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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Stellungen eingewendet? Nein, Dn hast nie etwas eingewendet, wei¬
ser König! Ist das nicht Beweis genug, daß ich gemeint bin? --
Hat mich Dir des hochseligen Königs, Deines Vaters, Majestät
nicht auf ihrem Todtenbette empfohlen? -- Kannst Du die Mär¬
chen glauben, die man Dir von Fortunati Glücksäcklein, von der
Wünschelruthe und Tarnkappe, von den Siebenmeilenstiefeln erzählt?
Glaubst Du selbst an Aladin's Wunderlampe? Und Du selbst, o
König, hast eine solche Lampe in Deiner Stube! -- Was wird die
Nachwelt sagen, o König, wird sie Dir nicht den schrecklichen Na¬
men des Abergläubischen beilegen? -- Weil sich die Lampe zu Zei¬
ten verfinstert, zu Zeiten Heller leuchtet, hältst Du sie für eine Zau¬
berlampe? Hat man nicht Jahrhunderte lang die Sonnenfinsternisse
für ein Wunder, für ein Zeichen voller Vorbedeutungen gehalten,
bis es sich aufklärte, daß Alles auf natürlichem Wege zugehe. Ge¬
wiß verhält es sich mit solchen Lampen, wie mit der Sonne; denn
was im Großen vorgeht, wiederholt sich nur im Kleinen. Gewiß
werden kommende Geschlechter auch das Geheimniß solcher Lampen
ausheilen, und o König, man wird Deiner spotten. -- Wird nicht
der fünfte Karl verlacht, weil er sich zum Weltuntergange vorberei¬
tete? -- Ist nicht der grundgelehrte Fürst Picus von Mirandola
zum Gespött? geworden, weil er den Stein der Weisen suchte; ist
Rudolph der Zweite nicht seiner astrologischen Studien wegen ver¬
höhnt worden? -- O geistreichster König der intelligentesten Nation,
doppelt groß wird Deine Schmach sein, d,i Du in Zeiten der Bil¬
dung und der allgemeinen Aufklärung lebst. -- Wehe mir, was wird
die Geschichte sagen! wie bangt mir um Deinen großen Namen!

Die Worte "Geschichte", "großer Name" übten von jeher eine
erschütternde Kraft auf den König. - Er war beschämt und schwieg
lange; endlich winkte er dem Minister auszustehen und sagte: Du
hast mich durch Deine Rede nicht überzeugt, aber Du hast Recht. --
Die Lampe sott nicht wieder angezündet werden.

Der Minister unterdrückte die jubelnde Freude über seinen Ka-
biuetsstcg, sprang vom Boden auf und verbeugte sich tief, indem er
pathetisch ausrief: Lange lebe der König! Stets findet sein leuchten¬
der Geist den rechten Weg zum Weste seiner Völker.

Der König machte eine Handbewegung und der Minister ging.
Heimlicher, rief ihm noch der König nach, die Geschichte mit der


Stellungen eingewendet? Nein, Dn hast nie etwas eingewendet, wei¬
ser König! Ist das nicht Beweis genug, daß ich gemeint bin? —
Hat mich Dir des hochseligen Königs, Deines Vaters, Majestät
nicht auf ihrem Todtenbette empfohlen? — Kannst Du die Mär¬
chen glauben, die man Dir von Fortunati Glücksäcklein, von der
Wünschelruthe und Tarnkappe, von den Siebenmeilenstiefeln erzählt?
Glaubst Du selbst an Aladin's Wunderlampe? Und Du selbst, o
König, hast eine solche Lampe in Deiner Stube! — Was wird die
Nachwelt sagen, o König, wird sie Dir nicht den schrecklichen Na¬
men des Abergläubischen beilegen? — Weil sich die Lampe zu Zei¬
ten verfinstert, zu Zeiten Heller leuchtet, hältst Du sie für eine Zau¬
berlampe? Hat man nicht Jahrhunderte lang die Sonnenfinsternisse
für ein Wunder, für ein Zeichen voller Vorbedeutungen gehalten,
bis es sich aufklärte, daß Alles auf natürlichem Wege zugehe. Ge¬
wiß verhält es sich mit solchen Lampen, wie mit der Sonne; denn
was im Großen vorgeht, wiederholt sich nur im Kleinen. Gewiß
werden kommende Geschlechter auch das Geheimniß solcher Lampen
ausheilen, und o König, man wird Deiner spotten. — Wird nicht
der fünfte Karl verlacht, weil er sich zum Weltuntergange vorberei¬
tete? — Ist nicht der grundgelehrte Fürst Picus von Mirandola
zum Gespött? geworden, weil er den Stein der Weisen suchte; ist
Rudolph der Zweite nicht seiner astrologischen Studien wegen ver¬
höhnt worden? — O geistreichster König der intelligentesten Nation,
doppelt groß wird Deine Schmach sein, d,i Du in Zeiten der Bil¬
dung und der allgemeinen Aufklärung lebst. — Wehe mir, was wird
die Geschichte sagen! wie bangt mir um Deinen großen Namen!

