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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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"enden Einsicht gefolgt. -- Schon sah er im Geiste voraus, wie
ihn die Geschichte den größten Herrschern anreihen und wie sein gro¬
ßer Name glänzen werde in aller Zukunft! Großer Name, Ge¬
schichte! -- er vertiefte sich in die große Bedeutung dieser Worte
und lächelte.

Da stürzte eine Schaar von Höflingen unangemeldet in's Zim¬
mer. Rebellion, Rebellion! riefen sie entsetzt, die Träumer rebelliren.
König Amadeus, tritt unter sie und beschwichtige sie durch den An¬
blick Deiner Majestät.

-- Rebellen? fragte König Amadeus ganz verwundert; die Un¬
dankbaren! Sogleich raffte er sich zusammen, nahm Krone und
Szepter und begab sich ohne alle Suite auf den Revolutionsplatz.
Da standen die halbwachen Rebellen in dichten Schaaren und riefen,
als sie durch die halbgeöffneten Augen den König erblickten, wie mit
Einer Stimme: Unsern Schlaf -- gib uns wieder, König Ana --
dens! Traum -- frei -- heit, gib Traum--frei--heit!! --

Wie erschrack König Amadeus, als er sein Volk so herumtau¬
melnd, so blaß und mager aussehend fand. Doch faßte er sich und hielt
eine vortreffliche Rede. Aber er täuschte sich. Kaum hatte er das letzte Wort
gesprochen, als die Rebellen unbeirrt und consequent von Neuem riefen: Gib
Traum -- frei -- heit,Kor -- ig Ana -- deus, gib Traum -- frei -- heit.

Bestürzt und im Innersten über das Glück seines Volkes ent¬
täuscht, eilte er in seine Hofburg zurück. Aber auch da erwartete
ihn ein neuer Schreck. Die Somnambulen hielten die Wände seines
Palastes besetzt, rückten und riefen durch alle Fenster in die Zimmer:
Gib Traum -- frei -- heit, König Ana -- deus, Traum -- frei -- heit--
Traum -- frei -- heit--Traum -- frei--heit -- Traum -- frei -- heit.

Halbtodt kam er auf sein Zimmer, warf sich in einen Lehnstuhl
und verhüllte sein Gesicht. Zitternd stand Herr v. Heimlicher neben
ihm. Da scholl es draußen wieder: Gib Traumfreiheit, König Ama¬
deus, gib Traumfreihcit, und die Somnambulen steckten ihre blassen
Gesichter zum Fenster herein. Schnell entschlossen griff König Ama¬
deus nach Feder und Papier und schrieb: In meinem Lande herrscht
allgemeine Traumfreiheit! Da wurde es Tageshelle im Zimmer. ---
Man hatte nämlich in der Verwirrung den Befehl des Ministers
vergessen und die Lampe angezündet, die ihre Wunderkraft übte. --


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«enden Einsicht gefolgt. — Schon sah er im Geiste voraus, wie
ihn die Geschichte den größten Herrschern anreihen und wie sein gro¬
ßer Name glänzen werde in aller Zukunft! Großer Name, Ge¬
schichte! — er vertiefte sich in die große Bedeutung dieser Worte
und lächelte.

Da stürzte eine Schaar von Höflingen unangemeldet in's Zim¬
mer. Rebellion, Rebellion! riefen sie entsetzt, die Träumer rebelliren.
König Amadeus, tritt unter sie und beschwichtige sie durch den An¬
blick Deiner Majestät.

— Rebellen? fragte König Amadeus ganz verwundert; die Un¬
dankbaren! Sogleich raffte er sich zusammen, nahm Krone und
Szepter und begab sich ohne alle Suite auf den Revolutionsplatz.
Da standen die halbwachen Rebellen in dichten Schaaren und riefen,
als sie durch die halbgeöffneten Augen den König erblickten, wie mit
Einer Stimme: Unsern Schlaf — gib uns wieder, König Ana —
dens! Traum — frei — heit, gib Traum—frei—heit!! —

Wie erschrack König Amadeus, als er sein Volk so herumtau¬
melnd, so blaß und mager aussehend fand. Doch faßte er sich und hielt
eine vortreffliche Rede. Aber er täuschte sich. Kaum hatte er das letzte Wort
gesprochen, als die Rebellen unbeirrt und consequent von Neuem riefen: Gib
Traum — frei — heit,Kor — ig Ana — deus, gib Traum — frei — heit.

