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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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zu achten; diesesmal achtete ich darauf, weil ich an Herrn Dobrcynski
persönlichen Antheil nahm. Und die Erfahrung, die ich diesesmal
machte, ich bin gewiß, daß ich mich nicht getauscht habe, spreche ich
diesesmal aus.

Ich weiß nicht, ob es immer so ist; aber ich habe häufig sagen
hören, es sei so in Leipzig immer. Leipzig errichte sich seine Altäre,
und an denen opfere es, an keinen andern. Das wäre denn aller¬
dings ganz in jenem Geschmacke, von dem ich zuvor schon sagte, sich
nur selbst zu räuchern und alles was nicht lcipzigisch gestempelt ist,
mitleidig von oben herab anzusehen. Da fallt mir ein, ich fand heute
auf dem Museum -- beiläufig gesagt, einer Anstalt, auf die Leipzig
wirklich Ursache hat, sich etwas zu Gute zu thun -- beim Durch¬
blättern eines Heftes der Cölnischen Zeitung einen kleinen Aufsatz,
dessen Verfasser sich über Herrn Felix Mendelssohn - Bartholdv etwas
hämisch ausläßt und dabei mit einem Seitenblick ans unser Leipzig
die spitzige Bemerkung macht, er fürchte sich nicht vor dem steini¬
gen, obwohl er sich auch davor am Rhein nicht so sehr zu fürchten
habe, denn dort am Rhein sei es mit einem gewissen Fieber des
Enthusiasmus nicht wie in -- Leipzig, wo man sich eines "Steiniget
ihn" allerdings zu versehen hätte, wenn man den Abgott frevelnd an¬
tastete. -- Der Verfasser dieses Aufsatzes bringt unter Anderem den
Einfall zu Markte, daß die Compositionen des Meisters, den er be¬
spricht, nach dem -- Judenthume ihres Urhebers schmeckten. Ein
Einfall, der sehr wohlfeil ist! Und so mag er denn schon Manchem
gekommen sein. Ich habe A.hnliches auch schon in Betreff Meier-
becrs behaupten hören. Aber ein Schleppträger des Herrn Mendels¬
sohn hat sich in der Cölnischen Zeitung gewaltig darüber erhitzt; ich
begreife nicht, weshalb. Der Einfall ist vielleicht sehr läppisch, viel¬
leicht liegt auch etwas Wahres darin; jedenfalls doch nichts was da¬
zu angethan wäre, sich zu ereifern. Oder wäre der jüdische Charakter
schlecht empfohlen, wenn das als Wirkung seiner eigensten Eigenheit
anerkannt wird, was wie Meierbeers und Mendelssohns Compositio¬
nen die ^ christliche Welt zu clectnsiren vermocht hat? Herr Men¬
delssohn selbst, denke ich mir, wird sich vor solchen Freunden und
Verehrern segnen, welche eine Hindeutung auf das Charakteristische
seiner Abstammung wie -- man möchte sagen, etwas Ehrenrühriges
mit Ereifrung abzuweisen suchen.

Da fallt mir, indem ich von Herrn Mendelssohn rede, schon
wieder erwas ein, und etwas das mich glücklich auf Herrn Do-
brcyi'sti zurückbringt. Herr Dobrcynski spricht sehr schlecht, sehr ge¬
brochen deutsch. Herr Mendelssohn spricht sehr gut, sehr geläufig
französisch. Als Herr Dobrcy>>skv Herrn Mendelssohn Besuch machte,
redete Herr Dobrcvüski Herrn Mendelsohn französisch an. Sprechen
Sie nicht deutsch? fragte Herr Mendelssohn. Und Herr Mendelssohn


zu achten; diesesmal achtete ich darauf, weil ich an Herrn Dobrcynski
persönlichen Antheil nahm. Und die Erfahrung, die ich diesesmal
machte, ich bin gewiß, daß ich mich nicht getauscht habe, spreche ich
diesesmal aus.

Ich weiß nicht, ob es immer so ist; aber ich habe häufig sagen
hören, es sei so in Leipzig immer. Leipzig errichte sich seine Altäre,
und an denen opfere es, an keinen andern. Das wäre denn aller¬
dings ganz in jenem Geschmacke, von dem ich zuvor schon sagte, sich
nur selbst zu räuchern und alles was nicht lcipzigisch gestempelt ist,
mitleidig von oben herab anzusehen. Da fallt mir ein, ich fand heute
auf dem Museum — beiläufig gesagt, einer Anstalt, auf die Leipzig
wirklich Ursache hat, sich etwas zu Gute zu thun — beim Durch¬
blättern eines Heftes der Cölnischen Zeitung einen kleinen Aufsatz,
dessen Verfasser sich über Herrn Felix Mendelssohn - Bartholdv etwas
hämisch ausläßt und dabei mit einem Seitenblick ans unser Leipzig
die spitzige Bemerkung macht, er fürchte sich nicht vor dem steini¬
gen, obwohl er sich auch davor am Rhein nicht so sehr zu fürchten
habe, denn dort am Rhein sei es mit einem gewissen Fieber des
Enthusiasmus nicht wie in — Leipzig, wo man sich eines „Steiniget
ihn" allerdings zu versehen hätte, wenn man den Abgott frevelnd an¬
tastete. — Der Verfasser dieses Aufsatzes bringt unter Anderem den
Einfall zu Markte, daß die Compositionen des Meisters, den er be¬
spricht, nach dem — Judenthume ihres Urhebers schmeckten. Ein
Einfall, der sehr wohlfeil ist! Und so mag er denn schon Manchem
gekommen sein. Ich habe A.hnliches auch schon in Betreff Meier-
becrs behaupten hören. Aber ein Schleppträger des Herrn Mendels¬
sohn hat sich in der Cölnischen Zeitung gewaltig darüber erhitzt; ich
begreife nicht, weshalb. Der Einfall ist vielleicht sehr läppisch, viel¬
leicht liegt auch etwas Wahres darin; jedenfalls doch nichts was da¬
zu angethan wäre, sich zu ereifern. Oder wäre der jüdische Charakter
schlecht empfohlen, wenn das als Wirkung seiner eigensten Eigenheit
anerkannt wird, was wie Meierbeers und Mendelssohns Compositio¬
nen die ^ christliche Welt zu clectnsiren vermocht hat? Herr Men¬
delssohn selbst, denke ich mir, wird sich vor solchen Freunden und
Verehrern segnen, welche eine Hindeutung auf das Charakteristische
seiner Abstammung wie — man möchte sagen, etwas Ehrenrühriges
mit Ereifrung abzuweisen suchen.

