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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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ratenvereins, dem ich übrigens nirgends in den Grenzboten zu Leibe
gegangen bin, gehört oder doch gehören sollte. Ein Anderer, der
seine Worte nicht zu wählen wüßte, würde die Absicht des Correspon<
deuten, die sich gerade darin ausspricht, daß er sür seine gütige Mit¬
theilung ein baierisches, natürlich auch in München vorzugsweise ge¬
lesenes Journal sich aufsuchte, vielleicht abgefeimt nennen: ich, der
ich meine Worte zu wählen weiß, nenne sie nur ausgesucht und fein
berechnet. Uebrigens achte ich die Publizität zu hoch, als daß ich
mich um einer solchen Beelzebüberei willen entrüsten sollte; viel¬
mehr werde ich meine Rüstung nicht von mir thun und hoffe wenig¬
stens, mit denen fertig zu werden, die sich mir offen entgegenstellen.
Der namenlose versteckte Feind ist ja überhaupt ein geschlagener Mann,
mit dem ein ehrlicher Kampf gar nicht durchzufechten ist.

Wer hätte nicht gern solchen literarischen Unfug vergessen bei
den wichtigen Nachrichten aus Preußen! Der Pvfaunenruf einer
neuen Epoche Deutschlands, die Gemüther aus ihrem Schlafe, die
todten Geister aus ihren Gräbern, die kalten Herzen aus ihrer Eises-
crstarrung weckend, schien aus diesen Worten widerzuklingen. Von
da an, wo das Verkündigte in's Leben tritt, ist ein Sporn in Deutsch¬
lands Flanken gesetzt und an einen faulen Stillstand nicht mehr zu
denken. Ganz Deutschland wird wachsen, der Einzelne wird an¬
wachsen und das Nationalgefühl endlich die Windeln von sich strei¬
fen, die bisher ein Spott des politischer gebildeten Auslands waren,
weil sie so oft Angesichts des Auslandes getrocknet werden mußten.
Es ist unglaublich, welche Aufregung diese Verkündigung der preu¬
ßischen Heilsordnung auch hier unter der stillen Gemeinde derer her¬
vorgebracht hat, welche an einer Durchbildung Deutschlands zu po¬
litischer Einheit und Größe wirklich Theil nehmen und in letzter Zeit
an dem ..Vorwärts" Preußens irre zu werden sich oft versucht fühlten.




ratenvereins, dem ich übrigens nirgends in den Grenzboten zu Leibe
gegangen bin, gehört oder doch gehören sollte. Ein Anderer, der
seine Worte nicht zu wählen wüßte, würde die Absicht des Correspon<
deuten, die sich gerade darin ausspricht, daß er sür seine gütige Mit¬
theilung ein baierisches, natürlich auch in München vorzugsweise ge¬
lesenes Journal sich aufsuchte, vielleicht abgefeimt nennen: ich, der
ich meine Worte zu wählen weiß, nenne sie nur ausgesucht und fein
berechnet. Uebrigens achte ich die Publizität zu hoch, als daß ich
mich um einer solchen Beelzebüberei willen entrüsten sollte; viel¬
mehr werde ich meine Rüstung nicht von mir thun und hoffe wenig¬
stens, mit denen fertig zu werden, die sich mir offen entgegenstellen.
Der namenlose versteckte Feind ist ja überhaupt ein geschlagener Mann,
mit dem ein ehrlicher Kampf gar nicht durchzufechten ist.

Wer hätte nicht gern solchen literarischen Unfug vergessen bei
den wichtigen Nachrichten aus Preußen! Der Pvfaunenruf einer
neuen Epoche Deutschlands, die Gemüther aus ihrem Schlafe, die
todten Geister aus ihren Gräbern, die kalten Herzen aus ihrer Eises-
crstarrung weckend, schien aus diesen Worten widerzuklingen. Von
da an, wo das Verkündigte in's Leben tritt, ist ein Sporn in Deutsch¬
lands Flanken gesetzt und an einen faulen Stillstand nicht mehr zu
denken. Ganz Deutschland wird wachsen, der Einzelne wird an¬
wachsen und das Nationalgefühl endlich die Windeln von sich strei¬
fen, die bisher ein Spott des politischer gebildeten Auslands waren,
weil sie so oft Angesichts des Auslandes getrocknet werden mußten.
Es ist unglaublich, welche Aufregung diese Verkündigung der preu¬
ßischen Heilsordnung auch hier unter der stillen Gemeinde derer her¬
vorgebracht hat, welche an einer Durchbildung Deutschlands zu po¬
litischer Einheit und Größe wirklich Theil nehmen und in letzter Zeit
an dem ..Vorwärts" Preußens irre zu werden sich oft versucht fühlten.




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[0535] ratenvereins, dem ich übrigens nirgends in den Grenzboten zu Leibe gegangen bin, gehört oder doch gehören sollte. Ein Anderer, der seine Worte nicht zu wählen wüßte, würde die Absicht des Correspon< deuten, die sich gerade darin ausspricht, daß er sür seine gütige Mit¬ theilung ein baierisches, natürlich auch in München vorzugsweise ge¬ lesenes Journal sich aufsuchte, vielleicht abgefeimt nennen: ich, der ich meine Worte zu wählen weiß, nenne sie nur ausgesucht und fein berechnet. Uebrigens achte ich die Publizität zu hoch, als daß ich mich um einer solchen Beelzebüberei willen entrüsten sollte; viel¬ mehr werde ich meine Rüstung nicht von mir thun und hoffe wenig¬ stens, mit denen fertig zu werden, die sich mir offen entgegenstellen. Der namenlose versteckte Feind ist ja überhaupt ein geschlagener Mann, mit dem ein ehrlicher Kampf gar nicht durchzufechten ist. Wer hätte nicht gern solchen literarischen Unfug vergessen bei den wichtigen Nachrichten aus Preußen! Der Pvfaunenruf einer neuen Epoche Deutschlands, die Gemüther aus ihrem Schlafe, die todten Geister aus ihren Gräbern, die kalten Herzen aus ihrer Eises- crstarrung weckend, schien aus diesen Worten widerzuklingen. Von da an, wo das Verkündigte in's Leben tritt, ist ein Sporn in Deutsch¬ lands Flanken gesetzt und an einen faulen Stillstand nicht mehr zu denken. Ganz Deutschland wird wachsen, der Einzelne wird an¬ wachsen und das Nationalgefühl endlich die Windeln von sich strei¬ fen, die bisher ein Spott des politischer gebildeten Auslands waren, weil sie so oft Angesichts des Auslandes getrocknet werden mußten. Es ist unglaublich, welche Aufregung diese Verkündigung der preu¬ ßischen Heilsordnung auch hier unter der stillen Gemeinde derer her¬ vorgebracht hat, welche an einer Durchbildung Deutschlands zu po¬ litischer Einheit und Größe wirklich Theil nehmen und in letzter Zeit an dem ..Vorwärts" Preußens irre zu werden sich oft versucht fühlten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/535>, abgerufen am 29.06.2024.