Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Schloß befindet sich ein Garten, welcher viele Morgen Landes, aber
wenige Merkwürdigkeiten enthält. Derselbe ist zum Theil Wiese,
zum Theil Park und im Allgemeinen nicht gut gehalten. Zur Zeit
Sobieskis soll er prachtvoll und vornehmlich der Schützling von des¬
sen Gemahlin gewesen sein.

Das Lustschloß Lobe"'>w ist vor etwa fünfhundert Jahren von
Kasimir dem Großen gebaut worden, und soll ursprünglich nicht
mehr gewesen sein als ein einzelnes kleines hölzernes Gebäude von
der Art, wie noch gegenwärtig die sogenannten Paläste des Land¬
adels auf ihren Dörfern sind. Diese sind lange Erdgeschoßhäuser,
deren Dach man mit der Hand beinahe erreichen kann. Sie ent¬
halten einige kleine und einige große Zimmer, einen Saal, der zum
Speisen benutzt wird, und die nöthigen Küchenlocale. Sie besitzen
ferner zwei Thüren, von denen die, welche sich auf der Rückseite
des Gebäudes befindet, allein dem Gesinde und andern Leuten tiefen
Standes offen stehet; die andere, welche sich auf der Vorderseite be¬
findet, ist durch einen um mehrere Ellen hervorragenden Dachvvr-
sprung, der auf hölzernen Säulen ruhet, überbaut und wird nur
von der Herrschaft und von vornehmen Gästen passirt. Solcher Art
soll das von Kasimir erbaute Schloß Lobe">w gewesen sein. Später
hat der König Stephan Batvry dieses hölzerne Gebäude abbrechen
und dafür das steinerne aufführen lassen, welches jetzt noch, obscho"
mehrfach verwandelt, stehet. Denn mehrere der spätern Könige,
vornämlich aber Sigismund III. und SobieSki, nahmen in dem¬
selben bedeutende Aenderungen, ihrem Geschmack und ihrer Bequem¬
lichkeit angemessen, vor. Soviel aber auch jeder änderte und um¬
wandelte, so ist doch das Schloß dadurch von seinem ersten Zu¬
stande ab nicht um einen Schritt der Großartigkeit näher geführt
worden. Es scheint in dieser Hinsicht bei allen seinen königlichen
Besitzern nur ein und dasselbe Gefühl gewaltet zu haben. Ein je¬
der bewohnte es, um sich in ihm recht ein Bürger zu dünken und
zur Abwechselung in diesem bescheidenen Dünken sich glücklich zu
fühlen. Durch Schenkung des Königs Stanislaus August ist das
Schloß im vorigen Jahrhundert an die Universität gekommen und
hat dadurch den besten Zweck erreicht, den es noch erreichen
konnte; Könige können es ja nicht mehr bewohnen, da vorläufig
keine mehr in Polen enstiren. In den Gemächern des Schlosses


38"-

Schloß befindet sich ein Garten, welcher viele Morgen Landes, aber
wenige Merkwürdigkeiten enthält. Derselbe ist zum Theil Wiese,
zum Theil Park und im Allgemeinen nicht gut gehalten. Zur Zeit
Sobieskis soll er prachtvoll und vornehmlich der Schützling von des¬
sen Gemahlin gewesen sein.