Da fallt mir, indem ich von Herrn Mendelssohn rede, schon
wieder erwas ein, und etwas das mich glücklich auf Herrn Do-
brcyi'sti zurückbringt. Herr Dobrcynski spricht sehr schlecht, sehr ge¬
brochen deutsch. Herr Mendelssohn spricht sehr gut, sehr geläufig
französisch. Als Herr Dobrcy>>skv Herrn Mendelssohn Besuch machte,
redete Herr Dobrcvüski Herrn Mendelsohn französisch an. Sprechen
Sie nicht deutsch? fragte Herr Mendelssohn. Und Herr Mendelssohn


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[0376] zu achten; diesesmal achtete ich darauf, weil ich an Herrn Dobrcynski persönlichen Antheil nahm. Und die Erfahrung, die ich diesesmal machte, ich bin gewiß, daß ich mich nicht getauscht habe, spreche ich diesesmal aus. Ich weiß nicht, ob es immer so ist; aber ich habe häufig sagen hören, es sei so in Leipzig immer. Leipzig errichte sich seine Altäre, und an denen opfere es, an keinen andern. Das wäre denn aller¬ dings ganz in jenem Geschmacke, von dem ich zuvor schon sagte, sich nur selbst zu räuchern und alles was nicht lcipzigisch gestempelt ist, mitleidig von oben herab anzusehen. Da fallt mir ein, ich fand heute auf dem Museum — beiläufig gesagt, einer Anstalt, auf die Leipzig wirklich Ursache hat, sich etwas zu Gute zu thun — beim Durch¬ blättern eines Heftes der Cölnischen Zeitung einen kleinen Aufsatz, dessen Verfasser sich über Herrn Felix Mendelssohn - Bartholdv etwas hämisch ausläßt und dabei mit einem Seitenblick ans unser Leipzig die spitzige Bemerkung macht, er fürchte sich nicht vor dem steini¬ gen, obwohl er sich auch davor am Rhein nicht so sehr zu fürchten habe, denn dort am Rhein sei es mit einem gewissen Fieber des Enthusiasmus nicht wie in — Leipzig, wo man sich eines „Steiniget ihn" allerdings zu versehen hätte, wenn man den Abgott frevelnd an¬ tastete. — Der Verfasser dieses Aufsatzes bringt unter Anderem den Einfall zu Markte, daß die Compositionen des Meisters, den er be¬ spricht, nach dem — Judenthume ihres Urhebers schmeckten. Ein Einfall, der sehr wohlfeil ist! Und so mag er denn schon Manchem gekommen sein. Ich habe A.hnliches auch schon in Betreff Meier- becrs behaupten hören. Aber ein Schleppträger des Herrn Mendels¬ sohn hat sich in der Cölnischen Zeitung gewaltig darüber erhitzt; ich begreife nicht, weshalb. Der Einfall ist vielleicht sehr läppisch, viel¬ leicht liegt auch etwas Wahres darin; jedenfalls doch nichts was da¬ zu angethan wäre, sich zu ereifern. Oder wäre der jüdische Charakter schlecht empfohlen, wenn das als Wirkung seiner eigensten Eigenheit anerkannt wird, was wie Meierbeers und Mendelssohns Compositio¬ nen die ^ christliche Welt zu clectnsiren vermocht hat? Herr Men¬ delssohn selbst, denke ich mir, wird sich vor solchen Freunden und Verehrern segnen, welche eine Hindeutung auf das Charakteristische seiner Abstammung wie — man möchte sagen, etwas Ehrenrühriges mit Ereifrung abzuweisen suchen. Da fallt mir, indem ich von Herrn Mendelssohn rede, schon wieder erwas ein, und etwas das mich glücklich auf Herrn Do- brcyi'sti zurückbringt. Herr Dobrcynski spricht sehr schlecht, sehr ge¬ brochen deutsch. Herr Mendelssohn spricht sehr gut, sehr geläufig französisch. Als Herr Dobrcy>>skv Herrn Mendelssohn Besuch machte, redete Herr Dobrcvüski Herrn Mendelsohn französisch an. Sprechen Sie nicht deutsch? fragte Herr Mendelssohn. Und Herr Mendelssohn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/376>, abgerufen am 05.02.2025.