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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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lich auf die Aktienvapierc beschränkt, mit welchen ein arger Schwindel
getrieben wird. Diesem kann kaum durch irgend eine Maßregel der
Regierung gesteuert werden, wenn auch die Beschränkung des Cre¬
dits der großen Bankhauser bei der Nationalbank in Folge einer An¬
ordnung des Hofkammerpräsioentcn Baron Kübeck vor der Hand ei¬
nen wohlthätigen Rückgang der ins Blaue betriebenen Geschäfte be¬
wirket hat und auf der andern Seite durch die Bestimmung, daß bis
zum Jahre 1,850 keine neue Elsenbahnkonzession ertheilt werden soll,
die Quelle jener haltlosen Spekulationen verstopft wird, deren Begün¬
stigung ohne Zweifel in kurzer Frist der Industrie und dem vielen
Handel die so nothwendigen Capitalien entzogen haben würde. Wie
traurig muß es aber mit der Lage von Leuten stehen, deren Glücks¬
zustande von der tumultuarischen Laune einer fremden Wolksmasse
abhängig sind, und für die ein Raufhandel bei Ballspiel im Kirchen¬
staat so verderblich sein kann! Denn darin stimmen alle Nachrich-
trn vollkommen überein, daß die Unruhen sehr kleinlicher Natur ge¬
wesen sind, und selbst im schlimmsten Falle ist ein italienischer Aufstand
für den allgemeinen Frieden so bedeutungslos, daß die Nachricht da¬
von höchstens ein paar österreichische Lieutenants in Aufregung brin¬
gen könnte, welche auf eine wohlfeile Art das schöne Italien durch¬
ziehen möchten.

Oesterreich hält jetzt nach der Räumung von Bologna nur noch
die Citadelle von Ferrara und die Festung Comachio am Po besetzt.
Die Garnison in Ferrara ist blos aus die Citadelle beschränkt und in
der Stadt selbst sind päpstliche Truppen, meist Schweizer, stationirt.
Comachio ist zugleich ein Brückenkops am Po und verdient in dieser
Beziehung ganz vorzügliche Aufmerksamkeit, indem es den Schlüssel
von Oberitalien bildet. Doch ist es dergestalt von der Natur befe¬
stigt, daß an eine Bezwingung unter gewöhnlichen Verhältnissen gar
nicht zu denken, und im Jahre 18 !Ä wurde dieser Platz von einem
Lieutenant mit geringer Mannschaft gegen die italienische Armee un¬
ter Murat vertheidigt; denn aus drei Seiten umspült die See die Fe¬
stungswerke, und die Lagunen machen die Annäherung von Kriegs¬
schiffen unmöglich. Die Besatzung hat blos gegen einen innern Feind
zu kämpfen, der ihre Reihen unablässig lichtet, ohne daß er mit be¬
waffneter Faust zu besiegen wäre. Dieser furchtbare Feind ist das
Fieber, welches besonders in dem Sommermonaten hier wüthet und
die gesündesten Männer in wenig Stunden auf das Leichenbrett
streckt. Das Wasser muß auf Fahrzeugen vom festen Lande herbei¬
geschafft werden, will man nicht eine allgemeine Sterblichkeit herbei¬
führen, und die bösartige Seuche hat in etwas nachgelassen, seitdem
man die Vorsicht gebraucht in die Mauern dieses gefürchteten Platzes
nur solche ungarische Truppen zu le^en, deren Werbbezirk in die sum¬
pfigen Niederungen des moorreichen Donaulandes fallen, und die dem-


lich auf die Aktienvapierc beschränkt, mit welchen ein arger Schwindel
getrieben wird. Diesem kann kaum durch irgend eine Maßregel der
Regierung gesteuert werden, wenn auch die Beschränkung des Cre¬
dits der großen Bankhauser bei der Nationalbank in Folge einer An¬
ordnung des Hofkammerpräsioentcn Baron Kübeck vor der Hand ei¬
nen wohlthätigen Rückgang der ins Blaue betriebenen Geschäfte be¬
wirket hat und auf der andern Seite durch die Bestimmung, daß bis
zum Jahre 1,850 keine neue Elsenbahnkonzession ertheilt werden soll,
die Quelle jener haltlosen Spekulationen verstopft wird, deren Begün¬
stigung ohne Zweifel in kurzer Frist der Industrie und dem vielen
Handel die so nothwendigen Capitalien entzogen haben würde. Wie
traurig muß es aber mit der Lage von Leuten stehen, deren Glücks¬
zustande von der tumultuarischen Laune einer fremden Wolksmasse
abhängig sind, und für die ein Raufhandel bei Ballspiel im Kirchen¬
staat so verderblich sein kann! Denn darin stimmen alle Nachrich-
trn vollkommen überein, daß die Unruhen sehr kleinlicher Natur ge¬
wesen sind, und selbst im schlimmsten Falle ist ein italienischer Aufstand
für den allgemeinen Frieden so bedeutungslos, daß die Nachricht da¬
von höchstens ein paar österreichische Lieutenants in Aufregung brin¬
gen könnte, welche auf eine wohlfeile Art das schöne Italien durch¬
ziehen möchten.

Oesterreich hält jetzt nach der Räumung von Bologna nur noch
die Citadelle von Ferrara und die Festung Comachio am Po besetzt.
Die Garnison in Ferrara ist blos aus die Citadelle beschränkt und in
der Stadt selbst sind päpstliche Truppen, meist Schweizer, stationirt.
Comachio ist zugleich ein Brückenkops am Po und verdient in dieser
Beziehung ganz vorzügliche Aufmerksamkeit, indem es den Schlüssel
von Oberitalien bildet. Doch ist es dergestalt von der Natur befe¬
stigt, daß an eine Bezwingung unter gewöhnlichen Verhältnissen gar
nicht zu denken, und im Jahre 18 !Ä wurde dieser Platz von einem
Lieutenant mit geringer Mannschaft gegen die italienische Armee un¬
ter Murat vertheidigt; denn aus drei Seiten umspült die See die Fe¬
stungswerke, und die Lagunen machen die Annäherung von Kriegs¬
schiffen unmöglich. Die Besatzung hat blos gegen einen innern Feind
zu kämpfen, der ihre Reihen unablässig lichtet, ohne daß er mit be¬
waffneter Faust zu besiegen wäre. Dieser furchtbare Feind ist das
Fieber, welches besonders in dem Sommermonaten hier wüthet und
die gesündesten Männer in wenig Stunden auf das Leichenbrett
streckt. Das Wasser muß auf Fahrzeugen vom festen Lande herbei¬
geschafft werden, will man nicht eine allgemeine Sterblichkeit herbei¬
führen, und die bösartige Seuche hat in etwas nachgelassen, seitdem
man die Vorsicht gebraucht in die Mauern dieses gefürchteten Platzes
nur solche ungarische Truppen zu le^en, deren Werbbezirk in die sum¬
pfigen Niederungen des moorreichen Donaulandes fallen, und die dem-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/144>, abgerufen am 05.02.2025.