Die Worte „Geschichte", „großer Name" übten von jeher eine
erschütternde Kraft auf den König. - Er war beschämt und schwieg
lange; endlich winkte er dem Minister auszustehen und sagte: Du
hast mich durch Deine Rede nicht überzeugt, aber Du hast Recht. —
Die Lampe sott nicht wieder angezündet werden.

Der Minister unterdrückte die jubelnde Freude über seinen Ka-
biuetsstcg, sprang vom Boden auf und verbeugte sich tief, indem er
pathetisch ausrief: Lange lebe der König! Stets findet sein leuchten¬
der Geist den rechten Weg zum Weste seiner Völker.

Der König machte eine Handbewegung und der Minister ging.
Heimlicher, rief ihm noch der König nach, die Geschichte mit der


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[0063] Stellungen eingewendet? Nein, Dn hast nie etwas eingewendet, wei¬ ser König! Ist das nicht Beweis genug, daß ich gemeint bin? — Hat mich Dir des hochseligen Königs, Deines Vaters, Majestät nicht auf ihrem Todtenbette empfohlen? — Kannst Du die Mär¬ chen glauben, die man Dir von Fortunati Glücksäcklein, von der Wünschelruthe und Tarnkappe, von den Siebenmeilenstiefeln erzählt? Glaubst Du selbst an Aladin's Wunderlampe? Und Du selbst, o König, hast eine solche Lampe in Deiner Stube! — Was wird die Nachwelt sagen, o König, wird sie Dir nicht den schrecklichen Na¬ men des Abergläubischen beilegen? — Weil sich die Lampe zu Zei¬ ten verfinstert, zu Zeiten Heller leuchtet, hältst Du sie für eine Zau¬ berlampe? Hat man nicht Jahrhunderte lang die Sonnenfinsternisse für ein Wunder, für ein Zeichen voller Vorbedeutungen gehalten, bis es sich aufklärte, daß Alles auf natürlichem Wege zugehe. Ge¬ wiß verhält es sich mit solchen Lampen, wie mit der Sonne; denn was im Großen vorgeht, wiederholt sich nur im Kleinen. Gewiß werden kommende Geschlechter auch das Geheimniß solcher Lampen ausheilen, und o König, man wird Deiner spotten. — Wird nicht der fünfte Karl verlacht, weil er sich zum Weltuntergange vorberei¬ tete? — Ist nicht der grundgelehrte Fürst Picus von Mirandola zum Gespött? geworden, weil er den Stein der Weisen suchte; ist Rudolph der Zweite nicht seiner astrologischen Studien wegen ver¬ höhnt worden? — O geistreichster König der intelligentesten Nation, doppelt groß wird Deine Schmach sein, d,i Du in Zeiten der Bil¬ dung und der allgemeinen Aufklärung lebst. — Wehe mir, was wird die Geschichte sagen! wie bangt mir um Deinen großen Namen! Die Worte „Geschichte", „großer Name" übten von jeher eine erschütternde Kraft auf den König. - Er war beschämt und schwieg lange; endlich winkte er dem Minister auszustehen und sagte: Du hast mich durch Deine Rede nicht überzeugt, aber Du hast Recht. — Die Lampe sott nicht wieder angezündet werden. Der Minister unterdrückte die jubelnde Freude über seinen Ka- biuetsstcg, sprang vom Boden auf und verbeugte sich tief, indem er pathetisch ausrief: Lange lebe der König! Stets findet sein leuchten¬ der Geist den rechten Weg zum Weste seiner Völker. Der König machte eine Handbewegung und der Minister ging. Heimlicher, rief ihm noch der König nach, die Geschichte mit der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/63>, abgerufen am 22.07.2024.