Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

Welt wird ihre Stücke wenig, das Theater wird sie gar nicht berück¬
sichtigen, warum verweilen Sie nicht in den ewig milden Fluren der
Lyrik und Romantik? Warum wollen Sie sich in die kalte Sphäre
des Dramas hinauswagen? Sie bleiben dann ja doch nur ein
Fremdling darin!

Dichter. Mag ich dort ein Fremdling bleiben; auch der,
den eine mächtige, feurige Sehnsucht zu den zauberschönen Urwal-
dungen Amerikas hintreibt, auch e r weiß es, daß er dort unstät um¬
herwandeln muß, daß sich kein wirthliches Dach über ihn wölbt, und
doch läßt ihn der innere Drang nicht rasten, bis er sie erreicht hat.
Mich zieht eine unaussprechliche Liebe zum Drama, ich folge ihr
und sage mit freudigem Muthe: "Hier stehe ich, ich kann nicht an¬
ders! Gott helfe mir! Amen!"

Director. Das ist lobenswerth, sehr lobenswert!)!

Alle, (außer dem Publicum und dem Redacteur.) Ja wohl!
ja wohl!

Das Publicum (ist während der Gespräche, von tiefer Schlaf¬
lust ergriffen, nach und nach eingenickt, wird aber von dem lauten
Ruf emporgeschreckt und sagt schläfrig: "Ja wohl!" Dann fallen ihm
die Augen wieder zu.)

Legationöattach <5. Ein solcher Eifer verdient Ermunterung
und Förderung in unserer kühlen Zeit. Ich will bei Hofe ein Wört¬
chen davon fallen lassen. Wir wollen dem Dichter rathend zur Seite
stehen, auf daß er das Rechte finden möge. Fräulein von Blüthen-
Hauch, haben Sie die Güte, zuerst Ihre Meinung auszusprechen.

Fräulein. Ich stimme stets für Romantik!

Professor. Um'ö Himmels willen nicht! Nur Classicität. .
reine Classicität!

Director. Das sind schon zwei ganz entgegengesetzte Ansichten.

Redacteur. Die sich indeß wohl vereinigen lassen, denn un¬
ser complicirtes Jahrhundert hat classische Romantiker und romanti¬
sche Klassiker erzeugt. -- Herr Attache, dürfen wir Sie fortzufahren
bitten!

Attache. Nur etwas Niegeahntes, durchaus Unempfundenes,
Pyramidalisch-Großartiges und Galvanoplastisch-Neues kann einigen
Eindruck erVorbringen; aber in den Schranken des Anstands. Man
muß, s" zu sagen, mit Keulen drein schlagen, aber loyal. Das Zeit-


Welt wird ihre Stücke wenig, das Theater wird sie gar nicht berück¬
sichtigen, warum verweilen Sie nicht in den ewig milden Fluren der
Lyrik und Romantik? Warum wollen Sie sich in die kalte Sphäre
des Dramas hinauswagen? Sie bleiben dann ja doch nur ein
Fremdling darin!

Dichter. Mag ich dort ein Fremdling bleiben; auch der,
den eine mächtige, feurige Sehnsucht zu den zauberschönen Urwal-
dungen Amerikas hintreibt, auch e r weiß es, daß er dort unstät um¬
herwandeln muß, daß sich kein wirthliches Dach über ihn wölbt, und
doch läßt ihn der innere Drang nicht rasten, bis er sie erreicht hat.
Mich zieht eine unaussprechliche Liebe zum Drama, ich folge ihr
und sage mit freudigem Muthe: „Hier stehe ich, ich kann nicht an¬
ders! Gott helfe mir! Amen!"

Director. Das ist lobenswerth, sehr lobenswert!)!

Alle, (außer dem Publicum und dem Redacteur.) Ja wohl!
ja wohl!

Das Publicum (ist während der Gespräche, von tiefer Schlaf¬
lust ergriffen, nach und nach eingenickt, wird aber von dem lauten
Ruf emporgeschreckt und sagt schläfrig: „Ja wohl!" Dann fallen ihm
die Augen wieder zu.)

Legationöattach <5. Ein solcher Eifer verdient Ermunterung
und Förderung in unserer kühlen Zeit. Ich will bei Hofe ein Wört¬
chen davon fallen lassen. Wir wollen dem Dichter rathend zur Seite
stehen, auf daß er das Rechte finden möge. Fräulein von Blüthen-
Hauch, haben Sie die Güte, zuerst Ihre Meinung auszusprechen.

Fräulein. Ich stimme stets für Romantik!

Professor. Um'ö Himmels willen nicht! Nur Classicität. .
reine Classicität!

Director. Das sind schon zwei ganz entgegengesetzte Ansichten.

Redacteur. Die sich indeß wohl vereinigen lassen, denn un¬
ser complicirtes Jahrhundert hat classische Romantiker und romanti¬
sche Klassiker erzeugt. — Herr Attache, dürfen wir Sie fortzufahren
bitten!

Attache. Nur etwas Niegeahntes, durchaus Unempfundenes,
Pyramidalisch-Großartiges und Galvanoplastisch-Neues kann einigen
Eindruck erVorbringen; aber in den Schranken des Anstands. Man
muß, s" zu sagen, mit Keulen drein schlagen, aber loyal. Das Zeit-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0079" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269496"/>
          <p xml:id="ID_206" prev="#ID_205"> Welt wird ihre Stücke wenig, das Theater wird sie gar nicht berück¬<lb/>
sichtigen, warum verweilen Sie nicht in den ewig milden Fluren der<lb/>
Lyrik und Romantik? Warum wollen Sie sich in die kalte Sphäre<lb/>
des Dramas hinauswagen? Sie bleiben dann ja doch nur ein<lb/>
Fremdling darin!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_207"> Dichter. Mag ich dort ein Fremdling bleiben; auch der,<lb/>
den eine mächtige, feurige Sehnsucht zu den zauberschönen Urwal-<lb/>
dungen Amerikas hintreibt, auch e r weiß es, daß er dort unstät um¬<lb/>
herwandeln muß, daß sich kein wirthliches Dach über ihn wölbt, und<lb/>
doch läßt ihn der innere Drang nicht rasten, bis er sie erreicht hat.<lb/>
Mich zieht eine unaussprechliche Liebe zum Drama, ich folge ihr<lb/>
und sage mit freudigem Muthe: &#x201E;Hier stehe ich, ich kann nicht an¬<lb/>
ders! Gott helfe mir! Amen!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_208"> Director. Das ist lobenswerth, sehr lobenswert!)!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_209"> Alle, (außer dem Publicum und dem Redacteur.) Ja wohl!<lb/>
ja wohl!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_210"> Das Publicum (ist während der Gespräche, von tiefer Schlaf¬<lb/>
lust ergriffen, nach und nach eingenickt, wird aber von dem lauten<lb/>
Ruf emporgeschreckt und sagt schläfrig: &#x201E;Ja wohl!" Dann fallen ihm<lb/>
die Augen wieder zu.)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_211"> Legationöattach &lt;5. Ein solcher Eifer verdient Ermunterung<lb/>
und Förderung in unserer kühlen Zeit. Ich will bei Hofe ein Wört¬<lb/>
chen davon fallen lassen. Wir wollen dem Dichter rathend zur Seite<lb/>
stehen, auf daß er das Rechte finden möge. Fräulein von Blüthen-<lb/>
Hauch, haben Sie die Güte, zuerst Ihre Meinung auszusprechen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_212"> Fräulein. Ich stimme stets für Romantik!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_213"> Professor. Um'ö Himmels willen nicht! Nur Classicität. .<lb/>
reine Classicität!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_214"> Director. Das sind schon zwei ganz entgegengesetzte Ansichten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_215"> Redacteur. Die sich indeß wohl vereinigen lassen, denn un¬<lb/>
ser complicirtes Jahrhundert hat classische Romantiker und romanti¬<lb/>
sche Klassiker erzeugt. &#x2014; Herr Attache, dürfen wir Sie fortzufahren<lb/>
bitten!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_216" next="#ID_217"> Attache. Nur etwas Niegeahntes, durchaus Unempfundenes,<lb/>
Pyramidalisch-Großartiges und Galvanoplastisch-Neues kann einigen<lb/>
Eindruck erVorbringen; aber in den Schranken des Anstands. Man<lb/>
muß, s" zu sagen, mit Keulen drein schlagen, aber loyal. Das Zeit-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0079] Welt wird ihre Stücke wenig, das Theater wird sie gar nicht berück¬ sichtigen, warum verweilen Sie nicht in den ewig milden Fluren der Lyrik und Romantik? Warum wollen Sie sich in die kalte Sphäre des Dramas hinauswagen? Sie bleiben dann ja doch nur ein Fremdling darin! Dichter. Mag ich dort ein Fremdling bleiben; auch der, den eine mächtige, feurige Sehnsucht zu den zauberschönen Urwal- dungen Amerikas hintreibt, auch e r weiß es, daß er dort unstät um¬ herwandeln muß, daß sich kein wirthliches Dach über ihn wölbt, und doch läßt ihn der innere Drang nicht rasten, bis er sie erreicht hat. Mich zieht eine unaussprechliche Liebe zum Drama, ich folge ihr und sage mit freudigem Muthe: „Hier stehe ich, ich kann nicht an¬ ders! Gott helfe mir! Amen!" Director. Das ist lobenswerth, sehr lobenswert!)! Alle, (außer dem Publicum und dem Redacteur.) Ja wohl! ja wohl! Das Publicum (ist während der Gespräche, von tiefer Schlaf¬ lust ergriffen, nach und nach eingenickt, wird aber von dem lauten Ruf emporgeschreckt und sagt schläfrig: „Ja wohl!" Dann fallen ihm die Augen wieder zu.) Legationöattach <5. Ein solcher Eifer verdient Ermunterung und Förderung in unserer kühlen Zeit. Ich will bei Hofe ein Wört¬ chen davon fallen lassen. Wir wollen dem Dichter rathend zur Seite stehen, auf daß er das Rechte finden möge. Fräulein von Blüthen- Hauch, haben Sie die Güte, zuerst Ihre Meinung auszusprechen. Fräulein. Ich stimme stets für Romantik! Professor. Um'ö Himmels willen nicht! Nur Classicität. . reine Classicität! Director. Das sind schon zwei ganz entgegengesetzte Ansichten. Redacteur. Die sich indeß wohl vereinigen lassen, denn un¬ ser complicirtes Jahrhundert hat classische Romantiker und romanti¬ sche Klassiker erzeugt. — Herr Attache, dürfen wir Sie fortzufahren bitten! Attache. Nur etwas Niegeahntes, durchaus Unempfundenes, Pyramidalisch-Großartiges und Galvanoplastisch-Neues kann einigen Eindruck erVorbringen; aber in den Schranken des Anstands. Man muß, s" zu sagen, mit Keulen drein schlagen, aber loyal. Das Zeit-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/79
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/79>, abgerufen am 22.07.2024.