Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.stark bezweifeln. Einen Beweis von diesem Streben, das freilich nur Als der Graf und ich in dem Dorfe hingingen, begegneten uns "HcrrI frage einmal einen von den Kerlen, waS die Polen Es ist wohl keinem Zweifel unterworfen, daß aus der Kennntiß Gewiß tragen diese patriotischen Bestrebungen in Polen, so ver¬ Gegen fünf Uhr am Nachmittag setzten wir uns an die Mit- stark bezweifeln. Einen Beweis von diesem Streben, das freilich nur Als der Graf und ich in dem Dorfe hingingen, begegneten uns „HcrrI frage einmal einen von den Kerlen, waS die Polen Es ist wohl keinem Zweifel unterworfen, daß aus der Kennntiß Gewiß tragen diese patriotischen Bestrebungen in Polen, so ver¬ Gegen fünf Uhr am Nachmittag setzten wir uns an die Mit- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0020" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271281"/> <p xml:id="ID_33" prev="#ID_32"> stark bezweifeln. Einen Beweis von diesem Streben, das freilich nur<lb/> geheim und leise agiren darf, erhielt ich an eben dem Tage, den ich<lb/> beschreibe:</p><lb/> <p xml:id="ID_34"> Als der Graf und ich in dem Dorfe hingingen, begegneten uns<lb/> mehre Bauern, die mit ihren mit Ochsen bespannten Pflügen auf das<lb/> Feld zogen.</p><lb/> <p xml:id="ID_35"> „HcrrI frage einmal einen von den Kerlen, waS die Polen<lb/> unter dem König Lokiotek oder LobicSki gethan, oder was Kasimir<lb/> der Große gestiftet," sagte der Graf zu mir, und in ihm zeigte sich<lb/> nicht wenig von dem Stolze, den Lehrer sehen lassen, wenn ihre<lb/> Schulkinder viel wissen. Ich nahm natürlich die Aufforderung des<lb/> Grafen für das, was sie war: und eraminirte die Leute nicht;<lb/> konnte aber nicht bezweifeln, daß dieselben das Eramen würden be¬<lb/> standen haben. Der Gouverneur des Sohnes des Grafen hatte mir<lb/> in Warschau schon erzählt, der Graf lasse seine Bauern bet jeder<lb/> passenden Gelegenheit — natürlich unterhaltungsweise — in der<lb/> vaterländischen Geschichte unterrichten. Alljährlich entziehe er dann<lb/> Mehrer ihre Bauerwirthschaften, um sie dadurch zu zwingen, sich in<lb/> andere Dörfer zu übersiedeln und dort ihr Wissen zu verbreiten, und<lb/> ihre erweckten Empfindungen mitzutheilen.</p><lb/> <p xml:id="ID_36"> Es ist wohl keinem Zweifel unterworfen, daß aus der Kennntiß<lb/> der vaterländischen Geschichte den polnischen Bauern sowohl eine ge¬<lb/> wisse sittliche und geistige Bildung, als auch Vaterlandsliebe und<lb/> Nationalgefühl erwachsen, welche letzten auf der Bildung eine fort¬<lb/> reißende Kraft gewinnen müssen. Der Graf war davon überzeugt,<lb/> wie sein Schaffen bewies, und noch viele polnische Grundherren mö¬<lb/> gen davon überzeugt sein, und nach dieser Ueberzeugung für das<lb/> Waterland wirken.</p><lb/> <p xml:id="ID_37"> Gewiß tragen diese patriotischen Bestrebungen in Polen, so ver¬<lb/> deckt, so heimlich sie sich auch halten müssen, dem polnischen Reiche<lb/> ihre heilsamen Früchte, und mit der Zeit um so schneller, je mehr<lb/> mit ihr die Bestrebungen Nachahmung finden und allgemein werden.<lb/> Ich bin überzeugt, wenn nach einem Jahrhundert in Polen ein Auf¬<lb/> stand z r alten Ehre und Freiheit stattfindet, so wird dieser ein all¬<lb/> gemeiner Volksaufstand sein, dessen Fahne von drei Reichen wie<lb/> Rußland nicht wird niedergebeugt werden können.</p><lb/> <p xml:id="ID_38" next="#ID_39"> Gegen fünf Uhr am Nachmittag setzten wir uns an die Mit-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0020]
stark bezweifeln. Einen Beweis von diesem Streben, das freilich nur
geheim und leise agiren darf, erhielt ich an eben dem Tage, den ich
beschreibe:
Als der Graf und ich in dem Dorfe hingingen, begegneten uns
mehre Bauern, die mit ihren mit Ochsen bespannten Pflügen auf das
Feld zogen.
„HcrrI frage einmal einen von den Kerlen, waS die Polen
unter dem König Lokiotek oder LobicSki gethan, oder was Kasimir
der Große gestiftet," sagte der Graf zu mir, und in ihm zeigte sich
nicht wenig von dem Stolze, den Lehrer sehen lassen, wenn ihre
Schulkinder viel wissen. Ich nahm natürlich die Aufforderung des
Grafen für das, was sie war: und eraminirte die Leute nicht;
konnte aber nicht bezweifeln, daß dieselben das Eramen würden be¬
standen haben. Der Gouverneur des Sohnes des Grafen hatte mir
in Warschau schon erzählt, der Graf lasse seine Bauern bet jeder
passenden Gelegenheit — natürlich unterhaltungsweise — in der
vaterländischen Geschichte unterrichten. Alljährlich entziehe er dann
Mehrer ihre Bauerwirthschaften, um sie dadurch zu zwingen, sich in
andere Dörfer zu übersiedeln und dort ihr Wissen zu verbreiten, und
ihre erweckten Empfindungen mitzutheilen.
Es ist wohl keinem Zweifel unterworfen, daß aus der Kennntiß
der vaterländischen Geschichte den polnischen Bauern sowohl eine ge¬
wisse sittliche und geistige Bildung, als auch Vaterlandsliebe und
Nationalgefühl erwachsen, welche letzten auf der Bildung eine fort¬
reißende Kraft gewinnen müssen. Der Graf war davon überzeugt,
wie sein Schaffen bewies, und noch viele polnische Grundherren mö¬
gen davon überzeugt sein, und nach dieser Ueberzeugung für das
Waterland wirken.
Gewiß tragen diese patriotischen Bestrebungen in Polen, so ver¬
deckt, so heimlich sie sich auch halten müssen, dem polnischen Reiche
ihre heilsamen Früchte, und mit der Zeit um so schneller, je mehr
mit ihr die Bestrebungen Nachahmung finden und allgemein werden.
Ich bin überzeugt, wenn nach einem Jahrhundert in Polen ein Auf¬
stand z r alten Ehre und Freiheit stattfindet, so wird dieser ein all¬
gemeiner Volksaufstand sein, dessen Fahne von drei Reichen wie
Rußland nicht wird niedergebeugt werden können.
Gegen fünf Uhr am Nachmittag setzten wir uns an die Mit-
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