Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.tagStafel. Dem Mahle ging wie ein Herold ein Branntweintrunk Ich würde das Mahl, welches den bedeutenden Umfang von tagStafel. Dem Mahle ging wie ein Herold ein Branntweintrunk Ich würde das Mahl, welches den bedeutenden Umfang von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0021" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271282"/> <p xml:id="ID_39" prev="#ID_38"> tagStafel. Dem Mahle ging wie ein Herold ein Branntweintrunk<lb/> voran. Der Graf trank mit einem schnellen Zuge ein ziemlich gro¬<lb/> ßes Weinglas des geistigen LiqeurS aus, und reichte mir darauf<lb/> mit dem gebräuchlichen Gesundheitswunsche dasselbe Glas von Neuem<lb/> gefüllt. Ich lernte eS, denn ich war in Polen, und in der Ueber¬<lb/> zeugung, daß man sich der Sitte des Landes, in welchem man<lb/> weilt, am allerwenigsten als Fremder entziehe, ohne sich lächerlich<lb/> und verhaßt za machen. Auch die Gräfin und die beiden wunder--<lb/> lieben Fräuleins huldigten der Branntweinsitte, jedoch aus etwas<lb/> kleineren Gläsern. Um deutschen Vorurtheilen zu begegnen, muß ich<lb/> aber hier bemerken, daß der Branntwein, der an der gräflichen Ta¬<lb/> fel von dem Mahle genossen wurde, solcher Art war, daß ihn ge¬<lb/> wiß auch die zärtlichste deutsche Dame mit großem Wohlgefallen ZU<lb/> sich genommen haben würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_40" next="#ID_41"> Ich würde das Mahl, welches den bedeutenden Umfang von<lb/> zehn Gerichten besaß, nicht einer Erwähnung werth halten, wein, es<lb/> sich nicht in einer Hinsicht sehr lobenswert!) von unseren deutschen<lb/> Mahlen unterschiede, und in dieser den Beweis lieferte, daß der Pole<lb/> bis zu den hohen Regionen der Volksgesellschaft hinauf ein sehr na¬<lb/> türliches, ein dem Lande ganz angemessenes Leben führe. So viel<lb/> das Mahl auch Gerichte besaß, so war doch keines dabei, an wel¬<lb/> chem auch nur eine Spur fremdländischer Gewürze sich befunden hätte.<lb/> Wenn ich mich nicht sehr getäuscht habe, so war selbst Zucker ver¬<lb/> mieden, und durch verfeinerten Möhrensaft ersetzt. Von jenen süd¬<lb/> ländischen Gewürzen, durch welche wir Deutsche unseren Gaumen<lb/> zu kitzeln suchen und unsere Geldbeutel und Nerven schwächen, weiß<lb/> der Pole nichts, oder mag wenigstens nichts wissen. Was ihm sein<lb/> Vaterland liefert, ist ihm das Liebste. Im Wald und auf den Wie¬<lb/> sen weiß er Gewächse zu finden, die ihm die ausländischen Gewürze<lb/> ersetzen und entbehrlich machen. Diese Gewächse besitzen wir auch<lb/> in Deutschland; aber wir kennen ihren Werth nicht oder mögen ihn<lb/> nicht achten, weil uns Indisches besser dünkt. Nur das, was das<lb/> Polnische Land liefert, gebraucht der Pole für sein Mahl. Da der<lb/> Gartenbau sehr zurück ist, so macht er sich mit Gemüsen wenig zu<lb/> schaffen. Der Getreidebau ist in Polen vortrefflich, und so findet<lb/> man denn auf der Tafel des Polen viele Mehlspeisen, und zwar<lb/> diese in einer Vielfältigkeit und Vortrefflichkeit, daß man als Deut-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0021]
tagStafel. Dem Mahle ging wie ein Herold ein Branntweintrunk
voran. Der Graf trank mit einem schnellen Zuge ein ziemlich gro¬
ßes Weinglas des geistigen LiqeurS aus, und reichte mir darauf
mit dem gebräuchlichen Gesundheitswunsche dasselbe Glas von Neuem
gefüllt. Ich lernte eS, denn ich war in Polen, und in der Ueber¬
zeugung, daß man sich der Sitte des Landes, in welchem man
weilt, am allerwenigsten als Fremder entziehe, ohne sich lächerlich
und verhaßt za machen. Auch die Gräfin und die beiden wunder--
lieben Fräuleins huldigten der Branntweinsitte, jedoch aus etwas
kleineren Gläsern. Um deutschen Vorurtheilen zu begegnen, muß ich
aber hier bemerken, daß der Branntwein, der an der gräflichen Ta¬
fel von dem Mahle genossen wurde, solcher Art war, daß ihn ge¬
wiß auch die zärtlichste deutsche Dame mit großem Wohlgefallen ZU
sich genommen haben würde.
Ich würde das Mahl, welches den bedeutenden Umfang von
zehn Gerichten besaß, nicht einer Erwähnung werth halten, wein, es
sich nicht in einer Hinsicht sehr lobenswert!) von unseren deutschen
Mahlen unterschiede, und in dieser den Beweis lieferte, daß der Pole
bis zu den hohen Regionen der Volksgesellschaft hinauf ein sehr na¬
türliches, ein dem Lande ganz angemessenes Leben führe. So viel
das Mahl auch Gerichte besaß, so war doch keines dabei, an wel¬
chem auch nur eine Spur fremdländischer Gewürze sich befunden hätte.
Wenn ich mich nicht sehr getäuscht habe, so war selbst Zucker ver¬
mieden, und durch verfeinerten Möhrensaft ersetzt. Von jenen süd¬
ländischen Gewürzen, durch welche wir Deutsche unseren Gaumen
zu kitzeln suchen und unsere Geldbeutel und Nerven schwächen, weiß
der Pole nichts, oder mag wenigstens nichts wissen. Was ihm sein
Vaterland liefert, ist ihm das Liebste. Im Wald und auf den Wie¬
sen weiß er Gewächse zu finden, die ihm die ausländischen Gewürze
ersetzen und entbehrlich machen. Diese Gewächse besitzen wir auch
in Deutschland; aber wir kennen ihren Werth nicht oder mögen ihn
nicht achten, weil uns Indisches besser dünkt. Nur das, was das
Polnische Land liefert, gebraucht der Pole für sein Mahl. Da der
Gartenbau sehr zurück ist, so macht er sich mit Gemüsen wenig zu
schaffen. Der Getreidebau ist in Polen vortrefflich, und so findet
man denn auf der Tafel des Polen viele Mehlspeisen, und zwar
diese in einer Vielfältigkeit und Vortrefflichkeit, daß man als Deut-
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