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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Ihr werdet ja so blaß wie eine Leiche, he Wilkins -- Long -- Ge¬
orge -- helft mir doch -- bei Allem, was heilig ist, Rehfer wird
ohnmächtig!

-- Laßt's nur gut sein! bat dieser, mir ist schon besser, ich bin
den ganzen Tag nicht recht wohl gewesen, es war nur ein Augen-
blick, aber kommt, kommt, wir wollen einmal trinken, mich dürstet,
kommt nur mit mir!

Die Männer begleiteten ihn an den Schcnkstand und tranken
mit ihm, wollten dann aber unbedingt auf ihre Posten zurückkehren,
doch hatte sich jetzt das Blut der meisten schon abgekühlt, sie fluchten
und schimpften noch gehörig auf den Krämer, brachen seinen Wagen
auf und zerstreuten und zerstörten den größten Theil seiner Waaren,
traten aber dann doch, freilich erst spät, theils auf der Fähre ihren
Rückweg nach Bayou Sarah, theils auf ihren kleinen Mustangs den
Fluß hinab oder hinauf ihren Heimweg an.

Lange schon war der letzte Hufschlag verklungen und das Plät¬
schern der sich weiter und weiter entfernenden Ruder verhallt, Tod-
tenstille lagerte auf der stillen Ansiedlung und nur der eintönige Ruf
des Loon schallte von der gegenüber am Flusse liegenden Insel wie
leise Todesklage herüber, aber immer noch saß Rehser vor seinem
Hause auf der Galerie, die den Strom überschaute und starrte mit
leichenähnlichem Antlitz und glanzlosen Allgen auf die breite, trübe
Wasserfläche. Anderthalb Stunden waren so dahin geschwunden, sein
Weib hatte ihn mehrere Male gebeten, in das Haus zu kommen,
er rührte sich nicht, antwortete auf keine ihrer Bitten; endlich scholl
der hohle Laut der in das Boot geworfenen Ruder zu ihm herauf,
die Fahrleute waren zurückgekehrt und kamen jetzt, die Segelstange,
Nuder und Leine tragend, in die Gartenthür. Wie Rehfer diese er¬
blickte, stand er leise auf, winkte ihnen und sagte:

-- Kommt, wir wollen den Leichnam begraben!

Mit wenigen Worten machte er nun die Männer mit dem fürch¬
terlichen Schicksal des Unglücklichen bekannt und zog mit ihrer Hilfe
den leblosen Körper des Armen aus der Cisterne.

Seine Hände waren fest geballt, ein Krampf mußte ihn unfehl¬
bar ergriffen oder der Schlag gerührt haben; leise aber und jedes
Aufsehn vermeidend, trugen sie ihn durch das Baumwollenfeld zurück


Ihr werdet ja so blaß wie eine Leiche, he Wilkins — Long — Ge¬
orge — helft mir doch — bei Allem, was heilig ist, Rehfer wird
ohnmächtig!

— Laßt's nur gut sein! bat dieser, mir ist schon besser, ich bin
den ganzen Tag nicht recht wohl gewesen, es war nur ein Augen-
blick, aber kommt, kommt, wir wollen einmal trinken, mich dürstet,
kommt nur mit mir!

Die Männer begleiteten ihn an den Schcnkstand und tranken
mit ihm, wollten dann aber unbedingt auf ihre Posten zurückkehren,
doch hatte sich jetzt das Blut der meisten schon abgekühlt, sie fluchten
und schimpften noch gehörig auf den Krämer, brachen seinen Wagen
auf und zerstreuten und zerstörten den größten Theil seiner Waaren,
traten aber dann doch, freilich erst spät, theils auf der Fähre ihren
Rückweg nach Bayou Sarah, theils auf ihren kleinen Mustangs den
Fluß hinab oder hinauf ihren Heimweg an.

Lange schon war der letzte Hufschlag verklungen und das Plät¬
schern der sich weiter und weiter entfernenden Ruder verhallt, Tod-
tenstille lagerte auf der stillen Ansiedlung und nur der eintönige Ruf
des Loon schallte von der gegenüber am Flusse liegenden Insel wie
leise Todesklage herüber, aber immer noch saß Rehser vor seinem
Hause auf der Galerie, die den Strom überschaute und starrte mit
leichenähnlichem Antlitz und glanzlosen Allgen auf die breite, trübe
Wasserfläche. Anderthalb Stunden waren so dahin geschwunden, sein
Weib hatte ihn mehrere Male gebeten, in das Haus zu kommen,
er rührte sich nicht, antwortete auf keine ihrer Bitten; endlich scholl
der hohle Laut der in das Boot geworfenen Ruder zu ihm herauf,
die Fahrleute waren zurückgekehrt und kamen jetzt, die Segelstange,
Nuder und Leine tragend, in die Gartenthür. Wie Rehfer diese er¬
blickte, stand er leise auf, winkte ihnen und sagte:

— Kommt, wir wollen den Leichnam begraben!

Mit wenigen Worten machte er nun die Männer mit dem fürch¬
terlichen Schicksal des Unglücklichen bekannt und zog mit ihrer Hilfe
den leblosen Körper des Armen aus der Cisterne.

Seine Hände waren fest geballt, ein Krampf mußte ihn unfehl¬
bar ergriffen oder der Schlag gerührt haben; leise aber und jedes
Aufsehn vermeidend, trugen sie ihn durch das Baumwollenfeld zurück


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[0568] Ihr werdet ja so blaß wie eine Leiche, he Wilkins — Long — Ge¬ orge — helft mir doch — bei Allem, was heilig ist, Rehfer wird ohnmächtig! — Laßt's nur gut sein! bat dieser, mir ist schon besser, ich bin den ganzen Tag nicht recht wohl gewesen, es war nur ein Augen- blick, aber kommt, kommt, wir wollen einmal trinken, mich dürstet, kommt nur mit mir! Die Männer begleiteten ihn an den Schcnkstand und tranken mit ihm, wollten dann aber unbedingt auf ihre Posten zurückkehren, doch hatte sich jetzt das Blut der meisten schon abgekühlt, sie fluchten und schimpften noch gehörig auf den Krämer, brachen seinen Wagen auf und zerstreuten und zerstörten den größten Theil seiner Waaren, traten aber dann doch, freilich erst spät, theils auf der Fähre ihren Rückweg nach Bayou Sarah, theils auf ihren kleinen Mustangs den Fluß hinab oder hinauf ihren Heimweg an. Lange schon war der letzte Hufschlag verklungen und das Plät¬ schern der sich weiter und weiter entfernenden Ruder verhallt, Tod- tenstille lagerte auf der stillen Ansiedlung und nur der eintönige Ruf des Loon schallte von der gegenüber am Flusse liegenden Insel wie leise Todesklage herüber, aber immer noch saß Rehser vor seinem Hause auf der Galerie, die den Strom überschaute und starrte mit leichenähnlichem Antlitz und glanzlosen Allgen auf die breite, trübe Wasserfläche. Anderthalb Stunden waren so dahin geschwunden, sein Weib hatte ihn mehrere Male gebeten, in das Haus zu kommen, er rührte sich nicht, antwortete auf keine ihrer Bitten; endlich scholl der hohle Laut der in das Boot geworfenen Ruder zu ihm herauf, die Fahrleute waren zurückgekehrt und kamen jetzt, die Segelstange, Nuder und Leine tragend, in die Gartenthür. Wie Rehfer diese er¬ blickte, stand er leise auf, winkte ihnen und sagte: — Kommt, wir wollen den Leichnam begraben! Mit wenigen Worten machte er nun die Männer mit dem fürch¬ terlichen Schicksal des Unglücklichen bekannt und zog mit ihrer Hilfe den leblosen Körper des Armen aus der Cisterne. Seine Hände waren fest geballt, ein Krampf mußte ihn unfehl¬ bar ergriffen oder der Schlag gerührt haben; leise aber und jedes Aufsehn vermeidend, trugen sie ihn durch das Baumwollenfeld zurück

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/568>, abgerufen am 22.07.2024.