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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Ministers des Innern, Grafen v. Arnim, in Bezug auf Veröffent¬
lichung der vor den Landtag zu bringenden Petitionen reichte hin, um
all die schönen Hoffnungen und Wünsche, welche sich diesmal um den
Landtag gruppirten, vollends einzusargen. Das ist wieder so eine der
seivenen Schnuren, welche von Zeit zu Zeit ausgeschickt werden, um
die seit 1840 in Thätigkeit gekommenen Lebensadern der Presse zu
unterbinden. Es ging hier seit einigen Tagen das Gerücht, man
beabsichtige das Verbot der Deutschen Allg. Ztg., weil sie dies Rescript
abgedruckt habe. Heute lese ich in den Zeitungen eine officielle Wider¬
legung, worin es heißt: "die preußischen Behörden sind nicht von der
Art, daß sie das Bekanntwerden der von ihnen getroffenen Maßregeln
scheuen." So was übersteigt dock) alle Begriffe! -- Die Nachricht, daß
von Diepenbrock die fürstbischöfliche Würde nachträglich angenommen,
wird jetzt eben so ungern hier vernommen, als die anfängliche Ableh¬
nung. Man will nämlich wissen, daß v. Diepenbrock auf Veranlas¬
sung des erzjesuitischen Domherrn Ritter die Annahme der Wahl von
der Nichtanerkennung der neuen katholischen Gemeinde von Seiten der
Regierung abhängig gemacht habe. Und da die neue Gemeinde unser
Augapfel ist, so können Sie sich die Größe unserer Besorgnisse den¬
ken. -- Man hat sehr wohl gefühlt, daß es den heutigen kirchlichen
Bewegungen an einem Manne fehlt, der mit Charakterfestigkeit, Muth
und Gelehrsamkeit zugleich ausgerüstet, die annoch disparaten Elemente
zur Einheit führt, und hat den von 1826 her berühmten Anton Thei-
ner als einen solchen bezeichnet und ihn auch durch öffentliche Anspra¬
chen in den Kampf rufen wollen. Aber Theiner hört nicht, Thciner
schläft weiter, sagen die Blätter. Mit Verlaub, ihr Herrn, Thciner
hat nie geschlafen. Durch die Negierung in seinen reformatorischen
Bestrebungen gehindert, trat er damals vom öffentlichen Schauplatze
ab. Hundsfeld, ein Marktflecken, eine Meile von Breslau entfernt,
wurde das Asyl, welches den von seiner Zeit und seinem Volke ver¬
lassenen Mann aufnahm. Hier vergrub er sich wieder in seinen Fo¬
lianten und stand nur in so fern mit der Welt in Verbindung, als
er hin und wieder hinaushorchte, ob seine Zeit noch nicht gekommen
sei. Die jetzigen Bestrebungen innerhalb der kathol. Kirche begrüßte
er mit Jubel im Herzen, aber er mochte nicht Theil nehmen, weil er
nicht wußte, ob die Negierung nicht abermals Kehrt! commandiren
würde. Dieses Mißtrauen gegen die weltliche Macht ist es allein,
welches ihn noch schweigen heißt. Ich kann Ihnen die beste Versiche¬
rung geben, daß Theiner, sobald von oben her ausdrücklich freies Ter¬
rain gegeben wird, mit den Früchten eines fast zwanzigjährigen an¬
haltenden Fleißes in der Oeffentlichkeit erscheint. Die hiesige Dom¬
geistlichkeit, wohl wissend, welche ihr feindliche Geistesmacht in dem
Manne wohnt, behandelt ihn mit ungewöhnlicher Zuvorkommenheit,
aber Theiner ist für die Schmeicheleien seiner Feinde ebenso unem-