Das Lustschloß Lobe«'>w ist vor etwa fünfhundert Jahren von
Kasimir dem Großen gebaut worden, und soll ursprünglich nicht
mehr gewesen sein als ein einzelnes kleines hölzernes Gebäude von
der Art, wie noch gegenwärtig die sogenannten Paläste des Land¬
adels auf ihren Dörfern sind. Diese sind lange Erdgeschoßhäuser,
deren Dach man mit der Hand beinahe erreichen kann. Sie ent¬
halten einige kleine und einige große Zimmer, einen Saal, der zum
Speisen benutzt wird, und die nöthigen Küchenlocale. Sie besitzen
ferner zwei Thüren, von denen die, welche sich auf der Rückseite
des Gebäudes befindet, allein dem Gesinde und andern Leuten tiefen
Standes offen stehet; die andere, welche sich auf der Vorderseite be¬
findet, ist durch einen um mehrere Ellen hervorragenden Dachvvr-
sprung, der auf hölzernen Säulen ruhet, überbaut und wird nur
von der Herrschaft und von vornehmen Gästen passirt. Solcher Art
soll das von Kasimir erbaute Schloß Lobe«>w gewesen sein. Später
hat der König Stephan Batvry dieses hölzerne Gebäude abbrechen
und dafür das steinerne aufführen lassen, welches jetzt noch, obscho»
mehrfach verwandelt, stehet. Denn mehrere der spätern Könige,
vornämlich aber Sigismund III. und SobieSki, nahmen in dem¬
selben bedeutende Aenderungen, ihrem Geschmack und ihrer Bequem¬
lichkeit angemessen, vor. Soviel aber auch jeder änderte und um¬
wandelte, so ist doch das Schloß dadurch von seinem ersten Zu¬
stande ab nicht um einen Schritt der Großartigkeit näher geführt
worden. Es scheint in dieser Hinsicht bei allen seinen königlichen
Besitzern nur ein und dasselbe Gefühl gewaltet zu haben. Ein je¬
der bewohnte es, um sich in ihm recht ein Bürger zu dünken und
zur Abwechselung in diesem bescheidenen Dünken sich glücklich zu
fühlen. Durch Schenkung des Königs Stanislaus August ist das
Schloß im vorigen Jahrhundert an die Universität gekommen und
hat dadurch den besten Zweck erreicht, den es noch erreichen
konnte; Könige können es ja nicht mehr bewohnen, da vorläufig
keine mehr in Polen enstiren. In den Gemächern des Schlosses


