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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Lampe und dem Wachstropfen bleibt Staatsgeheimniß und darf
höchstens in die Hausannalen zu Nutz und Frommen meiner Nach¬
folger aufgezeichnet werden. -- Die Conception besorgt mein Hof-
Philosoph. -

Von diesem Abende an brannten zwei solide Wachskerzen auf
dem Schreibpulte des Königs, und er unterzeichnete ganz nach ei¬
gener Einsicht. -- Die Lampe hing bestaubt, ungebraucht am Pla¬
fond, doch ließ man sie da, aus Rücksicht für die mächtige Königin
von Saba.

So ging es Jahre lang fort und man kann sich leicht denken,
welcher Art nun Regiment und Gesetzgebung waren, wenn man aus
dem Früheren König Amadeus und seinen Minister genugsam er¬
kannte. Um aber beide zu charakterisiren. sei hier doch Eines wegen
seiner Folgen in jenem Lande wichtigsten Gesetzes, das nun gegeben
ward, Erwähnung gethan, nämlich des Traumgesetzes. -- Herr von
Heimlicher kannte sein Volk, eS war ein Volk von Träumern. Seine
Träume waren ihm lieber als Reichthum und Kriegsruhm. Herr
von Heimlicher fürchtete mit Recht, das Volk könne sich einmal in
seinen Träumen zu sehr berauschen und in diesem Rausche gesetzwid¬
rige Thaten verüben, die der hohen Negierung unangenehm wären.
-- Er gab also das Traumgesetz, nach welchem nur gewisse Dinge
zu träumen erlaubt war und fügte diesem Gesetze noch das Traum-
inspectionsdecret bei, nach welchem die Träume bewacht und unter¬
sucht und nach ihrem Inhalte bestraft oder belohnt werden sollten.

Nun aber weiß man aus Erfahrung, und schon die alten Phi¬
losophen und Sibyllen erkannten es, daß gewisse Dinge, die im
Traume vorkommen, in der Wirklichkeit gerade daS Gegentheil be¬
deuten, so z. B. bedeutet eine Feuersbrunst großes Glück, ein Hase
einen Soldaten oder gar einen General, Hochzeit bedeutet Begräb-
niß:c.; man führte also auf allen Universitäten des Landes die
Traumbüchel ein, und neben dem römischen Rechte und den Pan-
dekten, dem justinianischen Gesetzbuche und dem Oclo Anpoleou
wurde auch das Traumbüchel vorgetragen, nach welchem in Traum¬
angelegenheiten verfahren wurde. Nur an die im Traume klar und
deutlich ausgesprochenen Worte hielt man sich strict und ihr Inhalt
wurde wörtlich genommen. -- Träume, die über drei Stunden währ¬
ten, waren frei, aber der Träumer konnte eingesperrt werden. Da-


Lampe und dem Wachstropfen bleibt Staatsgeheimniß und darf
höchstens in die Hausannalen zu Nutz und Frommen meiner Nach¬
folger aufgezeichnet werden. — Die Conception besorgt mein Hof-
Philosoph. -

Von diesem Abende an brannten zwei solide Wachskerzen auf
dem Schreibpulte des Königs, und er unterzeichnete ganz nach ei¬
gener Einsicht. — Die Lampe hing bestaubt, ungebraucht am Pla¬
fond, doch ließ man sie da, aus Rücksicht für die mächtige Königin
von Saba.

So ging es Jahre lang fort und man kann sich leicht denken,
welcher Art nun Regiment und Gesetzgebung waren, wenn man aus
dem Früheren König Amadeus und seinen Minister genugsam er¬
kannte. Um aber beide zu charakterisiren. sei hier doch Eines wegen
seiner Folgen in jenem Lande wichtigsten Gesetzes, das nun gegeben
ward, Erwähnung gethan, nämlich des Traumgesetzes. — Herr von
Heimlicher kannte sein Volk, eS war ein Volk von Träumern. Seine
Träume waren ihm lieber als Reichthum und Kriegsruhm. Herr
von Heimlicher fürchtete mit Recht, das Volk könne sich einmal in
seinen Träumen zu sehr berauschen und in diesem Rausche gesetzwid¬
rige Thaten verüben, die der hohen Negierung unangenehm wären.
— Er gab also das Traumgesetz, nach welchem nur gewisse Dinge
zu träumen erlaubt war und fügte diesem Gesetze noch das Traum-
inspectionsdecret bei, nach welchem die Träume bewacht und unter¬
sucht und nach ihrem Inhalte bestraft oder belohnt werden sollten.