Brcuzbotm I. 7Z

Ministers des Innern, Grafen v. Arnim, in Bezug auf Veröffent¬
lichung der vor den Landtag zu bringenden Petitionen reichte hin, um
all die schönen Hoffnungen und Wünsche, welche sich diesmal um den
Landtag gruppirten, vollends einzusargen. Das ist wieder so eine der
seivenen Schnuren, welche von Zeit zu Zeit ausgeschickt werden, um
die seit 1840 in Thätigkeit gekommenen Lebensadern der Presse zu
unterbinden. Es ging hier seit einigen Tagen das Gerücht, man
beabsichtige das Verbot der Deutschen Allg. Ztg., weil sie dies Rescript
abgedruckt habe. Heute lese ich in den Zeitungen eine officielle Wider¬
legung, worin es heißt: „die preußischen Behörden sind nicht von der
Art, daß sie das Bekanntwerden der von ihnen getroffenen Maßregeln
scheuen." So was übersteigt dock) alle Begriffe! — Die Nachricht, daß
von Diepenbrock die fürstbischöfliche Würde nachträglich angenommen,
wird jetzt eben so ungern hier vernommen, als die anfängliche Ableh¬
nung. Man will nämlich wissen, daß v. Diepenbrock auf Veranlas¬
sung des erzjesuitischen Domherrn Ritter die Annahme der Wahl von
der Nichtanerkennung der neuen katholischen Gemeinde von Seiten der
Regierung abhängig gemacht habe. Und da die neue Gemeinde unser
Augapfel ist, so können Sie sich die Größe unserer Besorgnisse den¬
ken. — Man hat sehr wohl gefühlt, daß es den heutigen kirchlichen
Bewegungen an einem Manne fehlt, der mit Charakterfestigkeit, Muth
und Gelehrsamkeit zugleich ausgerüstet, die annoch disparaten Elemente
zur Einheit führt, und hat den von 1826 her berühmten Anton Thei-
ner als einen solchen bezeichnet und ihn auch durch öffentliche Anspra¬
chen in den Kampf rufen wollen. Aber Theiner hört nicht, Thciner
schläft weiter, sagen die Blätter. Mit Verlaub, ihr Herrn, Thciner
hat nie geschlafen. Durch die Negierung in seinen reformatorischen
Bestrebungen gehindert, trat er damals vom öffentlichen Schauplatze
ab. Hundsfeld, ein Marktflecken, eine Meile von Breslau entfernt,
wurde das Asyl, welches den von seiner Zeit und seinem Volke ver¬
lassenen Mann aufnahm. Hier vergrub er sich wieder in seinen Fo¬
lianten und stand nur in so fern mit der Welt in Verbindung, als
er hin und wieder hinaushorchte, ob seine Zeit noch nicht gekommen
sei. Die jetzigen Bestrebungen innerhalb der kathol. Kirche begrüßte
er mit Jubel im Herzen, aber er mochte nicht Theil nehmen, weil er
nicht wußte, ob die Negierung nicht abermals Kehrt! commandiren
würde. Dieses Mißtrauen gegen die weltliche Macht ist es allein,
welches ihn noch schweigen heißt. Ich kann Ihnen die beste Versiche¬
rung geben, daß Theiner, sobald von oben her ausdrücklich freies Ter¬
rain gegeben wird, mit den Früchten eines fast zwanzigjährigen an¬
haltenden Fleißes in der Oeffentlichkeit erscheint. Die hiesige Dom¬
geistlichkeit, wohl wissend, welche ihr feindliche Geistesmacht in dem
Manne wohnt, behandelt ihn mit ungewöhnlicher Zuvorkommenheit,
aber Theiner ist für die Schmeicheleien seiner Feinde ebenso unem-


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[0579] Ministers des Innern, Grafen v. Arnim, in Bezug auf Veröffent¬ lichung der vor den Landtag zu bringenden Petitionen reichte hin, um all die schönen Hoffnungen und Wünsche, welche sich diesmal um den Landtag gruppirten, vollends einzusargen. Das ist wieder so eine der seivenen Schnuren, welche von Zeit zu Zeit ausgeschickt werden, um die seit 1840 in Thätigkeit gekommenen Lebensadern der Presse zu unterbinden. Es ging hier seit einigen Tagen das Gerücht, man beabsichtige das Verbot der Deutschen Allg. Ztg., weil sie dies Rescript abgedruckt habe. Heute lese ich in den Zeitungen eine officielle Wider¬ legung, worin es heißt: „die preußischen Behörden sind nicht von der Art, daß sie das Bekanntwerden der von ihnen getroffenen Maßregeln scheuen." So was übersteigt dock) alle Begriffe! — Die Nachricht, daß von Diepenbrock die fürstbischöfliche Würde nachträglich angenommen, wird jetzt eben so ungern hier vernommen, als die anfängliche Ableh¬ nung. Man will nämlich wissen, daß v. Diepenbrock auf Veranlas¬ sung des erzjesuitischen Domherrn Ritter die Annahme der Wahl von der Nichtanerkennung der neuen katholischen Gemeinde von Seiten der Regierung abhängig gemacht habe. Und da die neue Gemeinde unser Augapfel ist, so können Sie sich die Größe unserer Besorgnisse den¬ ken. — Man hat sehr wohl gefühlt, daß es den heutigen kirchlichen Bewegungen an einem Manne fehlt, der mit Charakterfestigkeit, Muth und Gelehrsamkeit zugleich ausgerüstet, die annoch disparaten Elemente zur Einheit führt, und hat den von 1826 her berühmten Anton Thei- ner als einen solchen bezeichnet und ihn auch durch öffentliche Anspra¬ chen in den Kampf rufen wollen. Aber Theiner hört nicht, Thciner schläft weiter, sagen die Blätter. Mit Verlaub, ihr Herrn, Thciner hat nie geschlafen. Durch die Negierung in seinen reformatorischen Bestrebungen gehindert, trat er damals vom öffentlichen Schauplatze ab. Hundsfeld, ein Marktflecken, eine Meile von Breslau entfernt, wurde das Asyl, welches den von seiner Zeit und seinem Volke ver¬ lassenen Mann aufnahm. Hier vergrub er sich wieder in seinen Fo¬ lianten und stand nur in so fern mit der Welt in Verbindung, als er hin und wieder hinaushorchte, ob seine Zeit noch nicht gekommen sei. Die jetzigen Bestrebungen innerhalb der kathol. Kirche begrüßte er mit Jubel im Herzen, aber er mochte nicht Theil nehmen, weil er nicht wußte, ob die Negierung nicht abermals Kehrt! commandiren würde. Dieses Mißtrauen gegen die weltliche Macht ist es allein, welches ihn noch schweigen heißt. Ich kann Ihnen die beste Versiche¬ rung geben, daß Theiner, sobald von oben her ausdrücklich freies Ter¬ rain gegeben wird, mit den Früchten eines fast zwanzigjährigen an¬ haltenden Fleißes in der Oeffentlichkeit erscheint. Die hiesige Dom¬ geistlichkeit, wohl wissend, welche ihr feindliche Geistesmacht in dem Manne wohnt, behandelt ihn mit ungewöhnlicher Zuvorkommenheit, aber Theiner ist für die Schmeicheleien seiner Feinde ebenso unem- Brcuzbotm I. 7Z

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/579>, abgerufen am 29.06.2024.