Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

hin -- daß Euch Niemand erblickt -- was jene Menschenmenge über
Euch beschlossen hat?

-- Nun? frug Wolf, und seine Kinnlade senkte sich bedeu¬
tend.

-- Euch am Halse aufzuhängen, bis Ihr todt seid -- sie sind
nur noch nicht recht einig darüber, ob an den Galgen oder an den
Nußbaum! waS würdet Ihr vorziehn?

-- Mr. Rehfer, stammelte der zum Tode Erschreckte, dem die
Ausführung einer solchen That keineswegs unwahrscheinlich erschien,
indem derartige Gewaltstreiche, besonders in der letzten Zeit, ziemlich
häufig vorgefallen waren; Sie scherzen wohl? o, sehen Sie nicht so
ernsthaft dabei aus -- Madame Rehfer -- Gott -- wäre es denn
wirklich wahr, aber -- Sie werden, -- Sie werden mich doch nicht
ausliefern? ach um Gotteswillen, kann man denn nicht nach dem
Constable schicken?

-- Wenn ich mich nicht ganz in den Gerichten irre, meinte
Nehfer kopfschüttelnd -- so sind Richter sowohl als Constable schon um
diese Zeit eine bedeutende Strecke von hier entfernt und übernachten
heute Abend, Gott weiß wo, nur um von einer Sache Nichts zu
hören, der sie doch nicht so leicht Einhalt thun können, vielleicht nicht
einmal gerne wollen -- denn, hol's der Teufel, Wolf -- es war
ein erbärmlicher Streich von Euch, da für die paar lumpigen Thaler
den Henker zu machen, ich habe wahrhaftig nicht übel Lust --

-- Ach bester Mr. Nehfer -- bat der jetzt ganz nüchtern ge¬
wordene Krämer in Todesangst -- retten Sie mich !-- schimpfen
Sie mich, machen Sie mich schlecht, schlagen Sie mich --
ich hab es verdient -- aber -- liefern Sie mich den Men¬
schen nicht aus -- und damit warf er sich auf die Kniee und ver¬
barg sein Gesicht in den von dem breiten Bett herniederhängenden
Decken.

Er hatte recht gehört, die Berathung war beendigt und die
Masse wälzte sich in das Haus und um die Gebäude herum
und schreiend und tobend riefen sie nach Nehfer und dem
Krämer.

-- Nelken Sie mich um Jesu Christi Willen, flehte der Pedlar
in Todesnoth auf seinen Knieen und versuchte Rehfer'ö Hand zu er¬
greifen.


hin — daß Euch Niemand erblickt — was jene Menschenmenge über
Euch beschlossen hat?

— Nun? frug Wolf, und seine Kinnlade senkte sich bedeu¬
tend.

— Euch am Halse aufzuhängen, bis Ihr todt seid — sie sind
nur noch nicht recht einig darüber, ob an den Galgen oder an den
Nußbaum! waS würdet Ihr vorziehn?

— Mr. Rehfer, stammelte der zum Tode Erschreckte, dem die
Ausführung einer solchen That keineswegs unwahrscheinlich erschien,
indem derartige Gewaltstreiche, besonders in der letzten Zeit, ziemlich
häufig vorgefallen waren; Sie scherzen wohl? o, sehen Sie nicht so
ernsthaft dabei aus — Madame Rehfer — Gott — wäre es denn
wirklich wahr, aber — Sie werden, — Sie werden mich doch nicht
ausliefern? ach um Gotteswillen, kann man denn nicht nach dem
Constable schicken?

— Wenn ich mich nicht ganz in den Gerichten irre, meinte
Nehfer kopfschüttelnd — so sind Richter sowohl als Constable schon um
diese Zeit eine bedeutende Strecke von hier entfernt und übernachten
heute Abend, Gott weiß wo, nur um von einer Sache Nichts zu
hören, der sie doch nicht so leicht Einhalt thun können, vielleicht nicht
einmal gerne wollen — denn, hol's der Teufel, Wolf — es war
ein erbärmlicher Streich von Euch, da für die paar lumpigen Thaler
den Henker zu machen, ich habe wahrhaftig nicht übel Lust —

— Ach bester Mr. Nehfer — bat der jetzt ganz nüchtern ge¬
wordene Krämer in Todesangst — retten Sie mich !— schimpfen
Sie mich, machen Sie mich schlecht, schlagen Sie mich —
ich hab es verdient — aber — liefern Sie mich den Men¬
schen nicht aus — und damit warf er sich auf die Kniee und ver¬
barg sein Gesicht in den von dem breiten Bett herniederhängenden
Decken.

Er hatte recht gehört, die Berathung war beendigt und die
Masse wälzte sich in das Haus und um die Gebäude herum
und schreiend und tobend riefen sie nach Nehfer und dem
Krämer.

