Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.von Mordthaten; wie würde ein deutsches Blatt eine solche Nachricht Die Revue de Paris, die bekanntlich seit einem halben Jahre Der Musikalienhändler Schlesinger ist mit seinem Compagnon Das arrogante Wort Rothschilds: "Es ist Zeit, Frankreich zu von Mordthaten; wie würde ein deutsches Blatt eine solche Nachricht Die Revue de Paris, die bekanntlich seit einem halben Jahre Der Musikalienhändler Schlesinger ist mit seinem Compagnon Das arrogante Wort Rothschilds: „Es ist Zeit, Frankreich zu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0056" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269473"/> <p xml:id="ID_124" prev="#ID_123"> von Mordthaten; wie würde ein deutsches Blatt eine solche Nachricht<lb/> einleiten, wenn sie aus jParis käme? — Was würde da über die<lb/> Sittenlostgkeit und Verderbtheit der Franzosen gepredigt werden, und doch<lb/> ist Paris um einige Hauser größer als die biergesegnete gottselige Residenz<lb/> Görres's. Glauben die Deutschen, daß sie wirklich tugendhafter sind<lb/> als die Franzosen, weil ihre Sünden w heimlichen Verhören gebeichtet<lb/> werden, weil sie den Muth, eine öffentliche Verhandlung zu erobern,<lb/> nicht besitzen; wissen die deutschen Zeitungsschreiber nicht, daß jeder<lb/> dieser obligaten Bannstrahlen gegen Paris und Frankreich, mit wel¬<lb/> chem gewöhnlich die leckere Kost einer Pariser Gerichtsverhandlung<lb/> eingeleitet wird, nur ein Mittel mehr ist, die Machthaber in der Ver¬<lb/> weigerung der öffentlichen Gerichtsbarkeit zu bestärken? — Im Mi¬<lb/> nisterrath gewisser deutscher Staaten bestürmte der Cultus-Minister<lb/> seine Collegen von der Justiz, die Gerichtsbarkeit ja nicht öffentlich<lb/> werden zu lassen, damit die Mängel der Nolkserzichung nicht allzu<lb/> handgreiflich, damit das Uebergewicht der Priesterschaft nicht gar so<lb/> unmotivirt sich herausstelle.</p><lb/> <p xml:id="ID_125"> Die Revue de Paris, die bekanntlich seit einem halben Jahre<lb/> ihre Gestalt verändert hat, ist wegen der Perfidie, mit der sie die be¬<lb/> deutendsten Schriftsteller behandelte, von diesen in die Acht erklärt<lb/> worden und Alexander Dumas namentlich macht ihr einen Krieg auf<lb/> Leben und Tod. Sie wird fortan meist Uebersetzungen deutscher und<lb/> englischer Romane bringen. Heine's Märchen ist von ihr freilich ver¬<lb/> stümmelt übersetzt worden und zwar mit Einwilligung des Dichters.</p><lb/> <p xml:id="ID_126"> Der Musikalienhändler Schlesinger ist mit seinem Compagnon<lb/> nach Berlin abgereist, um die neue Oper Meyerbeer's für die franzö¬<lb/> sischen Bühnen zu acquiriren. — Von den Memoiren des General<lb/> Montholon, die nächstens erscheinen sollen, wird viel gesprochen. Es<lb/> heißt, daß außerordentliche Aufschlüsse darin enthalten sein sollen. —<lb/> Statt Gefangener auf Se. Helena zu sein, habe Napoleon Spione<lb/> in ganz Europa gehabt, habe er mit dem Kaiser Alexander von Ru߬<lb/> land bestandig correspondirt, Hudson Löwe sei sein wahrer Sklave ge¬<lb/> wesen, über den er sich oft lustig gemacht, keiner seiner Generale, außer<lb/> Montholon, wußte darum und gerade, als er todtkrank ward, war er<lb/> bereit, zum dritten Male den Scepter zu ergreifen. — Das Alles<lb/> klingt wie eine Fabel, aber es scheint doch, als sei etwas Wahres<lb/> daran. — Montholon soll Beweise liefern. —<lb/> '</p><lb/> <p xml:id="ID_127" next="#ID_128"> Das arrogante Wort Rothschilds: „Es ist Zeit, Frankreich zu<lb/> dem Credit zu erheben, den andere Staaten genießen", hat seine voll¬<lb/> ständige Richtigkeit. Aber der Staat ist mit dem neuen Anlehcn gut<lb/> gefahren; Rothschild gab das höchste Gebot und um die kleine Prah¬<lb/> lerei kümmerte man sich nicht. Rothschild ist übrigens jetzt nicht nur<lb/> einer der größten Gläubiger Frankreichs, sondern er wird auch bald<lb/> einer seiner größten Grundbesitzer sein. Er arrondirt seine großen Be-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0056]
