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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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-- Retten Sie mich, wenn Ihnen Ihr eigenes Seelenheil am
Herzen liegt -- ach Madame Nehfer, Sie wollen mich doch hier
nicht mit kaltem Blute morden sehn?

-- Wo ist der Krämer? Heraus mit dem Krämer! tobte der
Haufen!

-- Nelken Sie mich, flüsterte der Unglückliche mit verhaltener,
zitternder Stimme; verlassen Sie mich nicht, wenn Sie nicht Gott in
Ihrer letzten Stunde verlassen soll.

-- Nehfer -- Vater -- rette den Mann! bat die Frau, Du
wirst doch nicht zugeben, daß sie ihn aus Deiner Stube schleppen?

-- Wo ist der Krämer -- heraus mit dem Hund! schrie jetzt
dicht unter den Fenstern die Menge!

-- Pack ihn in das Bett, Emilie! flüsterte der Deutsche schnell
seiner Frau jetzt zu -- pank ihn gut weg -- nimm aus dem ein¬
schläfrigen Bett dort noch die schmale Matratze und lege sie auf
die unsrige, hinter die kann er sich legen und an sie andrücken --
dort werden sie ihn auch nicht vermuthen, ich will indessen suchen,
die Bluthunde auf eine falsche Fährte zu bringen I

-- Engel -- Retter! lallte der Krämer und wollte seine Hand
ergreifen -- dieser aber stieß ihn von sich -- fort, rief er leise mit
unterdrückter Stimme.

-- spart Euren Dank -- ich ein's nicht gern, denn -- Gott
verzeih mir die Sünde -- aber -- ich glaube, ich möchte Euch selber
hängen sehn!

Damit trat er hinaus vor die Thür, um weiter keinen Ver¬
dacht zu erregen und die tobenden Männer zu beruhigen, die jetzt
wie eine wogende Fluth das Haus umrasten und den Pedlar ver¬
langten.

-- Wo ist er -- Nehfer -- gebt ihn heraus -- dann it es kann
Euch selber schlecht gehn, wenn Ihr gemeinschaftliche Cache mit ihm
macht liefet ihn aus oder wir durchsuchen Euer ganzes Haus
und stecken es an, wenn wir den Schurken finden.

^ Zum Henker noch einmal, rief Nehfer, der seine Leute kannte
-- steckt es doch an, wenn Jhr'ö wagt, dem Ersten aber, der sich
mit einem Brande naht, schieß ich eine Kugel vor den Kopf -- waS
zum Teufel weiß ich von dem Krämer? Ihr habt doch Alle gesehn,
daß er gleich nach der Execution zu dem Deputy-Sheriff gegangen


Grenzbottii, 184S. I. 71

— Retten Sie mich, wenn Ihnen Ihr eigenes Seelenheil am
Herzen liegt — ach Madame Nehfer, Sie wollen mich doch hier
nicht mit kaltem Blute morden sehn?

— Wo ist der Krämer? Heraus mit dem Krämer! tobte der
Haufen!

— Nelken Sie mich, flüsterte der Unglückliche mit verhaltener,
zitternder Stimme; verlassen Sie mich nicht, wenn Sie nicht Gott in
Ihrer letzten Stunde verlassen soll.

— Nehfer — Vater — rette den Mann! bat die Frau, Du
wirst doch nicht zugeben, daß sie ihn aus Deiner Stube schleppen?

— Wo ist der Krämer — heraus mit dem Hund! schrie jetzt
dicht unter den Fenstern die Menge!

— Pack ihn in das Bett, Emilie! flüsterte der Deutsche schnell
seiner Frau jetzt zu — pank ihn gut weg — nimm aus dem ein¬
schläfrigen Bett dort noch die schmale Matratze und lege sie auf
die unsrige, hinter die kann er sich legen und an sie andrücken —
dort werden sie ihn auch nicht vermuthen, ich will indessen suchen,
die Bluthunde auf eine falsche Fährte zu bringen I

— Engel — Retter! lallte der Krämer und wollte seine Hand
ergreifen — dieser aber stieß ihn von sich — fort, rief er leise mit
unterdrückter Stimme.