38"-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0303" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271564"/>
            <p xml:id="ID_867" prev="#ID_866"> Schloß befindet sich ein Garten, welcher viele Morgen Landes, aber<lb/>
wenige Merkwürdigkeiten enthält. Derselbe ist zum Theil Wiese,<lb/>
zum Theil Park und im Allgemeinen nicht gut gehalten. Zur Zeit<lb/>
Sobieskis soll er prachtvoll und vornehmlich der Schützling von des¬<lb/>
sen Gemahlin gewesen sein.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_868" next="#ID_869"> Das Lustschloß Lobe«'&gt;w ist vor etwa fünfhundert Jahren von<lb/>
Kasimir dem Großen gebaut worden, und soll ursprünglich nicht<lb/>
mehr gewesen sein als ein einzelnes kleines hölzernes Gebäude von<lb/>
der Art, wie noch gegenwärtig die sogenannten Paläste des Land¬<lb/>
adels auf ihren Dörfern sind. Diese sind lange Erdgeschoßhäuser,<lb/>
deren Dach man mit der Hand beinahe erreichen kann. Sie ent¬<lb/>
halten einige kleine und einige große Zimmer, einen Saal, der zum<lb/>
Speisen benutzt wird, und die nöthigen Küchenlocale. Sie besitzen<lb/>
ferner zwei Thüren, von denen die, welche sich auf der Rückseite<lb/>
des Gebäudes befindet, allein dem Gesinde und andern Leuten tiefen<lb/>
Standes offen stehet; die andere, welche sich auf der Vorderseite be¬<lb/>
findet, ist durch einen um mehrere Ellen hervorragenden Dachvvr-<lb/>
sprung, der auf hölzernen Säulen ruhet, überbaut und wird nur<lb/>
von der Herrschaft und von vornehmen Gästen passirt. Solcher Art<lb/>
soll das von Kasimir erbaute Schloß Lobe«&gt;w gewesen sein. Später<lb/>
hat der König Stephan Batvry dieses hölzerne Gebäude abbrechen<lb/>
und dafür das steinerne aufführen lassen, welches jetzt noch, obscho»<lb/>
mehrfach verwandelt, stehet. Denn mehrere der spätern Könige,<lb/>
vornämlich aber Sigismund III. und SobieSki, nahmen in dem¬<lb/>
selben bedeutende Aenderungen, ihrem Geschmack und ihrer Bequem¬<lb/>
lichkeit angemessen, vor. Soviel aber auch jeder änderte und um¬<lb/>
wandelte, so ist doch das Schloß dadurch von seinem ersten Zu¬<lb/>
stande ab nicht um einen Schritt der Großartigkeit näher geführt<lb/>
worden. Es scheint in dieser Hinsicht bei allen seinen königlichen<lb/>
Besitzern nur ein und dasselbe Gefühl gewaltet zu haben. Ein je¬<lb/>
der bewohnte es, um sich in ihm recht ein Bürger zu dünken und<lb/>
zur Abwechselung in diesem bescheidenen Dünken sich glücklich zu<lb/>
fühlen. Durch Schenkung des Königs Stanislaus August ist das<lb/>
Schloß im vorigen Jahrhundert an die Universität gekommen und<lb/>
hat dadurch den besten Zweck erreicht, den es noch erreichen<lb/>
konnte; Könige können es ja nicht mehr bewohnen, da vorläufig<lb/>
keine mehr in Polen enstiren. In den Gemächern des Schlosses</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 38"-</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0303] Schloß befindet sich ein Garten, welcher viele Morgen Landes, aber wenige Merkwürdigkeiten enthält. Derselbe ist zum Theil Wiese, zum Theil Park und im Allgemeinen nicht gut gehalten. Zur Zeit Sobieskis soll er prachtvoll und vornehmlich der Schützling von des¬ sen Gemahlin gewesen sein. Das Lustschloß Lobe«'>w ist vor etwa fünfhundert Jahren von Kasimir dem Großen gebaut worden, und soll ursprünglich nicht mehr gewesen sein als ein einzelnes kleines hölzernes Gebäude von der Art, wie noch gegenwärtig die sogenannten Paläste des Land¬ adels auf ihren Dörfern sind. Diese sind lange Erdgeschoßhäuser, deren Dach man mit der Hand beinahe erreichen kann. Sie ent¬ halten einige kleine und einige große Zimmer, einen Saal, der zum Speisen benutzt wird, und die nöthigen Küchenlocale. Sie besitzen ferner zwei Thüren, von denen die, welche sich auf der Rückseite des Gebäudes befindet, allein dem Gesinde und andern Leuten tiefen Standes offen stehet; die andere, welche sich auf der Vorderseite be¬ findet, ist durch einen um mehrere Ellen hervorragenden Dachvvr- sprung, der auf hölzernen Säulen ruhet, überbaut und wird nur von der Herrschaft und von vornehmen Gästen passirt. Solcher Art soll das von Kasimir erbaute Schloß Lobe«>w gewesen sein. Später hat der König Stephan Batvry dieses hölzerne Gebäude abbrechen und dafür das steinerne aufführen lassen, welches jetzt noch, obscho» mehrfach verwandelt, stehet. Denn mehrere der spätern Könige, vornämlich aber Sigismund III. und SobieSki, nahmen in dem¬ selben bedeutende Aenderungen, ihrem Geschmack und ihrer Bequem¬ lichkeit angemessen, vor. Soviel aber auch jeder änderte und um¬ wandelte, so ist doch das Schloß dadurch von seinem ersten Zu¬ stande ab nicht um einen Schritt der Großartigkeit näher geführt worden. Es scheint in dieser Hinsicht bei allen seinen königlichen Besitzern nur ein und dasselbe Gefühl gewaltet zu haben. Ein je¬ der bewohnte es, um sich in ihm recht ein Bürger zu dünken und zur Abwechselung in diesem bescheidenen Dünken sich glücklich zu fühlen. Durch Schenkung des Königs Stanislaus August ist das Schloß im vorigen Jahrhundert an die Universität gekommen und hat dadurch den besten Zweck erreicht, den es noch erreichen konnte; Könige können es ja nicht mehr bewohnen, da vorläufig keine mehr in Polen enstiren. In den Gemächern des Schlosses 38"-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/303
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/303>, abgerufen am 05.02.2025.