Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.durch hatte Herr von Heimlicher seine liberale Gesinnung genugsam Es begann nun ein sehr reges Verwaltungsleben im Da kamen nun freilich oft sehr sonderbare und verwickelte Pro¬ Ein anderer Träumer lächelte einmal im Schlaf und sprach: durch hatte Herr von Heimlicher seine liberale Gesinnung genugsam Es begann nun ein sehr reges Verwaltungsleben im Da kamen nun freilich oft sehr sonderbare und verwickelte Pro¬ Ein anderer Träumer lächelte einmal im Schlaf und sprach: <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0065" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269482"/> <p xml:id="ID_156" prev="#ID_155"> durch hatte Herr von Heimlicher seine liberale Gesinnung genugsam<lb/> bewiesen. -- Auch im Mittagsschläfchen geträumte Träume waren<lb/> frei; den Traum bei vollem Magen hielt man nicht für gefährlich.</p><lb/> <p xml:id="ID_157"> Es begann nun ein sehr reges Verwaltungsleben im<lb/> ganzen Staate. — Sobald Einer einschlief, stand ein Wort-Inspector<lb/> an seinem Bette und zeichnete jedes Wort, das er im Traume sprach,<lb/> gewissenhaft auf eine schwarze Tafel auf. Des Morgens gingen die<lb/> Trauminspectoren von Haus zu Haus und nahmen die Träume der<lb/> erwachten Schläfer auf und schrieben sie in ein großes schwarzes<lb/> Buch. - Auch darin kannte Herr v. Heimlicher das Volk so gut,<lb/> daß er wußte, es erzähle in seiner Ehrlichkeit ganz genau jeden Uni¬<lb/> stand seiner Träume, und daß kein Jota verloren gehe. — Nach den<lb/> Tafeln der Wvrtinspectoren und nach den Büchern der Trauminspec¬<lb/> toren wurden nun Processe eingeleitet, wurde untersucht und gestraft<lb/> und belohnt.</p><lb/> <p xml:id="ID_158"> Da kamen nun freilich oft sehr sonderbare und verwickelte Pro¬<lb/> cesse vor. — So z. B. murmelte einmal ein Träumer das Wörtchen<lb/> „Regen" vor sich hin. — Der Wortinspector in seinem Amtseifer<lb/> und seiner Gründlichkeit, stieß den Schläfer unsanft aus dem Schlafe<lb/> und fragte hastig: Hauptwort oder Zeitwort? — Der Arme, der<lb/> so unsanft geweckt wurde, hatte in seinem Schrecken den ganzen Traum<lb/> vergessen und konnte keine Auskunft geben, ob er Regen als Haupt¬<lb/> wort oder als Zeitwort gebraucht hatte. Das war Verstocktheit! —<lb/> ES wurde sofort eine Untersuchung eingeleitet, der Träumer wurde<lb/> gefänglich eingezogen und es erhob sich im Staatsrathe eine heftige<lb/> Debatte, ob ,Negen" als Hauptwort oder als Zeitwort gebraucht<lb/> wurde. — War rS das Zeitwort? — wie leicht kounte man da an<lb/> „regen", „erregen", „aufregen" denken und der Träumer war ein ge¬<lb/> fährlicher Mensch. — War es der Regen, der vom Himmel fällt,<lb/> das bedeutet friedliches Glück, und der Träumer wäre zu befördern.<lb/> — Auf jeden Fall dauerte ^^Untersuchung drei Jahre, und der Ver¬<lb/> dächtige wurde -et> instiurtiit freigesprochen.</p><lb/> <p xml:id="ID_159" next="#ID_160"> Ein anderer Träumer lächelte einmal im Schlaf und sprach:<lb/> Bewegung! — Bewegung? böswilliges Wort; er wurde untersucht.<lb/> — Umsonst versicherte er, er habe von der komischen Bewegung sei¬<lb/> ner Großmutter geträumt, die sie beim Tabackschnupfen mache. —<lb/> Großmutter? — kann ein so satyrischer Kopf damit nicht das</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0065]
durch hatte Herr von Heimlicher seine liberale Gesinnung genugsam
bewiesen. -- Auch im Mittagsschläfchen geträumte Träume waren
frei; den Traum bei vollem Magen hielt man nicht für gefährlich.
Es begann nun ein sehr reges Verwaltungsleben im
ganzen Staate. — Sobald Einer einschlief, stand ein Wort-Inspector
an seinem Bette und zeichnete jedes Wort, das er im Traume sprach,
gewissenhaft auf eine schwarze Tafel auf. Des Morgens gingen die
Trauminspectoren von Haus zu Haus und nahmen die Träume der
erwachten Schläfer auf und schrieben sie in ein großes schwarzes
Buch. - Auch darin kannte Herr v. Heimlicher das Volk so gut,
daß er wußte, es erzähle in seiner Ehrlichkeit ganz genau jeden Uni¬
stand seiner Träume, und daß kein Jota verloren gehe. — Nach den
Tafeln der Wvrtinspectoren und nach den Büchern der Trauminspec¬
toren wurden nun Processe eingeleitet, wurde untersucht und gestraft
und belohnt.
Da kamen nun freilich oft sehr sonderbare und verwickelte Pro¬
cesse vor. — So z. B. murmelte einmal ein Träumer das Wörtchen
„Regen" vor sich hin. — Der Wortinspector in seinem Amtseifer
und seiner Gründlichkeit, stieß den Schläfer unsanft aus dem Schlafe
und fragte hastig: Hauptwort oder Zeitwort? — Der Arme, der
so unsanft geweckt wurde, hatte in seinem Schrecken den ganzen Traum
vergessen und konnte keine Auskunft geben, ob er Regen als Haupt¬
wort oder als Zeitwort gebraucht hatte. Das war Verstocktheit! —
ES wurde sofort eine Untersuchung eingeleitet, der Träumer wurde
gefänglich eingezogen und es erhob sich im Staatsrathe eine heftige
Debatte, ob ,Negen" als Hauptwort oder als Zeitwort gebraucht
wurde. — War rS das Zeitwort? — wie leicht kounte man da an
„regen", „erregen", „aufregen" denken und der Träumer war ein ge¬
fährlicher Mensch. — War es der Regen, der vom Himmel fällt,
das bedeutet friedliches Glück, und der Träumer wäre zu befördern.
— Auf jeden Fall dauerte ^^Untersuchung drei Jahre, und der Ver¬
dächtige wurde -et> instiurtiit freigesprochen.
Ein anderer Träumer lächelte einmal im Schlaf und sprach:
Bewegung! — Bewegung? böswilliges Wort; er wurde untersucht.
— Umsonst versicherte er, er habe von der komischen Bewegung sei¬
ner Großmutter geträumt, die sie beim Tabackschnupfen mache. —
Großmutter? — kann ein so satyrischer Kopf damit nicht das
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