Nun aber weiß man aus Erfahrung, und schon die alten Phi¬
losophen und Sibyllen erkannten es, daß gewisse Dinge, die im
Traume vorkommen, in der Wirklichkeit gerade daS Gegentheil be¬
deuten, so z. B. bedeutet eine Feuersbrunst großes Glück, ein Hase
einen Soldaten oder gar einen General, Hochzeit bedeutet Begräb-
niß:c.; man führte also auf allen Universitäten des Landes die
Traumbüchel ein, und neben dem römischen Rechte und den Pan-
dekten, dem justinianischen Gesetzbuche und dem Oclo Anpoleou
wurde auch das Traumbüchel vorgetragen, nach welchem in Traum¬
angelegenheiten verfahren wurde. Nur an die im Traume klar und
deutlich ausgesprochenen Worte hielt man sich strict und ihr Inhalt
wurde wörtlich genommen. — Träume, die über drei Stunden währ¬
ten, waren frei, aber der Träumer konnte eingesperrt werden. Da-


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[0064] Lampe und dem Wachstropfen bleibt Staatsgeheimniß und darf höchstens in die Hausannalen zu Nutz und Frommen meiner Nach¬ folger aufgezeichnet werden. — Die Conception besorgt mein Hof- Philosoph. - Von diesem Abende an brannten zwei solide Wachskerzen auf dem Schreibpulte des Königs, und er unterzeichnete ganz nach ei¬ gener Einsicht. — Die Lampe hing bestaubt, ungebraucht am Pla¬ fond, doch ließ man sie da, aus Rücksicht für die mächtige Königin von Saba. So ging es Jahre lang fort und man kann sich leicht denken, welcher Art nun Regiment und Gesetzgebung waren, wenn man aus dem Früheren König Amadeus und seinen Minister genugsam er¬ kannte. Um aber beide zu charakterisiren. sei hier doch Eines wegen seiner Folgen in jenem Lande wichtigsten Gesetzes, das nun gegeben ward, Erwähnung gethan, nämlich des Traumgesetzes. — Herr von Heimlicher kannte sein Volk, eS war ein Volk von Träumern. Seine Träume waren ihm lieber als Reichthum und Kriegsruhm. Herr von Heimlicher fürchtete mit Recht, das Volk könne sich einmal in seinen Träumen zu sehr berauschen und in diesem Rausche gesetzwid¬ rige Thaten verüben, die der hohen Negierung unangenehm wären. — Er gab also das Traumgesetz, nach welchem nur gewisse Dinge zu träumen erlaubt war und fügte diesem Gesetze noch das Traum- inspectionsdecret bei, nach welchem die Träume bewacht und unter¬ sucht und nach ihrem Inhalte bestraft oder belohnt werden sollten. Nun aber weiß man aus Erfahrung, und schon die alten Phi¬ losophen und Sibyllen erkannten es, daß gewisse Dinge, die im Traume vorkommen, in der Wirklichkeit gerade daS Gegentheil be¬ deuten, so z. B. bedeutet eine Feuersbrunst großes Glück, ein Hase einen Soldaten oder gar einen General, Hochzeit bedeutet Begräb- niß:c.; man führte also auf allen Universitäten des Landes die Traumbüchel ein, und neben dem römischen Rechte und den Pan- dekten, dem justinianischen Gesetzbuche und dem Oclo Anpoleou wurde auch das Traumbüchel vorgetragen, nach welchem in Traum¬ angelegenheiten verfahren wurde. Nur an die im Traume klar und deutlich ausgesprochenen Worte hielt man sich strict und ihr Inhalt wurde wörtlich genommen. — Träume, die über drei Stunden währ¬ ten, waren frei, aber der Träumer konnte eingesperrt werden. Da-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/64>, abgerufen am 22.07.2024.