von Mordthaten; wie würde ein deutsches Blatt eine solche Nachricht
einleiten, wenn sie aus jParis käme? — Was würde da über die
Sittenlostgkeit und Verderbtheit der Franzosen gepredigt werden, und doch
ist Paris um einige Hauser größer als die biergesegnete gottselige Residenz
Görres's. Glauben die Deutschen, daß sie wirklich tugendhafter sind
als die Franzosen, weil ihre Sünden w heimlichen Verhören gebeichtet
werden, weil sie den Muth, eine öffentliche Verhandlung zu erobern,
nicht besitzen; wissen die deutschen Zeitungsschreiber nicht, daß jeder
dieser obligaten Bannstrahlen gegen Paris und Frankreich, mit wel¬
chem gewöhnlich die leckere Kost einer Pariser Gerichtsverhandlung
eingeleitet wird, nur ein Mittel mehr ist, die Machthaber in der Ver¬
weigerung der öffentlichen Gerichtsbarkeit zu bestärken? — Im Mi¬
nisterrath gewisser deutscher Staaten bestürmte der Cultus-Minister
seine Collegen von der Justiz, die Gerichtsbarkeit ja nicht öffentlich
werden zu lassen, damit die Mängel der Nolkserzichung nicht allzu
handgreiflich, damit das Uebergewicht der Priesterschaft nicht gar so
unmotivirt sich herausstelle.
Die Revue de Paris, die bekanntlich seit einem halben Jahre
ihre Gestalt verändert hat, ist wegen der Perfidie, mit der sie die be¬
deutendsten Schriftsteller behandelte, von diesen in die Acht erklärt
worden und Alexander Dumas namentlich macht ihr einen Krieg auf
Leben und Tod. Sie wird fortan meist Uebersetzungen deutscher und
englischer Romane bringen. Heine's Märchen ist von ihr freilich ver¬
stümmelt übersetzt worden und zwar mit Einwilligung des Dichters.
Der Musikalienhändler Schlesinger ist mit seinem Compagnon
nach Berlin abgereist, um die neue Oper Meyerbeer's für die franzö¬
sischen Bühnen zu acquiriren. — Von den Memoiren des General
Montholon, die nächstens erscheinen sollen, wird viel gesprochen. Es
heißt, daß außerordentliche Aufschlüsse darin enthalten sein sollen. —
Statt Gefangener auf Se. Helena zu sein, habe Napoleon Spione
in ganz Europa gehabt, habe er mit dem Kaiser Alexander von Ru߬
land bestandig correspondirt, Hudson Löwe sei sein wahrer Sklave ge¬
wesen, über den er sich oft lustig gemacht, keiner seiner Generale, außer
Montholon, wußte darum und gerade, als er todtkrank ward, war er
bereit, zum dritten Male den Scepter zu ergreifen. — Das Alles
klingt wie eine Fabel, aber es scheint doch, als sei etwas Wahres
daran. — Montholon soll Beweise liefern. —
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Das arrogante Wort Rothschilds: „Es ist Zeit, Frankreich zu
dem Credit zu erheben, den andere Staaten genießen", hat seine voll¬
ständige Richtigkeit. Aber der Staat ist mit dem neuen Anlehcn gut
gefahren; Rothschild gab das höchste Gebot und um die kleine Prah¬
lerei kümmerte man sich nicht. Rothschild ist übrigens jetzt nicht nur
einer der größten Gläubiger Frankreichs, sondern er wird auch bald
einer seiner größten Grundbesitzer sein. Er arrondirt seine großen Be-
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