Bestürzt und im Innersten über das Glück seines Volkes ent¬
täuscht, eilte er in seine Hofburg zurück. Aber auch da erwartete
ihn ein neuer Schreck. Die Somnambulen hielten die Wände seines
Palastes besetzt, rückten und riefen durch alle Fenster in die Zimmer:
Gib Traum — frei — heit, König Ana — deus, Traum — frei — heit—
Traum — frei — heit—Traum — frei—heit — Traum — frei — heit.

Halbtodt kam er auf sein Zimmer, warf sich in einen Lehnstuhl
und verhüllte sein Gesicht. Zitternd stand Herr v. Heimlicher neben
ihm. Da scholl es draußen wieder: Gib Traumfreiheit, König Ama¬
deus, gib Traumfreihcit, und die Somnambulen steckten ihre blassen
Gesichter zum Fenster herein. Schnell entschlossen griff König Ama¬
deus nach Feder und Papier und schrieb: In meinem Lande herrscht
allgemeine Traumfreiheit! Da wurde es Tageshelle im Zimmer. -—
Man hatte nämlich in der Verwirrung den Befehl des Ministers
vergessen und die Lampe angezündet, die ihre Wunderkraft übte. —


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[0067] «enden Einsicht gefolgt. — Schon sah er im Geiste voraus, wie ihn die Geschichte den größten Herrschern anreihen und wie sein gro¬ ßer Name glänzen werde in aller Zukunft! Großer Name, Ge¬ schichte! — er vertiefte sich in die große Bedeutung dieser Worte und lächelte. Da stürzte eine Schaar von Höflingen unangemeldet in's Zim¬ mer. Rebellion, Rebellion! riefen sie entsetzt, die Träumer rebelliren. König Amadeus, tritt unter sie und beschwichtige sie durch den An¬ blick Deiner Majestät. — Rebellen? fragte König Amadeus ganz verwundert; die Un¬ dankbaren! Sogleich raffte er sich zusammen, nahm Krone und Szepter und begab sich ohne alle Suite auf den Revolutionsplatz. Da standen die halbwachen Rebellen in dichten Schaaren und riefen, als sie durch die halbgeöffneten Augen den König erblickten, wie mit Einer Stimme: Unsern Schlaf — gib uns wieder, König Ana — dens! Traum — frei — heit, gib Traum—frei—heit!! — Wie erschrack König Amadeus, als er sein Volk so herumtau¬ melnd, so blaß und mager aussehend fand. Doch faßte er sich und hielt eine vortreffliche Rede. Aber er täuschte sich. Kaum hatte er das letzte Wort gesprochen, als die Rebellen unbeirrt und consequent von Neuem riefen: Gib Traum — frei — heit,Kor — ig Ana — deus, gib Traum — frei — heit. Bestürzt und im Innersten über das Glück seines Volkes ent¬ täuscht, eilte er in seine Hofburg zurück. Aber auch da erwartete ihn ein neuer Schreck. Die Somnambulen hielten die Wände seines Palastes besetzt, rückten und riefen durch alle Fenster in die Zimmer: Gib Traum — frei — heit, König Ana — deus, Traum — frei — heit— Traum — frei — heit—Traum — frei—heit — Traum — frei — heit. Halbtodt kam er auf sein Zimmer, warf sich in einen Lehnstuhl und verhüllte sein Gesicht. Zitternd stand Herr v. Heimlicher neben ihm. Da scholl es draußen wieder: Gib Traumfreiheit, König Ama¬ deus, gib Traumfreihcit, und die Somnambulen steckten ihre blassen Gesichter zum Fenster herein. Schnell entschlossen griff König Ama¬ deus nach Feder und Papier und schrieb: In meinem Lande herrscht allgemeine Traumfreiheit! Da wurde es Tageshelle im Zimmer. -— Man hatte nämlich in der Verwirrung den Befehl des Ministers vergessen und die Lampe angezündet, die ihre Wunderkraft übte. — Grcnzbotc» ,8i!>. N. 9

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/67>, abgerufen am 22.07.2024.