Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.fanden wir, außer einigen in Stein gehauenen Wappen, auch Wir wanderten von Lobcvw nach dem Sikornik, einem dicht fanden wir, außer einigen in Stein gehauenen Wappen, auch Wir wanderten von Lobcvw nach dem Sikornik, einem dicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0304" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271565"/> <p xml:id="ID_869" prev="#ID_868"> fanden wir, außer einigen in Stein gehauenen Wappen, auch<lb/> nicht eine Spur mehr, welche an die königlichen Besitzer erinnern<lb/> konnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_870"> Wir wanderten von Lobcvw nach dem Sikornik, einem dicht<lb/> bei Krakau sich erhebenden Berge. Auf diesem befindet sich der be<<lb/> rühmte Kosciuszkohügel. Es ist nämlich bei den Polen eine uralte<lb/> Sitte, das Andenken berühmter Männer dadurch zu verewigen, daß<lb/> man ihnen Hügel, gleichsam Grabhügel, errichtet. Diese müssen<lb/> natürlich von solcher Größe sein, daß sie nicht leicht durch Natur¬<lb/> ereignisse vernichtet werden. Meist sind diese Hügel eiförmig und<lb/> zwar so gelegt, daß die umfangreichere Hälfte gegen Süden zeigt.<lb/> Man findet im Königreiche viele solcher Gedenkhügel, zum Theil in<lb/> Wäldern, wo zum Beweise deS hohen Alters die stärksten Eichen<lb/> aus ihnen hervorgewachsen stehen. Niemand weiß mehr, wessen An¬<lb/> denken diese alten Hügel gelten; sie sind demnach schlecht gewählte<lb/> Mittel zur Veiewigung. Der Kosciuszkohügel — ein ungeheurer<lb/> Aufwand von Kraft war erforderlich, diesen Hügel aufzuthürmen —<lb/> hat Kegelform. Schöner Rasen verleiht ihm das billige, aber<lb/> nimmer veraltende, ewig sich verjüngende grüne Gewand. Ein brei¬<lb/> ter gelber Kiesweg ziehet sich mehre Male um ihn herum bis zu<lb/> seiner abgestumpften Spitze, von der aus man ein Landschaftsbild<lb/> erblickt, dessen Schönheit kaum seines Gleichen haben kann. Die<lb/> Geschichte der Entstehung dieses Hügels ist merkwürdig. Eine heilige<lb/> Gluth erfaßte das polnische Volk, den unglücklichen Helden seines<lb/> Vaterlandes durch ein Denkmal zu verherrlichen. Kein Fürst; das<lb/> Volk! Und dies sammelte nicht Groschen, um bauen zu lassen, son¬<lb/> dern es bauete. Bürger, Gelehrte, Edelleute, Grafen, Alles nahm<lb/> Spaten, Hacke und Schaufel, die niedrige Arbeit als eine Ehren-<lb/> arbeit, eine Pflicht der Dankbarkeit, eine ergötzende Feier vaterlän¬<lb/> discher Heldentugend erachtend, und in wenigen Monaten stand der<lb/> Hügel, dieses riesenhafte Denkmal, da. So sind auch die Wälle,<lb/> Schanzen und Lünetten um Warschau in der Revolution 1830 und<lb/> 1831 entstanden; nicht von Tagelöhnern aufgeworfen, Edelfrauen mit<lb/> ihren Bäuerinnen, Handwerker freiwillig, Gelehrte, Grafen, Be¬<lb/> amte ze. schufen sie. Keiner arbeitete da mühselig um Lohn, Je¬<lb/> der freudig und um's Vaterland und seine Freiheit, Alles schwelgte<lb/> in heiliger Begeisterung.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0304]
fanden wir, außer einigen in Stein gehauenen Wappen, auch
nicht eine Spur mehr, welche an die königlichen Besitzer erinnern
konnte.
Wir wanderten von Lobcvw nach dem Sikornik, einem dicht
bei Krakau sich erhebenden Berge. Auf diesem befindet sich der be<
rühmte Kosciuszkohügel. Es ist nämlich bei den Polen eine uralte
Sitte, das Andenken berühmter Männer dadurch zu verewigen, daß
man ihnen Hügel, gleichsam Grabhügel, errichtet. Diese müssen
natürlich von solcher Größe sein, daß sie nicht leicht durch Natur¬
ereignisse vernichtet werden. Meist sind diese Hügel eiförmig und
zwar so gelegt, daß die umfangreichere Hälfte gegen Süden zeigt.
Man findet im Königreiche viele solcher Gedenkhügel, zum Theil in
Wäldern, wo zum Beweise deS hohen Alters die stärksten Eichen
aus ihnen hervorgewachsen stehen. Niemand weiß mehr, wessen An¬
denken diese alten Hügel gelten; sie sind demnach schlecht gewählte
Mittel zur Veiewigung. Der Kosciuszkohügel — ein ungeheurer
Aufwand von Kraft war erforderlich, diesen Hügel aufzuthürmen —
hat Kegelform. Schöner Rasen verleiht ihm das billige, aber
nimmer veraltende, ewig sich verjüngende grüne Gewand. Ein brei¬
ter gelber Kiesweg ziehet sich mehre Male um ihn herum bis zu
seiner abgestumpften Spitze, von der aus man ein Landschaftsbild
erblickt, dessen Schönheit kaum seines Gleichen haben kann. Die
Geschichte der Entstehung dieses Hügels ist merkwürdig. Eine heilige
Gluth erfaßte das polnische Volk, den unglücklichen Helden seines
Vaterlandes durch ein Denkmal zu verherrlichen. Kein Fürst; das
Volk! Und dies sammelte nicht Groschen, um bauen zu lassen, son¬
dern es bauete. Bürger, Gelehrte, Edelleute, Grafen, Alles nahm
Spaten, Hacke und Schaufel, die niedrige Arbeit als eine Ehren-
arbeit, eine Pflicht der Dankbarkeit, eine ergötzende Feier vaterlän¬
discher Heldentugend erachtend, und in wenigen Monaten stand der
Hügel, dieses riesenhafte Denkmal, da. So sind auch die Wälle,
Schanzen und Lünetten um Warschau in der Revolution 1830 und
1831 entstanden; nicht von Tagelöhnern aufgeworfen, Edelfrauen mit
ihren Bäuerinnen, Handwerker freiwillig, Gelehrte, Grafen, Be¬
amte ze. schufen sie. Keiner arbeitete da mühselig um Lohn, Je¬
der freudig und um's Vaterland und seine Freiheit, Alles schwelgte
in heiliger Begeisterung.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |