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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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lich aus die Energie derselben in Anlegung der Eisenbahnen hinwei¬
send.

Die Rede List's hatte sowohl wegen des peinlichen Vertrags,
als auch wegen des herabstimmenden Inhalts eine nicht ganz ange¬
nehme Sensation gemacht. Man hatte mehr von der Beredsamkeit
dieser Celebrität erwartet, nicht etwa blos in Mitte eines Auditori¬
ums, sondern vielmehr gegenüber unsern Staatsmännern, von denen
man wußte, daß sie auf List's Ansichten großes Gewicht legen. Man
muß den Zweck dieses in seiner Art hier noch nicht dagewesenen
Public Dinner gehörig würdigen. Nie ist seit vielen Jahren eine so
entschiedene Manifestation von den Oesterreichern gegeben worden,
daß sie trotz aller Spaltungen der Geschichte und der Schlagbäume
keinen heißern politischen Wunsch haben, als mit der großen deut¬
schen Familie so innig als möglich verbunden zu sein. Daß große
und mächtige Hindernisse eine rasche Vereinigung kaum möglich ma¬
chen, wußte Jedermann, und doch berührte es uns Alle peinlich, als
wir eS in diesem Augenblicke halb officiell aus dem Munde des
Gastes erfuhren, von dessen Genie und überlegenen Kenntnissen wir
eine schnellere Vermittlung, eine Beschleunigung unsrer Wünsche ge¬
hofft hatten. Nachdem man sich von langem Zuhören durch Speise
und Trank wieder gestärkt hatte, nahm Bauernfeld, der bekannte dra¬
matische Dichter, das Wort. In seiner etwas barschen Weise (die
leider von dem Gaste mißdeutet und später mit einiger Empfindlich¬
keit beantwortet wurde,) erklärte Bauernfeld, daß er sich gewissermaßen
im Gegensatze zum Dr. List befände und einem Gedichte, welches er
der Gesellschaft zur Feier dieses Abends vorzulesen wünsche, habe er
die Ueberschrift "Der Zollverein" gegeben. Hierauf las Bauern¬
feld folgendes Gedicht vor:

Verein -- ein schönes, trautes Wort,
Erschließt Euch herrliche Weiten,
Und geht's auch Zoll für Zoll nur fort,
Es wird sich weiter verbreiten.
"Ein jeder Zoll ein König" -- sprach
Der Alte; Ihr guten Leute,
Sprecht "Jeder Zoll ein Volk!" ihm nach
Damit es was bedeute.

lich aus die Energie derselben in Anlegung der Eisenbahnen hinwei¬
send.

Die Rede List's hatte sowohl wegen des peinlichen Vertrags,
als auch wegen des herabstimmenden Inhalts eine nicht ganz ange¬
nehme Sensation gemacht. Man hatte mehr von der Beredsamkeit
dieser Celebrität erwartet, nicht etwa blos in Mitte eines Auditori¬
ums, sondern vielmehr gegenüber unsern Staatsmännern, von denen
man wußte, daß sie auf List's Ansichten großes Gewicht legen. Man
muß den Zweck dieses in seiner Art hier noch nicht dagewesenen
Public Dinner gehörig würdigen. Nie ist seit vielen Jahren eine so
entschiedene Manifestation von den Oesterreichern gegeben worden,
daß sie trotz aller Spaltungen der Geschichte und der Schlagbäume
keinen heißern politischen Wunsch haben, als mit der großen deut¬
schen Familie so innig als möglich verbunden zu sein. Daß große
und mächtige Hindernisse eine rasche Vereinigung kaum möglich ma¬
chen, wußte Jedermann, und doch berührte es uns Alle peinlich, als
wir eS in diesem Augenblicke halb officiell aus dem Munde des
Gastes erfuhren, von dessen Genie und überlegenen Kenntnissen wir
eine schnellere Vermittlung, eine Beschleunigung unsrer Wünsche ge¬
hofft hatten. Nachdem man sich von langem Zuhören durch Speise
und Trank wieder gestärkt hatte, nahm Bauernfeld, der bekannte dra¬
matische Dichter, das Wort. In seiner etwas barschen Weise (die
leider von dem Gaste mißdeutet und später mit einiger Empfindlich¬
keit beantwortet wurde,) erklärte Bauernfeld, daß er sich gewissermaßen
im Gegensatze zum Dr. List befände und einem Gedichte, welches er
der Gesellschaft zur Feier dieses Abends vorzulesen wünsche, habe er
die Ueberschrift „Der Zollverein" gegeben. Hierauf las Bauern¬
feld folgendes Gedicht vor:

Verein — ein schönes, trautes Wort,
Erschließt Euch herrliche Weiten,
Und geht's auch Zoll für Zoll nur fort,
Es wird sich weiter verbreiten.
„Ein jeder Zoll ein König" — sprach
Der Alte; Ihr guten Leute,
Sprecht „Jeder Zoll ein Volk!" ihm nach
Damit es was bedeute.

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[0072] lich aus die Energie derselben in Anlegung der Eisenbahnen hinwei¬ send. Die Rede List's hatte sowohl wegen des peinlichen Vertrags, als auch wegen des herabstimmenden Inhalts eine nicht ganz ange¬ nehme Sensation gemacht. Man hatte mehr von der Beredsamkeit dieser Celebrität erwartet, nicht etwa blos in Mitte eines Auditori¬ ums, sondern vielmehr gegenüber unsern Staatsmännern, von denen man wußte, daß sie auf List's Ansichten großes Gewicht legen. Man muß den Zweck dieses in seiner Art hier noch nicht dagewesenen Public Dinner gehörig würdigen. Nie ist seit vielen Jahren eine so entschiedene Manifestation von den Oesterreichern gegeben worden, daß sie trotz aller Spaltungen der Geschichte und der Schlagbäume keinen heißern politischen Wunsch haben, als mit der großen deut¬ schen Familie so innig als möglich verbunden zu sein. Daß große und mächtige Hindernisse eine rasche Vereinigung kaum möglich ma¬ chen, wußte Jedermann, und doch berührte es uns Alle peinlich, als wir eS in diesem Augenblicke halb officiell aus dem Munde des Gastes erfuhren, von dessen Genie und überlegenen Kenntnissen wir eine schnellere Vermittlung, eine Beschleunigung unsrer Wünsche ge¬ hofft hatten. Nachdem man sich von langem Zuhören durch Speise und Trank wieder gestärkt hatte, nahm Bauernfeld, der bekannte dra¬ matische Dichter, das Wort. In seiner etwas barschen Weise (die leider von dem Gaste mißdeutet und später mit einiger Empfindlich¬ keit beantwortet wurde,) erklärte Bauernfeld, daß er sich gewissermaßen im Gegensatze zum Dr. List befände und einem Gedichte, welches er der Gesellschaft zur Feier dieses Abends vorzulesen wünsche, habe er die Ueberschrift „Der Zollverein" gegeben. Hierauf las Bauern¬ feld folgendes Gedicht vor: Verein — ein schönes, trautes Wort, Erschließt Euch herrliche Weiten, Und geht's auch Zoll für Zoll nur fort, Es wird sich weiter verbreiten. „Ein jeder Zoll ein König" — sprach Der Alte; Ihr guten Leute, Sprecht „Jeder Zoll ein Volk!" ihm nach Damit es was bedeute.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/72>, abgerufen am 22.07.2024.