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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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nahm! Da sieht man doch, welche geringe Achtung unsere Buchhänd¬
ler, wenigstens der Mehrzahl nach, vor ihren altangesehensten und
besten literarischen Verlagsartikeln haben! Auch der alte Freimüthige
und das mit ihm verbundene Conversationsblatt scheiterten und ver¬
endeten zumeist an den zu ökonomischen Launen des Eigenthümers.

So zweckmäßig auch im Ganzen unser literarischer Verein mit
Zeitschriften ausgestattet ist, so würde man doch nicht ungern manche
vermissen und andere an ihre Stelle treten sehen. Von den beiden
Biedermann'sehen Zeitschriften: "Herold" und "Biedermann's Monats¬
schrift" wird hier keine gehalten. Man findet hier keine der beiden
in Breslau erscheinenden Zeitungen, welche doch eine regsame Pro¬
vinz repräsentiren, die an Größe und namentlich Bevölkerung manches
Königreich übertrifft und in neuester Zeit auch politisch interessant
erscheint; man findet ferner keine Hamburger Zeitung, es fehlen die
Magdeburger, die Königsberger, die Posener Zeitung, die Spenersche
Berliner Zeitung, von belletristischen Journalen der Gesellschafter, die¬
ser letzte Rest der ältern Berliner Belletristik, Ost und West u. s. w.
Süddeutschland dagegen, mit Inbegriff der Schweiz, ist sehr gut und
ohne eine fühlbare Lücke vertreten.

Gewiß mag es im Auslande auffallen, daß die Münchner Cor-
respondenten -- und ich nicht allein -- lieber von Literatur, Theater
Volksleben u. s. w. sprechen, als von den hiesigen Kunstschöpfungen,
worin sich die Münchner Thätigkeit zumeist verausgabt. Vielleicht
liegt dies hauptsächlich daran, daß die Kunst hier die Alltagskost, die
Literatur das Sonntagscssen und die Delicateßwaare ist, während an
andern Orten gerade der umgekehrte Fall stattfindet. Aber es kom¬
men noch andere kräftigere Gründe hinzu, von denen die Leser der
Grenzboten schon durch die Münchner Skizzen unterrichtet sind. Da¬
her für diesmal statt aller Kunstnotizen in aller Eile noch Etwas,
was mich betrifft. Ich habe in den Grenzboten einmal prophezeiht,
daß ich durch meine Art und Weise zu schreiben und von der Leber
oder dem Herzen wegzusprechen, manchen journalistischen Beelzebub
gegen mich in Harnisch bringen würde. Man hat sich beeilt, diese
Prophezeiung wahr zu machen und dadurch zu beweisen, wie gut
ich meine Leute kenne. Ein solcher journalistischer Beelzebub hat in
einem bairischen Journal einen Umstand ausgeplaudert, der, wie ich
zu glauben ein Recht hatte, zu den Geheimnissen des Leipziger Lide-


nahm! Da sieht man doch, welche geringe Achtung unsere Buchhänd¬
ler, wenigstens der Mehrzahl nach, vor ihren altangesehensten und
besten literarischen Verlagsartikeln haben! Auch der alte Freimüthige
und das mit ihm verbundene Conversationsblatt scheiterten und ver¬
endeten zumeist an den zu ökonomischen Launen des Eigenthümers.

So zweckmäßig auch im Ganzen unser literarischer Verein mit
Zeitschriften ausgestattet ist, so würde man doch nicht ungern manche
vermissen und andere an ihre Stelle treten sehen. Von den beiden
Biedermann'sehen Zeitschriften: „Herold" und „Biedermann's Monats¬
schrift" wird hier keine gehalten. Man findet hier keine der beiden
in Breslau erscheinenden Zeitungen, welche doch eine regsame Pro¬
vinz repräsentiren, die an Größe und namentlich Bevölkerung manches
Königreich übertrifft und in neuester Zeit auch politisch interessant
erscheint; man findet ferner keine Hamburger Zeitung, es fehlen die
Magdeburger, die Königsberger, die Posener Zeitung, die Spenersche
Berliner Zeitung, von belletristischen Journalen der Gesellschafter, die¬
ser letzte Rest der ältern Berliner Belletristik, Ost und West u. s. w.
Süddeutschland dagegen, mit Inbegriff der Schweiz, ist sehr gut und
ohne eine fühlbare Lücke vertreten.

Gewiß mag es im Auslande auffallen, daß die Münchner Cor-
respondenten — und ich nicht allein — lieber von Literatur, Theater
Volksleben u. s. w. sprechen, als von den hiesigen Kunstschöpfungen,
worin sich die Münchner Thätigkeit zumeist verausgabt. Vielleicht
liegt dies hauptsächlich daran, daß die Kunst hier die Alltagskost, die
Literatur das Sonntagscssen und die Delicateßwaare ist, während an
andern Orten gerade der umgekehrte Fall stattfindet. Aber es kom¬
men noch andere kräftigere Gründe hinzu, von denen die Leser der
Grenzboten schon durch die Münchner Skizzen unterrichtet sind. Da¬
her für diesmal statt aller Kunstnotizen in aller Eile noch Etwas,
was mich betrifft. Ich habe in den Grenzboten einmal prophezeiht,
daß ich durch meine Art und Weise zu schreiben und von der Leber
oder dem Herzen wegzusprechen, manchen journalistischen Beelzebub
gegen mich in Harnisch bringen würde. Man hat sich beeilt, diese
Prophezeiung wahr zu machen und dadurch zu beweisen, wie gut
ich meine Leute kenne. Ein solcher journalistischer Beelzebub hat in
einem bairischen Journal einen Umstand ausgeplaudert, der, wie ich
zu glauben ein Recht hatte, zu den Geheimnissen des Leipziger Lide-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/534>, abgerufen am 01.07.2024.