich in Leipzig denn auch wohl bemerkt, daß die schönen Quartett-<lb/> Soireen immer nur gar dürftig besucht sind — ein Phänomen, das<lb/> ich mir bei der großen Musikliebe und dem großen Musikverständniß<lb/> Leipzigs nicht zu erklären vermag. Ich habe auch noch sonst allerlei<lb/> bemerkt — doch genug! Leipzig brüstet sich mit seiner Musik; es<lb/> sollte doch also, um des Anspruchs willen, den es macht, eine Ehre<lb/> darein setzen, musikalischen Gästen aufs Beste entgegenzukommen, ih¬<lb/> nen den Aufenthalt so angenehm als möglich zu machen, ihnen die<lb/> Aufführung ihrer Werke zu erleichtern, nicht zu erschweren. Und<lb/> kurz, Herr Dobrcy>>sti sollte sich in Leipzig nicht zu beklagen gehabt<lb/> haben. Der Künstler, der fremde Gast, und — was noch mehr ist<lb/> für theilnehmende Menschen, der Pole! der Mann, der unter dem<lb/> Druck der Heimat aller Aufmunterung, aller Förderung, aller Pflege<lb/> entbehrt, deren das Talent von außen bedarf, und in die Fremde<lb/> ruft, um einige Entschädigung, einigen Trost und empfängliche, nicht<lb/> von einer eisernen Hand zusammengepreßte Herzen zu suchen! Nicht<lb/> zu beklagen gehabt haben, sage ich; denn beklagt hat sich Herr Do-<lb/> brcyi'Ski nicht; aber es ist mir nicht entgangen, daß er Ursache dazu<lb/> gehabt hatte, viel Ursache. Es ist wahr, in der erwähnten AIi»ein,-v<lb/> imilicule haben die Herren David, Gabe, Grabau, Grenser, Denker<lb/> mitgewirkt; man hat eine Ouvertüre von Herrn Dobrcyüski im Ge-<lb/> wandhausconcerte und eine Symphonie von ihm in der Euterpe auf¬<lb/> geführt; alles schön! Indessen wie es von dem kunstfreundlichen, ja,<lb/> kunststolzcn Leipzig zu erwarten wäre, daß es mit fremden Künstlern<lb/> verfahren sollte, so verfuhr es entschieden nicht: ich weiß nicht, ob<lb/> das immer so ist, ich habe früher nicht Gelegenheit gehabt, darauf</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0375]
<>x<:olle?meo kommt, dort nicht sollte mit offnen Armen aufgenommen
werden. Oder wäre es mit dem hohen musikalischen Standpunkt
Leipzigs nicht so — el, was wäre mir da beinah entfahren! Man
hat sich zwar von einem sonderbaren Falle viel erzählt, in welchem
das Musik-Athen Deutschlands, das urtheilbefähigte, kunstkennerisch
hochgebildete und tiefverständige, contrapunctkundige, musikgeschichts-
gclehrte, Johann-Sebastian-Bach-Denkmal-Setzende Leipzig eine Sym¬
phonie von diesem Johann Sebastian Bach, in der Meinung, basi
es etwa eine Jahrmarktsdudelci sein möchte, ausgezischt hat. Indes¬
sen so etwas kann überall begegnen. Ein Bekannter von mir sagte
einmal einem berühmten Concertmeister in einer berühmten Residenz,
nachdem man eben den ersten Satz einer elenden Symphonie von ir¬
gend einem Stümper heruntergespielt hatte, und da der Concertmei¬
ster fragte, waS das wäre: el, das hören Sie nicht gleich? es ist
ja eine der spätesten Arbeiten von Beethoven, aus seiner Verlassen-
schaft; und dann schnitt er während des zweiten Satzes, dem Con¬
certmeister zuwinkend, verzückte Gesichter, und hatte den Spaß, daß
dieser ihm alle Grimassen doppelt verzückt zurückgab. — Nun habe
ich in Leipzig denn auch wohl bemerkt, daß die schönen Quartett-
Soireen immer nur gar dürftig besucht sind — ein Phänomen, das
ich mir bei der großen Musikliebe und dem großen Musikverständniß
Leipzigs nicht zu erklären vermag. Ich habe auch noch sonst allerlei
bemerkt — doch genug! Leipzig brüstet sich mit seiner Musik; es
sollte doch also, um des Anspruchs willen, den es macht, eine Ehre
darein setzen, musikalischen Gästen aufs Beste entgegenzukommen, ih¬
nen den Aufenthalt so angenehm als möglich zu machen, ihnen die
Aufführung ihrer Werke zu erleichtern, nicht zu erschweren. Und
kurz, Herr Dobrcy>>sti sollte sich in Leipzig nicht zu beklagen gehabt
haben. Der Künstler, der fremde Gast, und — was noch mehr ist
für theilnehmende Menschen, der Pole! der Mann, der unter dem
Druck der Heimat aller Aufmunterung, aller Förderung, aller Pflege
entbehrt, deren das Talent von außen bedarf, und in die Fremde
ruft, um einige Entschädigung, einigen Trost und empfängliche, nicht
von einer eisernen Hand zusammengepreßte Herzen zu suchen! Nicht
zu beklagen gehabt haben, sage ich; denn beklagt hat sich Herr Do-
brcyi'Ski nicht; aber es ist mir nicht entgangen, daß er Ursache dazu
gehabt hatte, viel Ursache. Es ist wahr, in der erwähnten AIi»ein,-v
imilicule haben die Herren David, Gabe, Grabau, Grenser, Denker
mitgewirkt; man hat eine Ouvertüre von Herrn Dobrcyüski im Ge-
wandhausconcerte und eine Symphonie von ihm in der Euterpe auf¬
geführt; alles schön! Indessen wie es von dem kunstfreundlichen, ja,
kunststolzcn Leipzig zu erwarten wäre, daß es mit fremden Künstlern
verfahren sollte, so verfuhr es entschieden nicht: ich weiß nicht, ob
das immer so ist, ich habe früher nicht Gelegenheit gehabt, darauf
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |