Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.gekommen: ich spreche von dem Oociato in L^illo (Kreuzfahrer in Hier endet die zweite Epoche von Meyerbeer's musicalischer Laufbahn; gekommen: ich spreche von dem Oociato in L^illo (Kreuzfahrer in Hier endet die zweite Epoche von Meyerbeer's musicalischer Laufbahn; <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0132" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271393"/> <p xml:id="ID_310" prev="#ID_309"> gekommen: ich spreche von dem Oociato in L^illo (Kreuzfahrer in<lb/> Egypten), welcher zum ersten Male im Jahre 1825 auf dem Thea¬<lb/> ter <Jo I-i, k'vnico zu Venedig aufgeführt wurde. Der Erfolg war<lb/> ungeheuer; der Komponist, mit Beifall und Kränzen bedeckt, reiste<lb/> selbst, um sein Stück auf den andern Bühnen Italiens in Scene zu<lb/> setzen. Karl X. lud den Componisten ein, zur Aufführung seiner Oper<lb/> auf dem Theater I^vin-t nach Paris zu kommen. Meyerbeer reiste imJahre<lb/> 1826 nach Paris, wo der Lrociü.ro mit Madame Pasta einen wun¬<lb/> derbaren Erfolg hatte. Von da ging der Oociuto über den Rhein, durch¬<lb/> lief die verschiedenen Theater Europa's und blieb erst in Brasilien stehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_311" next="#ID_312"> Hier endet die zweite Epoche von Meyerbeer's musicalischer Laufbahn;<lb/> er reist im Jahre 1827 nach Berlin, wo er sich verheiratet; er<lb/> verliert nach einander die zwei in dieser Ehe erzeugten Kinder, und<lb/> zieht sich in seinem Schmerze auss Land zurück, wo er zwei<lb/> Jahre einsam und gesammelt verbringt; diesen zwei Jahren des Nach¬<lb/> denkens und der Traurigkeit schreiben viele die Umwälzung zu, welche<lb/> mit dem Talente des berühmten Meisters vorging. Zwischen dem<lb/> Componisten des Oocmto und dem des Robert'der Teufel ist eine<lb/> ungeheure Kluft, es ist eine sast vollkommene Umgestaltung. Im<lb/> Anfange seiner Laufbahn trat Meyerbeer mit dem ganzen Ernste der<lb/> strengsten deutschen Schule auf. Die Wissenschaft allein herrscht in<lb/> seinen ersten Compositionen, man würde in denselben vergeblich jenes<lb/> heilige Feuer suchen, welches allein die Menge für die Schönheiten<lb/> der Kunst empfänglich macht. Der Aufenthalt in Italien führte ihn<lb/> auf specielle Studien über das für die dramatische Musik wichtigste<lb/> Instrument, die menschliche Stimme, eröffnete ihm tausend neue<lb/> Mittel, und einen ganzen bisher ungeahnten Gesichtskreis melodi¬<lb/> scher Schöpfungen; und doch war es keineswegs die italienische<lb/> Manier, in welcher daS Genie des großen Musikers vollends zu<lb/> Fleisch und Blut werden konnte. Ungeachtet aller seiner Bemühun¬<lb/> gen, die Leichtigkeit, Geschmeidigkeit, Einfachheit und Faßlichkeit<lb/> der italienischen Melodie zu erreichen, behält Meyerbeer's Bewegen<lb/> in dieser fremden Sphäre noch immer die deutsche Widerspenstigkeit.<lb/> Die Wissenschaft und der Ernst tödten in derselben den Leichtsinn<lb/> und die Anmuth. Hier werden ihm die meisten Vorzüge eines<lb/> deutschen Componisten nutzlos und sogar schädlich. Die Gabe der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0132]
gekommen: ich spreche von dem Oociato in L^illo (Kreuzfahrer in
Egypten), welcher zum ersten Male im Jahre 1825 auf dem Thea¬
ter <Jo I-i, k'vnico zu Venedig aufgeführt wurde. Der Erfolg war
ungeheuer; der Komponist, mit Beifall und Kränzen bedeckt, reiste
selbst, um sein Stück auf den andern Bühnen Italiens in Scene zu
setzen. Karl X. lud den Componisten ein, zur Aufführung seiner Oper
auf dem Theater I^vin-t nach Paris zu kommen. Meyerbeer reiste imJahre
1826 nach Paris, wo der Lrociü.ro mit Madame Pasta einen wun¬
derbaren Erfolg hatte. Von da ging der Oociuto über den Rhein, durch¬
lief die verschiedenen Theater Europa's und blieb erst in Brasilien stehen.
Hier endet die zweite Epoche von Meyerbeer's musicalischer Laufbahn;
er reist im Jahre 1827 nach Berlin, wo er sich verheiratet; er
verliert nach einander die zwei in dieser Ehe erzeugten Kinder, und
zieht sich in seinem Schmerze auss Land zurück, wo er zwei
Jahre einsam und gesammelt verbringt; diesen zwei Jahren des Nach¬
denkens und der Traurigkeit schreiben viele die Umwälzung zu, welche
mit dem Talente des berühmten Meisters vorging. Zwischen dem
Componisten des Oocmto und dem des Robert'der Teufel ist eine
ungeheure Kluft, es ist eine sast vollkommene Umgestaltung. Im
Anfange seiner Laufbahn trat Meyerbeer mit dem ganzen Ernste der
strengsten deutschen Schule auf. Die Wissenschaft allein herrscht in
seinen ersten Compositionen, man würde in denselben vergeblich jenes
heilige Feuer suchen, welches allein die Menge für die Schönheiten
der Kunst empfänglich macht. Der Aufenthalt in Italien führte ihn
auf specielle Studien über das für die dramatische Musik wichtigste
Instrument, die menschliche Stimme, eröffnete ihm tausend neue
Mittel, und einen ganzen bisher ungeahnten Gesichtskreis melodi¬
scher Schöpfungen; und doch war es keineswegs die italienische
Manier, in welcher daS Genie des großen Musikers vollends zu
Fleisch und Blut werden konnte. Ungeachtet aller seiner Bemühun¬
gen, die Leichtigkeit, Geschmeidigkeit, Einfachheit und Faßlichkeit
der italienischen Melodie zu erreichen, behält Meyerbeer's Bewegen
in dieser fremden Sphäre noch immer die deutsche Widerspenstigkeit.
Die Wissenschaft und der Ernst tödten in derselben den Leichtsinn
und die Anmuth. Hier werden ihm die meisten Vorzüge eines
deutschen Componisten nutzlos und sogar schädlich. Die Gabe der
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