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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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mung, die ihm in Berlin geworden: -- Berlin ist meine Vaterstadt;
ich war also darob vergnügt in dem berlinischen Winkel meiner Seele
-- aber daß es auf Kosten meines guten Leipzig geschah, das ver¬
salzte mir das Vergnügen. Ich hätte gewünscht, er halte beide
Städte gleich liebenswürdig gefunden: -- ächte Leipziger werden die--
ses Gefühl nicht verstehen und sogar für sehr bemicleidenswerth hal¬
ten, denn ächte Leipziger können es sich gar nicht möglich denken, daß
man Leipzig anders als auf anderer Städte Kosten hochstellen könne;
ächte Leipziger finden Alles durchaus jämmerlich, kleinstädtisch, bornirt,
geschmacklos, dumm, gemein -- was nicht leipzigerisch oder leipzigisch
ist; genug, ich bin nun einmal in diesem Punkte noch kein ächter
Leipziger. Leipzig hat gewisse Eigenheiten, die -- vielleicht Blüten
der höchsten Civilisation sind, ich weiß nicht -- aber andere gewöhn¬
liche Menschenkinder, und auch solche halbe Leipziger wie ich, pflegen
diese Blüten -- gewiß mit großem Unrecht und aus purer kleinstäd¬
tischen, dresdensischer oder berlinischer oder sonst dergleichen Bornirt-
heit -- Unarten zu nennen. Z. B. daß Leipzig eine ganz besondere
Art hat, die in der übrigen Welt nicht Art ist, den liebenswürdigen
Wirth gegen Fremde zu machen; es kommen da jezuweilen Fleurctten
vor, die in der Sprache der Götter (Leipzigs, versteht sich!) vielleicht
zarte Aufmerksamkeiten heißen: die gemeinen Sterblichen aber nennen
sie -- schreckliches Wort, schrecklicherer Gedanke, doch das schrecklichste
die That! ^- Ohrfeigen. i5x,'i">"I/l s""t mliosi,. Nun, da-S sind
Höhen der Cultur, die allerdings selten erstiegen werden ; aber Klagen
über eine Begegnung, die dem Fremden nicht gefiel -- sicher nur
weil er zu niedrig in der Bildung stand, um die leipziger Höhe zu
ermessen -- solche Klagen habe ich von Fremden öfters gehört. Sehr
gewöhnlich ist eS z. B., daß der Leipziger dem Fremden ins Gesicht
nicht nur sein Leipzig und was darum und daran hängt, bis in den
Himmel hebt, sondern auch, um demselben den Preis Leipzigs desto
einleuchtender zu machen, des Fremden Wohnort oder Geburtsort und
was darum und daran hängt, immer noch dem Fremden ins Gesicht,
bis in die Hölle hinunter setzt. , Sodann eine gewisse eisige Kälte,
ein gewisses schroffes Abstoßen, ein gewisser Mangel an Dienstwillig-
keit -- der sonst doch keineswegs im sächsischen Characrer liegt --
alles dieses immer dann, wenn gewisse literarische, musikalische, thea¬
tralische oder sonstige Charactere in gewissen Kreisen (Coterien, Cli¬
quen schilt's der Leumund, der -- Verleumder, will ich hoffen) zu¬
fallig nicht gewisse hohe Geneigtheiten für sich, oder wenn sie gar
auf denselben Gipfeln Ungeneigtheiten wider sich hätten: nun, wie
gesagt, ich weiß das alles nicht, verstehe auch alle diese Dinge nicht,
kümmere mich nicht darum, urtheile nicht, -- "-"tilli" >-''>>'>

Es ist doch seltsam, daß ein Musiker, der mit einem nicht ge¬
ringen musikalischen Rufe nach Leipzig, dieser Stadt der Musik


mung, die ihm in Berlin geworden: — Berlin ist meine Vaterstadt;
ich war also darob vergnügt in dem berlinischen Winkel meiner Seele
— aber daß es auf Kosten meines guten Leipzig geschah, das ver¬
salzte mir das Vergnügen. Ich hätte gewünscht, er halte beide
Städte gleich liebenswürdig gefunden: — ächte Leipziger werden die--
ses Gefühl nicht verstehen und sogar für sehr bemicleidenswerth hal¬
ten, denn ächte Leipziger können es sich gar nicht möglich denken, daß
man Leipzig anders als auf anderer Städte Kosten hochstellen könne;
ächte Leipziger finden Alles durchaus jämmerlich, kleinstädtisch, bornirt,
geschmacklos, dumm, gemein — was nicht leipzigerisch oder leipzigisch
ist; genug, ich bin nun einmal in diesem Punkte noch kein ächter
Leipziger. Leipzig hat gewisse Eigenheiten, die — vielleicht Blüten
der höchsten Civilisation sind, ich weiß nicht — aber andere gewöhn¬
liche Menschenkinder, und auch solche halbe Leipziger wie ich, pflegen
diese Blüten — gewiß mit großem Unrecht und aus purer kleinstäd¬
tischen, dresdensischer oder berlinischer oder sonst dergleichen Bornirt-
heit — Unarten zu nennen. Z. B. daß Leipzig eine ganz besondere
Art hat, die in der übrigen Welt nicht Art ist, den liebenswürdigen
Wirth gegen Fremde zu machen; es kommen da jezuweilen Fleurctten
vor, die in der Sprache der Götter (Leipzigs, versteht sich!) vielleicht
zarte Aufmerksamkeiten heißen: die gemeinen Sterblichen aber nennen
sie — schreckliches Wort, schrecklicherer Gedanke, doch das schrecklichste
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Höhen der Cultur, die allerdings selten erstiegen werden ; aber Klagen
über eine Begegnung, die dem Fremden nicht gefiel — sicher nur
weil er zu niedrig in der Bildung stand, um die leipziger Höhe zu
ermessen — solche Klagen habe ich von Fremden öfters gehört. Sehr
gewöhnlich ist eS z. B., daß der Leipziger dem Fremden ins Gesicht
nicht nur sein Leipzig und was darum und daran hängt, bis in den
Himmel hebt, sondern auch, um demselben den Preis Leipzigs desto
einleuchtender zu machen, des Fremden Wohnort oder Geburtsort und
was darum und daran hängt, immer noch dem Fremden ins Gesicht,
bis in die Hölle hinunter setzt. , Sodann eine gewisse eisige Kälte,
ein gewisses schroffes Abstoßen, ein gewisser Mangel an Dienstwillig-
keit — der sonst doch keineswegs im sächsischen Characrer liegt —
alles dieses immer dann, wenn gewisse literarische, musikalische, thea¬
tralische oder sonstige Charactere in gewissen Kreisen (Coterien, Cli¬
quen schilt's der Leumund, der — Verleumder, will ich hoffen) zu¬
fallig nicht gewisse hohe Geneigtheiten für sich, oder wenn sie gar
auf denselben Gipfeln Ungeneigtheiten wider sich hätten: nun, wie
gesagt, ich weiß das alles nicht, verstehe auch alle diese Dinge nicht,
kümmere mich nicht darum, urtheile nicht, — »-«tilli» >-''>>'>

Es ist doch seltsam, daß ein Musiker, der mit einem nicht ge¬
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/374>, abgerufen am 05.02.2025.