— Nelken Sie mich um Jesu Christi Willen, flehte der Pedlar
in Todesnoth auf seinen Knieen und versuchte Rehfer'ö Hand zu er¬
greifen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0562" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269977"/>
          <p xml:id="ID_1573" prev="#ID_1572"> hin &#x2014; daß Euch Niemand erblickt &#x2014; was jene Menschenmenge über<lb/>
Euch beschlossen hat?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1574"> &#x2014; Nun? frug Wolf, und seine Kinnlade senkte sich bedeu¬<lb/>
tend.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1575"> &#x2014; Euch am Halse aufzuhängen, bis Ihr todt seid &#x2014; sie sind<lb/>
nur noch nicht recht einig darüber, ob an den Galgen oder an den<lb/>
Nußbaum! waS würdet Ihr vorziehn?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1576"> &#x2014; Mr. Rehfer, stammelte der zum Tode Erschreckte, dem die<lb/>
Ausführung einer solchen That keineswegs unwahrscheinlich erschien,<lb/>
indem derartige Gewaltstreiche, besonders in der letzten Zeit, ziemlich<lb/>
häufig vorgefallen waren; Sie scherzen wohl? o, sehen Sie nicht so<lb/>
ernsthaft dabei aus &#x2014; Madame Rehfer &#x2014; Gott &#x2014; wäre es denn<lb/>
wirklich wahr, aber &#x2014; Sie werden, &#x2014; Sie werden mich doch nicht<lb/>
ausliefern? ach um Gotteswillen, kann man denn nicht nach dem<lb/>
Constable schicken?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1577"> &#x2014; Wenn ich mich nicht ganz in den Gerichten irre, meinte<lb/>
Nehfer kopfschüttelnd &#x2014; so sind Richter sowohl als Constable schon um<lb/>
diese Zeit eine bedeutende Strecke von hier entfernt und übernachten<lb/>
heute Abend, Gott weiß wo, nur um von einer Sache Nichts zu<lb/>
hören, der sie doch nicht so leicht Einhalt thun können, vielleicht nicht<lb/>
einmal gerne wollen &#x2014; denn, hol's der Teufel, Wolf &#x2014; es war<lb/>
ein erbärmlicher Streich von Euch, da für die paar lumpigen Thaler<lb/>
den Henker zu machen, ich habe wahrhaftig nicht übel Lust &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1578"> &#x2014; Ach bester Mr. Nehfer &#x2014; bat der jetzt ganz nüchtern ge¬<lb/>
wordene Krämer in Todesangst &#x2014; retten Sie mich !&#x2014; schimpfen<lb/>
Sie mich, machen Sie mich schlecht, schlagen Sie mich &#x2014;<lb/>
ich hab es verdient &#x2014; aber &#x2014; liefern Sie mich den Men¬<lb/>
schen nicht aus &#x2014; und damit warf er sich auf die Kniee und ver¬<lb/>
barg sein Gesicht in den von dem breiten Bett herniederhängenden<lb/>
Decken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1579"> Er hatte recht gehört, die Berathung war beendigt und die<lb/>
Masse wälzte sich in das Haus und um die Gebäude herum<lb/>
und schreiend und tobend riefen sie nach Nehfer und dem<lb/>
Krämer.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1580"> &#x2014; Nelken Sie mich um Jesu Christi Willen, flehte der Pedlar<lb/>
in Todesnoth auf seinen Knieen und versuchte Rehfer'ö Hand zu er¬<lb/>
greifen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0562] hin — daß Euch Niemand erblickt — was jene Menschenmenge über Euch beschlossen hat? — Nun? frug Wolf, und seine Kinnlade senkte sich bedeu¬ tend. — Euch am Halse aufzuhängen, bis Ihr todt seid — sie sind nur noch nicht recht einig darüber, ob an den Galgen oder an den Nußbaum! waS würdet Ihr vorziehn? — Mr. Rehfer, stammelte der zum Tode Erschreckte, dem die Ausführung einer solchen That keineswegs unwahrscheinlich erschien, indem derartige Gewaltstreiche, besonders in der letzten Zeit, ziemlich häufig vorgefallen waren; Sie scherzen wohl? o, sehen Sie nicht so ernsthaft dabei aus — Madame Rehfer — Gott — wäre es denn wirklich wahr, aber — Sie werden, — Sie werden mich doch nicht ausliefern? ach um Gotteswillen, kann man denn nicht nach dem Constable schicken? — Wenn ich mich nicht ganz in den Gerichten irre, meinte Nehfer kopfschüttelnd — so sind Richter sowohl als Constable schon um diese Zeit eine bedeutende Strecke von hier entfernt und übernachten heute Abend, Gott weiß wo, nur um von einer Sache Nichts zu hören, der sie doch nicht so leicht Einhalt thun können, vielleicht nicht einmal gerne wollen — denn, hol's der Teufel, Wolf — es war ein erbärmlicher Streich von Euch, da für die paar lumpigen Thaler den Henker zu machen, ich habe wahrhaftig nicht übel Lust — — Ach bester Mr. Nehfer — bat der jetzt ganz nüchtern ge¬ wordene Krämer in Todesangst — retten Sie mich !— schimpfen Sie mich, machen Sie mich schlecht, schlagen Sie mich — ich hab es verdient — aber — liefern Sie mich den Men¬ schen nicht aus — und damit warf er sich auf die Kniee und ver¬ barg sein Gesicht in den von dem breiten Bett herniederhängenden Decken. Er hatte recht gehört, die Berathung war beendigt und die Masse wälzte sich in das Haus und um die Gebäude herum und schreiend und tobend riefen sie nach Nehfer und dem Krämer. — Nelken Sie mich um Jesu Christi Willen, flehte der Pedlar in Todesnoth auf seinen Knieen und versuchte Rehfer'ö Hand zu er¬ greifen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/562
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/562>, abgerufen am 23.07.2024.