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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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inks die übrigen Alumnen der Reihenfolge nach .in. Tiefer als alle
diese sitzen vor dem Pater die Zuhörer, die noch in kein Colleg ge,
treten oder geborne Römer sind. Die so vertheilten Schüler nehmen
gewöhnlich kaum den halben Raum der außerordentlich großen Hör-
säle in Anspruch; in der andern Hälfte sind die Bänke so aufge.
stellt, daß immer je zehn und zehn in einem abgesonderten Kreise
Platz nehmen können. Hier werden die sogenannten Liiculi sctw-
Instici gehalten, auf die ich später zurückkomme.

So viel zur Lo-kalkenntniß deS Schauplatzes, auf den ich jetzt
meine Leser führen will.




Unmittelbar nach den Einkleidungsceremonieen, die ich am
Schlüsse der zweiten Abtheilung erwähnt, begann das Schuljahr.
Dies ist so einförmig, daß ich meinen Lesern durch Vorführung ei¬
nes einzigen Tages den ganzen sechs bis siebenjährigen Lchrcursus
charakterisiren kann. -- Ungefähr um 5 Uhr in der Frühe nach denk"
scher Rechnung wird in deS Zöglings Zelle gerufen: "I^"u6etur ^<z-
sus vt Naria!" -- .,5inne ot semper. ^neu!^ ist die Antwort
des Zöglings. Eine Viertelstunde nachher muß er angekleidet sein,
und sich zu einem stillen Morgengebet im Saccllum eingefunden ha¬
ben, worauf er in seine Zelle zurückkehrt, hier am Betstuhl nieder-
kniee, und eine halbe Stunde lang in geistliche Betrachtungen ver¬
sinkt. Der grelle Ton einer Campanella zeigt das Ende derselben
an. Der Zögling schreitet zum zweiten Male niedergesenkten Blickes
und stumm aus seiner Zelle. Sobald sich alle paarweis aufgestellt,
giebt der Pedell das Zeichen zum Aufbruch. Lautlos bewegt sich
der Zug nun in die Hauskapelle, hier wird Messe geHallen, welche
drei Viertelstunden dauert. In der angegebenen Ordnung geht eS
jetzt in den Speisesaal. Jeder genießt hier schweigend sein Glas
Caffee mit einem Stück Weißbrod. Nun folgt vor dem Altar des
Ganges die sogenannte kleine Adoration der Jungfrau Maria, wor¬
auf sich jeder Alumne nach seiner Zelle zurückzieht, stets niederge¬
beugten Blickes und stumm. Er hat jetzt sein Bett selbst zu ord¬
nen, Zimmer, Schuh und Kleider zu reinigen. Davon ist "aus
christlicher Demuth" keiner dispensirt, er mag hoch oder nied¬
rig geboren sein. Nach Beendigung dieses Geschäfts muß er die
bis zum Schulanfang noch freie Zeit, die selten über eine halbe


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inks die übrigen Alumnen der Reihenfolge nach .in. Tiefer als alle
diese sitzen vor dem Pater die Zuhörer, die noch in kein Colleg ge,
treten oder geborne Römer sind. Die so vertheilten Schüler nehmen
gewöhnlich kaum den halben Raum der außerordentlich großen Hör-
säle in Anspruch; in der andern Hälfte sind die Bänke so aufge.
stellt, daß immer je zehn und zehn in einem abgesonderten Kreise
Platz nehmen können. Hier werden die sogenannten Liiculi sctw-
Instici gehalten, auf die ich später zurückkomme.

So viel zur Lo-kalkenntniß deS Schauplatzes, auf den ich jetzt
meine Leser führen will.




