Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.Tageblatte einzelne Stimmen erhoben -- oder vielleicht war es auch Doch nichts mehr von Politik! ich will ein wenig von Musik Ich bin schon lange genug in Leipzig, um mich als Leipziger Tageblatte einzelne Stimmen erhoben — oder vielleicht war es auch Doch nichts mehr von Politik! ich will ein wenig von Musik Ich bin schon lange genug in Leipzig, um mich als Leipziger <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0373" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271634"/> <p xml:id="ID_1009" prev="#ID_1008"> Tageblatte einzelne Stimmen erhoben — oder vielleicht war es auch<lb/> nur eine Stimme — und über Wahlumtriebe und Raub an der<lb/> Wahlfreiheit der loyalen Bürger geschrien. Allerdings ist nicht zu<lb/> läugnen, daß jene wohlbekannte Methode, welche der Leithammel ein¬<lb/> zuhalten pflegt, nichts geringeres in sich schließt, als eine Freiheits¬<lb/> beschränkung — für die Schöpfe. — Die Wahlmännerwahl ist übri¬<lb/> gens, in Verachtung der lammhaften Warnungen im Tagcblatte,<lb/> nicht für die Schafe, sondern für die Böcke ausgefallen, für Rob.<lb/> Blum mit mehr als tausend, Dr. Heyncr mit mehr als neunhundert<lb/> Stimmen, Otto Wigand, Kramermeister Poppe, Advocat Bertling,<lb/> Advocat Römisch, Biedermann u. s. f. Ein anderer politischer Act,<lb/> der die Gemüther in Spannung versetzt, steht in der Wahl des neuen<lb/> Commandanten der Communalgarde bevor.</p><lb/> <p xml:id="ID_1010"> Doch nichts mehr von Politik! ich will ein wenig von Musik<lb/> erzählen. Zwar bin ich diese Saison ein Ungetreuer der Polymnia<lb/> — vergraben wie ich bin in Arbeiten —>, ein Paar Concerte habe<lb/> ich aber doch zufällig mitgemacht, in denen Sachen von Herrn Felix<lb/> Dobrcynski ausgeführt wurden. Herr Dobrcynski brachte mir näm¬<lb/> lich aus Berlin einen Brief von einem sehr lieben Freunde mit, dem<lb/> Violoncellisten Hanemann, einem prächtigen Menschen und tresslichen<lb/> Musikanten, der nebenbei auch ein College ist, denn er schriststellert<lb/> aus Liebhaberei. Da ich nun an Herrn Dobrcyüski einen Mann<lb/> fand, der mir bald große Theilnahme abgewann, so ward ich auch<lb/> auf seine Compositionen begierig, und ging in die Antinoe! uni^ivttle,<lb/> die er am 9. im kleinen Saale der Buchhnndlerbörse gab, und nach¬<lb/> her in das erste Concert der Euterpe am 18., in welchem seine 8ii>-<lb/> t'ville ein-net6ri8dis>!i«! gegeben wurde, eine Arbeit, mit welcher er,<lb/> ich weiß nicht in welchem Jahre, bei der Wiener Svmphonieconcur-<lb/> renz zwar nicht den Preis, den Lachner erhielt, aber doch ein sehr<lb/> rühmliches Accessit davongetragen hat. Die zu seiner Oper „Mam-<lb/> bar oder die Flibustier" (der Text nach van der Velde von Pa-<lb/> procki) gehörige Ouvertüre, welche am 8. im Gewandhause, gemacht<lb/> worden war, habe ich nicht gehört. In der ^i.emol ausi^l« führte<lb/> Dobrcynski nur Stücke seiner eigenen Composition auf, ein Quintett<lb/> (^-null) und ein Sextett <M-,j»i-), beide für Streichinstrumente, ei¬<lb/> nige Claviersachen, die er selbst spielte, und ein Paar Gesangstücke,<lb/> nämlich eine Batate für Baryton aus der erwähnten Oper und eine<lb/> Cavatine für Sopran.</p><lb/> <p xml:id="ID_1011" next="#ID_1012"> Ich bin schon lange genug in Leipzig, um mich als Leipziger<lb/> zu fühlen, und somit für die gute Reputation der Stadt, „als wär's<lb/> ein Stück von mir", empfindlich zu sein. Da hat mich's denn ver¬<lb/> drossen, daß Herr Dobrcynski über Leipzig gegen mich sehr — einsil¬<lb/> big, sehr —- verschwiegen war. Er rühmte Berlin ganz ausnehmend;<lb/> wenn man von Leipzig sprach, sprach er von der freundlichen Begeg-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0373]
Tageblatte einzelne Stimmen erhoben — oder vielleicht war es auch
nur eine Stimme — und über Wahlumtriebe und Raub an der
Wahlfreiheit der loyalen Bürger geschrien. Allerdings ist nicht zu
läugnen, daß jene wohlbekannte Methode, welche der Leithammel ein¬
zuhalten pflegt, nichts geringeres in sich schließt, als eine Freiheits¬
beschränkung — für die Schöpfe. — Die Wahlmännerwahl ist übri¬
gens, in Verachtung der lammhaften Warnungen im Tagcblatte,
nicht für die Schafe, sondern für die Böcke ausgefallen, für Rob.
