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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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mus ist es, wenn man es in jeder Person und in jeder Sache un-
nöthigerweise herabzerrt. Der sächsische Gesandte hat sich Ruge's, der
würtenbergische hat sich Herwegh's angenommen. Für die Auswei¬
sung Bornstedt's haben sie jedoch gemeinsam sich verwendet und die
hiesige Regierung hatte auch ihren Grund dazu, da Bornstedt für die
legitimistische Sache und für die legitimistischen Journale schrieb.


II.
Aus B r e S l a,".

Entstehung des Constitutions-Mythus. -- Bisherige Thätigkeit des Landtages.
-- Das Ministerialrescript des Grafen von Arnim und die Veröffentlichung
desselben in der Deutschen AUgem. -- Unzufriedenheit über Diepenbrock's Be¬
rufung. -- Die kirchlichen Bewegungen, der Staat und Anton Theiner. --
Holtei's Abgang. --

Ein kleines Mißverständniß ist Schuld daran, daß wir keine Con-
stitution bekommen haben. Sie werden auch in der Weser-Zeitung
gelesen haben, daß der Schles. Landtags-Marschall, Prinz von Hohen-
lohe-Ingelfingen, in seiner Rede an die versammelten Stände die Er¬
mahnung gerichtet, sie möchten nur diesmal den König nicht mit An¬
trägen bestürmen; auf diese Weise werde S. Majestät am ehesten
Concessionen geben. Das wurde natürlich in der Stadt erzählt, und
ein Zeitungsschreiber, einer von jenen Leuten, denen das Gehör stets
mit dem Herzen davon geht, verstand statt Concession -- Constitution
und schreibt sein Mißverständniß nach Bremen. Die Nachricht durch¬
wandert alle Zeitungen und verbreitet Freude in den Landen, nur nicht
bei den scharfhörigen Breslauern und namentlich nicht bei dem fürst¬
lichen Landtags-Marschall, dessen Loyalität dadurch aufs Empfindlichste
verletzt ist. In einer der nächsten Sitzungen hält er über den Aeitungs-
Artikel Gericht und zeiht ihn der Lüge. Somit stände der Staats-
wagen wieder in dem Geleise der historischen Entwickelung. -- Soll
ich Ihnen über die Thätigkeit unseres Landtages wirklich etwas schrei¬
ben? Aumuthen kann ich Ihnen eigentlich nicht, daß Sie die breit¬
spurigen officiellen Berichte in unsern Zeitungen lesen, schon deshalb
nicht, weil der provinzielle Dorfschulzen - Styl mit Constructionen
wie: "außer ihrer Zeugnisse^ und Redewendungen wie: "zur Erleich¬
terung der Schiffsknechte sind Gesindcbücher in Anwendung zu brin¬
gen" Ihnen in Sachsen kaum geläufig fein wird. Hören Sie also,
was ich aus den bogenlangen Referaten bis jetzt für mich herausgelesen
habe. Durchgegangen ist in der Landtagsversammlung eine ge¬
linde Züchtigung der Dienstboten; durch gefallen die Schlösselsche
Petition um größere Sicherstellung der persönlichen Freiheit, der An¬
trag um Erweiterung der Befugnisse der ständischen Ausschüsse---
ich dächte, damit hätten Sie genug. Das Ministcrial-Rescript des


mus ist es, wenn man es in jeder Person und in jeder Sache un-
nöthigerweise herabzerrt. Der sächsische Gesandte hat sich Ruge's, der
würtenbergische hat sich Herwegh's angenommen. Für die Auswei¬
sung Bornstedt's haben sie jedoch gemeinsam sich verwendet und die
hiesige Regierung hatte auch ihren Grund dazu, da Bornstedt für die
legitimistische Sache und für die legitimistischen Journale schrieb.


II.
Aus B r e S l a,».

Entstehung des Constitutions-Mythus. — Bisherige Thätigkeit des Landtages.
— Das Ministerialrescript des Grafen von Arnim und die Veröffentlichung
desselben in der Deutschen AUgem. — Unzufriedenheit über Diepenbrock's Be¬
rufung. — Die kirchlichen Bewegungen, der Staat und Anton Theiner. —
Holtei's Abgang. —

Ein kleines Mißverständniß ist Schuld daran, daß wir keine Con-
stitution bekommen haben. Sie werden auch in der Weser-Zeitung
gelesen haben, daß der Schles. Landtags-Marschall, Prinz von Hohen-
lohe-Ingelfingen, in seiner Rede an die versammelten Stände die Er¬
mahnung gerichtet, sie möchten nur diesmal den König nicht mit An¬
trägen bestürmen; auf diese Weise werde S. Majestät am ehesten
Concessionen geben. Das wurde natürlich in der Stadt erzählt, und
ein Zeitungsschreiber, einer von jenen Leuten, denen das Gehör stets
mit dem Herzen davon geht, verstand statt Concession — Constitution
und schreibt sein Mißverständniß nach Bremen. Die Nachricht durch¬
wandert alle Zeitungen und verbreitet Freude in den Landen, nur nicht
bei den scharfhörigen Breslauern und namentlich nicht bei dem fürst¬
lichen Landtags-Marschall, dessen Loyalität dadurch aufs Empfindlichste
verletzt ist. In einer der nächsten Sitzungen hält er über den Aeitungs-
Artikel Gericht und zeiht ihn der Lüge. Somit stände der Staats-
wagen wieder in dem Geleise der historischen Entwickelung. — Soll
ich Ihnen über die Thätigkeit unseres Landtages wirklich etwas schrei¬
ben? Aumuthen kann ich Ihnen eigentlich nicht, daß Sie die breit¬
spurigen officiellen Berichte in unsern Zeitungen lesen, schon deshalb
nicht, weil der provinzielle Dorfschulzen - Styl mit Constructionen
wie: „außer ihrer Zeugnisse^ und Redewendungen wie: „zur Erleich¬
terung der Schiffsknechte sind Gesindcbücher in Anwendung zu brin¬
gen" Ihnen in Sachsen kaum geläufig fein wird. Hören Sie also,
was ich aus den bogenlangen Referaten bis jetzt für mich herausgelesen
habe. Durchgegangen ist in der Landtagsversammlung eine ge¬
linde Züchtigung der Dienstboten; durch gefallen die Schlösselsche
Petition um größere Sicherstellung der persönlichen Freiheit, der An¬
trag um Erweiterung der Befugnisse der ständischen Ausschüsse---
ich dächte, damit hätten Sie genug. Das Ministcrial-Rescript des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/578>, abgerufen am 26.06.2024.