Unmittelbar nach den Einkleidungsceremonieen, die ich am
Schlüsse der zweiten Abtheilung erwähnt, begann das Schuljahr.
Dies ist so einförmig, daß ich meinen Lesern durch Vorführung ei¬
nes einzigen Tages den ganzen sechs bis siebenjährigen Lchrcursus
charakterisiren kann. — Ungefähr um 5 Uhr in der Frühe nach denk»
scher Rechnung wird in deS Zöglings Zelle gerufen: „I^»u6etur ^<z-
sus vt Naria!" — .,5inne ot semper. ^neu!^ ist die Antwort
des Zöglings. Eine Viertelstunde nachher muß er angekleidet sein,
und sich zu einem stillen Morgengebet im Saccllum eingefunden ha¬
ben, worauf er in seine Zelle zurückkehrt, hier am Betstuhl nieder-
kniee, und eine halbe Stunde lang in geistliche Betrachtungen ver¬
sinkt. Der grelle Ton einer Campanella zeigt das Ende derselben
an. Der Zögling schreitet zum zweiten Male niedergesenkten Blickes
und stumm aus seiner Zelle. Sobald sich alle paarweis aufgestellt,
giebt der Pedell das Zeichen zum Aufbruch. Lautlos bewegt sich
der Zug nun in die Hauskapelle, hier wird Messe geHallen, welche
drei Viertelstunden dauert. In der angegebenen Ordnung geht eS
jetzt in den Speisesaal. Jeder genießt hier schweigend sein Glas
Caffee mit einem Stück Weißbrod. Nun folgt vor dem Altar des
Ganges die sogenannte kleine Adoration der Jungfrau Maria, wor¬
auf sich jeder Alumne nach seiner Zelle zurückzieht, stets niederge¬
beugten Blickes und stumm. Er hat jetzt sein Bett selbst zu ord¬
nen, Zimmer, Schuh und Kleider zu reinigen. Davon ist „aus
christlicher Demuth" keiner dispensirt, er mag hoch oder nied¬
rig geboren sein. Nach Beendigung dieses Geschäfts muß er die
bis zum Schulanfang noch freie Zeit, die selten über eine halbe


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[0253] inks die übrigen Alumnen der Reihenfolge nach .in. Tiefer als alle diese sitzen vor dem Pater die Zuhörer, die noch in kein Colleg ge, treten oder geborne Römer sind. Die so vertheilten Schüler nehmen gewöhnlich kaum den halben Raum der außerordentlich großen Hör- säle in Anspruch; in der andern Hälfte sind die Bänke so aufge. stellt, daß immer je zehn und zehn in einem abgesonderten Kreise Platz nehmen können. Hier werden die sogenannten Liiculi sctw- Instici gehalten, auf die ich später zurückkomme. So viel zur Lo-kalkenntniß deS Schauplatzes, auf den ich jetzt meine Leser führen will. Unmittelbar nach den Einkleidungsceremonieen, die ich am Schlüsse der zweiten Abtheilung erwähnt, begann das Schuljahr. Dies ist so einförmig, daß ich meinen Lesern durch Vorführung ei¬ nes einzigen Tages den ganzen sechs bis siebenjährigen Lchrcursus charakterisiren kann. — Ungefähr um 5 Uhr in der Frühe nach denk» scher Rechnung wird in deS Zöglings Zelle gerufen: „I^»u6etur ^<z- sus vt Naria!" — .,5inne ot semper. ^neu!^ ist die Antwort des Zöglings. Eine Viertelstunde nachher muß er angekleidet sein, und sich zu einem stillen Morgengebet im Saccllum eingefunden ha¬ ben, worauf er in seine Zelle zurückkehrt, hier am Betstuhl nieder- kniee, und eine halbe Stunde lang in geistliche Betrachtungen ver¬ sinkt. Der grelle Ton einer Campanella zeigt das Ende derselben an. Der Zögling schreitet zum zweiten Male niedergesenkten Blickes und stumm aus seiner Zelle. Sobald sich alle paarweis aufgestellt, giebt der Pedell das Zeichen zum Aufbruch. Lautlos bewegt sich der Zug nun in die Hauskapelle, hier wird Messe geHallen, welche drei Viertelstunden dauert. In der angegebenen Ordnung geht eS jetzt in den Speisesaal. Jeder genießt hier schweigend sein Glas Caffee mit einem Stück Weißbrod. Nun folgt vor dem Altar des Ganges die sogenannte kleine Adoration der Jungfrau Maria, wor¬ auf sich jeder Alumne nach seiner Zelle zurückzieht, stets niederge¬ beugten Blickes und stumm. Er hat jetzt sein Bett selbst zu ord¬ nen, Zimmer, Schuh und Kleider zu reinigen. Davon ist „aus christlicher Demuth" keiner dispensirt, er mag hoch oder nied¬ rig geboren sein. Nach Beendigung dieses Geschäfts muß er die bis zum Schulanfang noch freie Zeit, die selten über eine halbe Nrcnzbotrn, 1»4ö. IV. >I2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/253>, abgerufen am 05.02.2025.