Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.Maurerei und bat "in Belehrung. -- Was er mich lehrte, will ich Nachdem das heilige Wort entsendet, das der Welt ihr Dasei" Wie das Herrlichste der Schöpfung in dem Menschen sich offen¬ Maurerei und bat »in Belehrung. — Was er mich lehrte, will ich Nachdem das heilige Wort entsendet, das der Welt ihr Dasei» Wie das Herrlichste der Schöpfung in dem Menschen sich offen¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0592" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/270007"/> <p xml:id="ID_1693" prev="#ID_1692"> Maurerei und bat »in Belehrung. — Was er mich lehrte, will ich<lb/> treu verkündigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1694"> Nachdem das heilige Wort entsendet, das der Welt ihr Dasei»<lb/> gab, ward das Chaos geboren. Dunkel war sein Leben, doch liebe¬<lb/> voll; öde, doch ohne Sehnsucht; einförmig, doch nicht allein, denn<lb/> ihm stand Nichts gegenüber. — Verschwistert waren alle Kräfte, und<lb/> der Schöpfung einziger Sohn schlummerte in Träumen der Kindheit<lb/> und der Unschuld. Nun ward das Licht, und der Friede — starb.<lb/> Die Elemente begannen ihren fürchterlichen Kampf, und aus dem<lb/> Schooße der allumfassenden Mutter stiegen Geschöpfe, feindlich gesinnt<lb/> im Sein und im Werden. Das Licht, das Alles bindet und Alles<lb/> löst, zeugte zwei Söhne: das Leben und den Tod, den Tag und die<lb/> Nacht. Die Morgenröthe spottete die Nacht deS Trugs und des<lb/> Wahns hinweg, und am Abend schwang der Himmel sein blutiges<lb/> Panier, und die verscheuchte Finsterniß kehrte siegreich zurück. Da¬<lb/> sein kämpfte gegen Dasein, Liebe gegen Haß, Treue gegen Verräthe-<lb/> rei, und der Tod gegen Alles. Die Natur hatte ihre ganze Kraft<lb/> verschenkt, es gab kein herrenloses Gut mehr. Was das Eine er¬<lb/> warb, mußte das Andere verlieren; jeder Athemzug war ein Dieb-<lb/> stahl, jeder Pulsschlag war ein Mord. So sproßte die Pflanze der<lb/> Zwietracht, mit ihren Zweigen den- Himmel berührend, und ihre<lb/> Blüthe war — der Mensch.</p><lb/> <p xml:id="ID_1695" next="#ID_1696"> Wie das Herrlichste der Schöpfung in dem Menschen sich offen¬<lb/> bart, so auch das Verworfenste; denn die höchsten Bäume sind'S, die<lb/> am tiefsten wurzeln. Wenn die sinnlosen Geschöpfe der Natur in<lb/> ihren Kämpfen sich bewußtlos anfeindeten, wenn ihren Schmerz we¬<lb/> der Erwartung noch Erinnerung begleitete, so war beim Menschen<lb/> nicht die That allein, auch der Wille war blutig; Reue folgte der<lb/> Sünde nach, und vor dem Uebel ging die Furcht drohend einher.<lb/> Die Herrschaft ward geboren, und mit ihr die Sklaverei. Das Recht<lb/> mußte der Stärke weichen, das Glück ward der Habsucht geopfert,<lb/> und die Unschuld der Bosheit preisgegeben. Jeder Baum der Freude<lb/> trug die vergiftete Frucht des Neidö, und unschuldsvolle Geschlechter<lb/> mußten den Jammer ernten, den Andere gesäet. Der Wahnsinn<lb/> hatte den Menschen ergriffen; er vergaß, daß nur ein Herz im<lb/> Busen der Menschheit sich bewege; mit selbstmörderischen Beginnen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0592]
Maurerei und bat »in Belehrung. — Was er mich lehrte, will ich
treu verkündigen.
Nachdem das heilige Wort entsendet, das der Welt ihr Dasei»
gab, ward das Chaos geboren. Dunkel war sein Leben, doch liebe¬
voll; öde, doch ohne Sehnsucht; einförmig, doch nicht allein, denn
ihm stand Nichts gegenüber. — Verschwistert waren alle Kräfte, und
der Schöpfung einziger Sohn schlummerte in Träumen der Kindheit
und der Unschuld. Nun ward das Licht, und der Friede — starb.
Die Elemente begannen ihren fürchterlichen Kampf, und aus dem
Schooße der allumfassenden Mutter stiegen Geschöpfe, feindlich gesinnt
im Sein und im Werden. Das Licht, das Alles bindet und Alles
löst, zeugte zwei Söhne: das Leben und den Tod, den Tag und die
Nacht. Die Morgenröthe spottete die Nacht deS Trugs und des
Wahns hinweg, und am Abend schwang der Himmel sein blutiges
Panier, und die verscheuchte Finsterniß kehrte siegreich zurück. Da¬
sein kämpfte gegen Dasein, Liebe gegen Haß, Treue gegen Verräthe-
rei, und der Tod gegen Alles. Die Natur hatte ihre ganze Kraft
verschenkt, es gab kein herrenloses Gut mehr. Was das Eine er¬
warb, mußte das Andere verlieren; jeder Athemzug war ein Dieb-
stahl, jeder Pulsschlag war ein Mord. So sproßte die Pflanze der
Zwietracht, mit ihren Zweigen den- Himmel berührend, und ihre
Blüthe war — der Mensch.
Wie das Herrlichste der Schöpfung in dem Menschen sich offen¬
bart, so auch das Verworfenste; denn die höchsten Bäume sind'S, die
am tiefsten wurzeln. Wenn die sinnlosen Geschöpfe der Natur in
ihren Kämpfen sich bewußtlos anfeindeten, wenn ihren Schmerz we¬
der Erwartung noch Erinnerung begleitete, so war beim Menschen
nicht die That allein, auch der Wille war blutig; Reue folgte der
Sünde nach, und vor dem Uebel ging die Furcht drohend einher.
Die Herrschaft ward geboren, und mit ihr die Sklaverei. Das Recht
mußte der Stärke weichen, das Glück ward der Habsucht geopfert,
und die Unschuld der Bosheit preisgegeben. Jeder Baum der Freude
trug die vergiftete Frucht des Neidö, und unschuldsvolle Geschlechter
mußten den Jammer ernten, den Andere gesäet. Der Wahnsinn
hatte den Menschen ergriffen; er vergaß, daß nur ein Herz im
Busen der Menschheit sich bewege; mit selbstmörderischen Beginnen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |