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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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-- Ich habe einen jungen Alligator darin, entgegnete Rehfer
mit seltner Geistesgegenwart.

-- Einen Alligator? sagte der Kapitän und sah den Deutschen
forschend an. Nehfer, Rehfer, wenn der Schuft in der Cisterne
stäcke --

-- Seid Ihr unklug, zürnte, sich ärgerlich stellend, der Wirth,
es sind acht Fuß Wasser darin!

-- Gebt mir eine Stange, rief der Sattler, irgend ein Stück
Schilf oder eine Latte!

-- Ja eine Latte, eine Stange, dort eine von den Fenzstangen,
schrien jetzt Mehrere aus dem Haufen, die sich um die Sprechenden
gedrängt hatten, wir wollen in die Cisterne gucken.

-- Nun Ihr glaubt doch wahrhaftig nicht, daß ein Mensch
unter Wasser leben kann! rief der Deutsche, jetzt ernstlich besorgt, daß
sie den Schlupfwinkel des Unglücklichen entdecken möchten, gebt mir
die Stange, Ihr sollt Euch überzeugen, wie tief das Wasser ist, und
damit stieg er auf die Brüstung, welche die Andern umstanden; klet¬
tert nicht herauf, Kapitän, es ist Alles morsch und verfault hier oben,
rief er dabei diesem zu, der im Begriff war, ihm zum Rande
des Wasserbehältnisses zu folgen, Ihr könnt Hals und Beine brechen!

-- Kümmere Euch nicht um meinen Hals, lachte der Sattler,
erst will ich sehn, ob dort nicht ein Hals drin steckt, den wir hier
draußen brauchen.

-- Nun denn, so kommt und seid verdammt! fluchte Rehfer und
hob das Brett in die Höhe, unter welchem hindurch der Krämer in
die Cisterne gestiegen war. Mit ihm erreichte der "Kapitän" zu glei¬
cher Zeit den Rand und schaute hinab, unten herrschte aber Todten-
stille, nicht das Mindeste war auf der glatten Wasserfläche zu sehn
und nur die Stange lehnte noch wie früher in dem Behältnisse, Reh¬
fer sah den Amerikaner mit stummem Entsetzen an.

-- Euer Alligator scheint auf dem Boden zu sitzen, sagte dieser,
indem er auf die trübe Fluth mederschaute.

-- Ja! hauchte Nehfer und behielt kaum Stärke genug, sich
oben an der Cisterne festzuklammern, als der Kapitän, ihn anblickend,
sein plötzliches Erbleichen bemerkte und gerade noch zur rechten Zeit
hinunter sprang, den Sinkenden in seinen Armen aufzufangen.

-- Was zum Teufel, rief er diesem zu, was fehlt Euch denn,


— Ich habe einen jungen Alligator darin, entgegnete Rehfer
mit seltner Geistesgegenwart.

— Einen Alligator? sagte der Kapitän und sah den Deutschen
forschend an. Nehfer, Rehfer, wenn der Schuft in der Cisterne
stäcke —

— Seid Ihr unklug, zürnte, sich ärgerlich stellend, der Wirth,
es sind acht Fuß Wasser darin!

— Gebt mir eine Stange, rief der Sattler, irgend ein Stück
Schilf oder eine Latte!

— Ja eine Latte, eine Stange, dort eine von den Fenzstangen,
schrien jetzt Mehrere aus dem Haufen, die sich um die Sprechenden
gedrängt hatten, wir wollen in die Cisterne gucken.

— Nun Ihr glaubt doch wahrhaftig nicht, daß ein Mensch
unter Wasser leben kann! rief der Deutsche, jetzt ernstlich besorgt, daß
sie den Schlupfwinkel des Unglücklichen entdecken möchten, gebt mir
die Stange, Ihr sollt Euch überzeugen, wie tief das Wasser ist, und
damit stieg er auf die Brüstung, welche die Andern umstanden; klet¬
tert nicht herauf, Kapitän, es ist Alles morsch und verfault hier oben,
rief er dabei diesem zu, der im Begriff war, ihm zum Rande
des Wasserbehältnisses zu folgen, Ihr könnt Hals und Beine brechen!

— Kümmere Euch nicht um meinen Hals, lachte der Sattler,
erst will ich sehn, ob dort nicht ein Hals drin steckt, den wir hier
draußen brauchen.

— Nun denn, so kommt und seid verdammt! fluchte Rehfer und
hob das Brett in die Höhe, unter welchem hindurch der Krämer in
die Cisterne gestiegen war. Mit ihm erreichte der „Kapitän" zu glei¬
cher Zeit den Rand und schaute hinab, unten herrschte aber Todten-
stille, nicht das Mindeste war auf der glatten Wasserfläche zu sehn
und nur die Stange lehnte noch wie früher in dem Behältnisse, Reh¬
fer sah den Amerikaner mit stummem Entsetzen an.

— Euer Alligator scheint auf dem Boden zu sitzen, sagte dieser,
indem er auf die trübe Fluth mederschaute.

— Ja! hauchte Nehfer und behielt kaum Stärke genug, sich
oben an der Cisterne festzuklammern, als der Kapitän, ihn anblickend,
sein plötzliches Erbleichen bemerkte und gerade noch zur rechten Zeit
hinunter sprang, den Sinkenden in seinen Armen aufzufangen.

— Was zum Teufel, rief er diesem zu, was fehlt Euch denn,


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[0567] — Ich habe einen jungen Alligator darin, entgegnete Rehfer mit seltner Geistesgegenwart. — Einen Alligator? sagte der Kapitän und sah den Deutschen forschend an. Nehfer, Rehfer, wenn der Schuft in der Cisterne stäcke — — Seid Ihr unklug, zürnte, sich ärgerlich stellend, der Wirth, es sind acht Fuß Wasser darin! — Gebt mir eine Stange, rief der Sattler, irgend ein Stück Schilf oder eine Latte! — Ja eine Latte, eine Stange, dort eine von den Fenzstangen, schrien jetzt Mehrere aus dem Haufen, die sich um die Sprechenden gedrängt hatten, wir wollen in die Cisterne gucken. — Nun Ihr glaubt doch wahrhaftig nicht, daß ein Mensch unter Wasser leben kann! rief der Deutsche, jetzt ernstlich besorgt, daß sie den Schlupfwinkel des Unglücklichen entdecken möchten, gebt mir die Stange, Ihr sollt Euch überzeugen, wie tief das Wasser ist, und damit stieg er auf die Brüstung, welche die Andern umstanden; klet¬ tert nicht herauf, Kapitän, es ist Alles morsch und verfault hier oben, rief er dabei diesem zu, der im Begriff war, ihm zum Rande des Wasserbehältnisses zu folgen, Ihr könnt Hals und Beine brechen! — Kümmere Euch nicht um meinen Hals, lachte der Sattler, erst will ich sehn, ob dort nicht ein Hals drin steckt, den wir hier draußen brauchen. — Nun denn, so kommt und seid verdammt! fluchte Rehfer und hob das Brett in die Höhe, unter welchem hindurch der Krämer in die Cisterne gestiegen war. Mit ihm erreichte der „Kapitän" zu glei¬ cher Zeit den Rand und schaute hinab, unten herrschte aber Todten- stille, nicht das Mindeste war auf der glatten Wasserfläche zu sehn und nur die Stange lehnte noch wie früher in dem Behältnisse, Reh¬ fer sah den Amerikaner mit stummem Entsetzen an. — Euer Alligator scheint auf dem Boden zu sitzen, sagte dieser, indem er auf die trübe Fluth mederschaute. — Ja! hauchte Nehfer und behielt kaum Stärke genug, sich oben an der Cisterne festzuklammern, als der Kapitän, ihn anblickend, sein plötzliches Erbleichen bemerkte und gerade noch zur rechten Zeit hinunter sprang, den Sinkenden in seinen Armen aufzufangen. — Was zum Teufel, rief er diesem zu, was fehlt Euch denn,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/567>, abgerufen am 23.07.2024.