Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.der Ostseeprovinzen -- denn ihn muß man als Vertreter dieser Landes- der Ostseeprovinzen — denn ihn muß man als Vertreter dieser Landes- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0521" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269936"/> <p xml:id="ID_1423" prev="#ID_1422"> der Ostseeprovinzen — denn ihn muß man als Vertreter dieser Landes-<lb/> theile nennen — noch ein anderes mächtiges Hinderniß der Vereinigung<lb/> politischer Bestrebungen übertragen, und durch jene Eitelkeit aufMssische<lb/> Auszeichnungen ist es zur erschreckenden Höhe emporgewuchert. Ich<lb/> meine die Standes- und Provinzialeitelkeit, diesen Affen des Selbst¬<lb/> bewußtseins und Nationalstolzes. Alles Interesse der nichtadeligen<lb/> Stände, alles politische Streben der Nachbarprovinz wird darum ne¬<lb/> ben dem eignen und diesem gegenüber völlig mißachtet. Dadurch<lb/> wird jede hohe staatliche Stellung, jeder Rang, jeder Orden eines<lb/> Kur-, Liv-, oder Efthländers zu der dem kurischen, livischen, esthländischen<lb/> Schwertritteradel gewährten Ehre. Aber dabei erkennt man nicht, wie<lb/> Rußland immer vorwärts schreitet und wie seine mächtigste Macht<lb/> im strengen Festhalten selbst des kleinsten errungenen Vortheils be¬<lb/> steht. viol«Je et impvra ist der Schlachtruf russischer Politik. — Die<lb/> Wogen der Russificirung steigen immer höher und schlagen erschüt¬<lb/> ternd an das kleine deutsche Eiland. Unkräftige Beschwörungsformeln<lb/> murmelnd und zaghaft, weil im wahrhaften Ankämpfen auch das Auf¬<lb/> geben manches aristokratischen Vortheils bedingt sein würde, steht der<lb/> baltische Adel. Dabei lugen die Letten und Eschen nach allen Seiten<lb/> aus, ob aus dem russischen Elemente ihnen nicht etwa ein Vortheil<lb/> erblühe. Und dennoch faßt der Adel nicht die Hand des Bürgers<lb/> dennoch stoßt er das durch Nußland freigewordene Volk der Letten<lb/> und Eschen zurück. Und keine der Provinzen vereint ihre Bestrebun¬<lb/> gen mit denen des Nachbarlandes, und kein Blick der baltischen Deut¬<lb/> schen ist auf ihr deutsches Vaterland gerichtet.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0521]
der Ostseeprovinzen — denn ihn muß man als Vertreter dieser Landes-
theile nennen — noch ein anderes mächtiges Hinderniß der Vereinigung
politischer Bestrebungen übertragen, und durch jene Eitelkeit aufMssische
Auszeichnungen ist es zur erschreckenden Höhe emporgewuchert. Ich
meine die Standes- und Provinzialeitelkeit, diesen Affen des Selbst¬
bewußtseins und Nationalstolzes. Alles Interesse der nichtadeligen
Stände, alles politische Streben der Nachbarprovinz wird darum ne¬
ben dem eignen und diesem gegenüber völlig mißachtet. Dadurch
wird jede hohe staatliche Stellung, jeder Rang, jeder Orden eines
Kur-, Liv-, oder Efthländers zu der dem kurischen, livischen, esthländischen
Schwertritteradel gewährten Ehre. Aber dabei erkennt man nicht, wie
Rußland immer vorwärts schreitet und wie seine mächtigste Macht
im strengen Festhalten selbst des kleinsten errungenen Vortheils be¬
steht. viol«Je et impvra ist der Schlachtruf russischer Politik. — Die
Wogen der Russificirung steigen immer höher und schlagen erschüt¬
ternd an das kleine deutsche Eiland. Unkräftige Beschwörungsformeln
murmelnd und zaghaft, weil im wahrhaften Ankämpfen auch das Auf¬
geben manches aristokratischen Vortheils bedingt sein würde, steht der
baltische Adel. Dabei lugen die Letten und Eschen nach allen Seiten
aus, ob aus dem russischen Elemente ihnen nicht etwa ein Vortheil
erblühe. Und dennoch faßt der Adel nicht die Hand des Bürgers
dennoch stoßt er das durch Nußland freigewordene Volk der Letten
und Eschen zurück. Und keine der Provinzen vereint ihre Bestrebun¬
gen mit denen des Nachbarlandes, und kein Blick der baltischen Deut¬
schen ist auf ihr deutsches Vaterland gerichtet.
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