— spart Euren Dank — ich ein's nicht gern, denn — Gott
verzeih mir die Sünde — aber — ich glaube, ich möchte Euch selber
hängen sehn!

Damit trat er hinaus vor die Thür, um weiter keinen Ver¬
dacht zu erregen und die tobenden Männer zu beruhigen, die jetzt
wie eine wogende Fluth das Haus umrasten und den Pedlar ver¬
langten.

— Wo ist er — Nehfer — gebt ihn heraus — dann it es kann
Euch selber schlecht gehn, wenn Ihr gemeinschaftliche Cache mit ihm
macht liefet ihn aus oder wir durchsuchen Euer ganzes Haus
und stecken es an, wenn wir den Schurken finden.

^ Zum Henker noch einmal, rief Nehfer, der seine Leute kannte
— steckt es doch an, wenn Jhr'ö wagt, dem Ersten aber, der sich
mit einem Brande naht, schieß ich eine Kugel vor den Kopf — waS
zum Teufel weiß ich von dem Krämer? Ihr habt doch Alle gesehn,
daß er gleich nach der Execution zu dem Deputy-Sheriff gegangen


Grenzbottii, 184S. I. 71
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[0563] — Retten Sie mich, wenn Ihnen Ihr eigenes Seelenheil am Herzen liegt — ach Madame Nehfer, Sie wollen mich doch hier nicht mit kaltem Blute morden sehn? — Wo ist der Krämer? Heraus mit dem Krämer! tobte der Haufen! — Nelken Sie mich, flüsterte der Unglückliche mit verhaltener, zitternder Stimme; verlassen Sie mich nicht, wenn Sie nicht Gott in Ihrer letzten Stunde verlassen soll. — Nehfer — Vater — rette den Mann! bat die Frau, Du wirst doch nicht zugeben, daß sie ihn aus Deiner Stube schleppen? — Wo ist der Krämer — heraus mit dem Hund! schrie jetzt dicht unter den Fenstern die Menge! — Pack ihn in das Bett, Emilie! flüsterte der Deutsche schnell seiner Frau jetzt zu — pank ihn gut weg — nimm aus dem ein¬ schläfrigen Bett dort noch die schmale Matratze und lege sie auf die unsrige, hinter die kann er sich legen und an sie andrücken — dort werden sie ihn auch nicht vermuthen, ich will indessen suchen, die Bluthunde auf eine falsche Fährte zu bringen I — Engel — Retter! lallte der Krämer und wollte seine Hand ergreifen — dieser aber stieß ihn von sich — fort, rief er leise mit unterdrückter Stimme. — spart Euren Dank — ich ein's nicht gern, denn — Gott verzeih mir die Sünde — aber — ich glaube, ich möchte Euch selber hängen sehn! Damit trat er hinaus vor die Thür, um weiter keinen Ver¬ dacht zu erregen und die tobenden Männer zu beruhigen, die jetzt wie eine wogende Fluth das Haus umrasten und den Pedlar ver¬ langten. — Wo ist er — Nehfer — gebt ihn heraus — dann it es kann Euch selber schlecht gehn, wenn Ihr gemeinschaftliche Cache mit ihm macht liefet ihn aus oder wir durchsuchen Euer ganzes Haus und stecken es an, wenn wir den Schurken finden. ^ Zum Henker noch einmal, rief Nehfer, der seine Leute kannte — steckt es doch an, wenn Jhr'ö wagt, dem Ersten aber, der sich mit einem Brande naht, schieß ich eine Kugel vor den Kopf — waS zum Teufel weiß ich von dem Krämer? Ihr habt doch Alle gesehn, daß er gleich nach der Execution zu dem Deputy-Sheriff gegangen Grenzbottii, 184S. I. 71

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/563>, abgerufen am 23.07.2024.