Blum mit mehr als tausend, Dr. Heyncr mit mehr als neunhundert
Stimmen, Otto Wigand, Kramermeister Poppe, Advocat Bertling,
Advocat Römisch, Biedermann u. s. f. Ein anderer politischer Act,
der die Gemüther in Spannung versetzt, steht in der Wahl des neuen
Commandanten der Communalgarde bevor.
Doch nichts mehr von Politik! ich will ein wenig von Musik
erzählen. Zwar bin ich diese Saison ein Ungetreuer der Polymnia
— vergraben wie ich bin in Arbeiten —>, ein Paar Concerte habe
ich aber doch zufällig mitgemacht, in denen Sachen von Herrn Felix
Dobrcynski ausgeführt wurden. Herr Dobrcynski brachte mir näm¬
lich aus Berlin einen Brief von einem sehr lieben Freunde mit, dem
Violoncellisten Hanemann, einem prächtigen Menschen und tresslichen
Musikanten, der nebenbei auch ein College ist, denn er schriststellert
aus Liebhaberei. Da ich nun an Herrn Dobrcyüski einen Mann
fand, der mir bald große Theilnahme abgewann, so ward ich auch
auf seine Compositionen begierig, und ging in die Antinoe! uni^ivttle,
die er am 9. im kleinen Saale der Buchhnndlerbörse gab, und nach¬
her in das erste Concert der Euterpe am 18., in welchem seine 8ii>-
t'ville ein-net6ri8dis>!i«! gegeben wurde, eine Arbeit, mit welcher er,
ich weiß nicht in welchem Jahre, bei der Wiener Svmphonieconcur-
renz zwar nicht den Preis, den Lachner erhielt, aber doch ein sehr
rühmliches Accessit davongetragen hat. Die zu seiner Oper „Mam-
bar oder die Flibustier" (der Text nach van der Velde von Pa-
procki) gehörige Ouvertüre, welche am 8. im Gewandhause, gemacht
worden war, habe ich nicht gehört. In der ^i.emol ausi^l« führte
Dobrcynski nur Stücke seiner eigenen Composition auf, ein Quintett
(^-null) und ein Sextett <M-,j»i-), beide für Streichinstrumente, ei¬
nige Claviersachen, die er selbst spielte, und ein Paar Gesangstücke,
nämlich eine Batate für Baryton aus der erwähnten Oper und eine
Cavatine für Sopran.
Ich bin schon lange genug in Leipzig, um mich als Leipziger
zu fühlen, und somit für die gute Reputation der Stadt, „als wär's
ein Stück von mir", empfindlich zu sein. Da hat mich's denn ver¬
drossen, daß Herr Dobrcynski über Leipzig gegen mich sehr — einsil¬
big, sehr —- verschwiegen war. Er rühmte Berlin ganz ausnehmend;
wenn man von Leipzig sprach, sprach er von der freundlichen Begeg-
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