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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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des Vereins, die sonst den Verein sehr selten besuchten, waren bei
dieser außerordentlichen Generalversammlung gegenwärtig,. Der An¬
trag ging durch.

Rösing beschloß, Bremen zu verlassen. Man scheint nicht ab¬
geneigt gewesen, das ganze Verfahren gegen ihn fallen zu lassen.
Es wurde ihm auf eine etwas mysteriöse, eigenthümliche Weise von
einer Gerichtsperson eröffnet, man werde ita gern ziehen lassen und
seine Sache niederschlagen, es hinge nur von ihm ab, das
Ganze der Vergessenheit zu übergeben. Er möge beden¬
ken, man könne auch auf andere Schriften früherer Jahre
zurückkommen!! Rösing drang indeß auf ein Urtheil, das ihm end¬
lich nach fast einjährigen Hinzögern am 7. Mai 1842 eröffnet wurde.
Gegen dieses auf zwei Monate Gefängniß lautende Erkenntniß des
Kriminalgerichts legte Rösing Appellation beim Obergerichte ein, das
indeß am II. Februar 184Z daS Urtheil erster Instanz bestätigte, mit
der Ermäßigung, daß Rösing freigestellt wurde, sich durch zweihundert
Thaler in Gold loszukaufen. "Ob man," sagt Rösing, "ein stra¬
fendes Urtheil gefällt hat, aus Furcht, ich möge sofort, wenn ich frei¬
gesprochen würde, das Kriminalgericht verklagen und für erlittene
schmachvolle Behandlung Satisfaction und Entschädigung fordern,
welche Klage ich in Lübeck (beim Obcrappcllationsgcricht der freien
Städte) anstellen könnte, und ob deshalb durch das Kriminalgericht
das Urtheil gefällt ist, weil ich nach den Gesetzen der freien Stadt
Bremen die Appellation nur beim Obergerichte dieser freien Stadt,
also klagend über Senatoren bei Senatoren, nicht aber vor
einem auswärtigen Gericht oder einer Facultät führen konnte, --
wage ich nicht zu entscheiden."

Rösing war unterdeß nach Paris übergesiedelt. Bei seiner Ab¬
reise salutirt die auf der Hauptwache befindliche Bürgerwchr. Acht¬
zig Bürger Bremens gaben ihm in fünfundzwanzig Wagen das Ehren¬
geleit bis zur Grenze. Dort wurde ihm ein großer kostbarer, herrlich
gearbeiteter Pokal überreicht. Der Pokal wurde beim Eintritt in
Frankreich durch die französischen Beamten von der gesetzlich zu zah¬
lenden Abgabe und von dem Stempel befreit. Ein solches Ehren"
gescheut dürfe den französischen Stempel nicht erhalten und keine
Abgabe entrichten. --

Auf die Kunde, daß das Urtheil erster Instanz bestätigt, reist


des Vereins, die sonst den Verein sehr selten besuchten, waren bei
dieser außerordentlichen Generalversammlung gegenwärtig,. Der An¬
trag ging durch.

Rösing beschloß, Bremen zu verlassen. Man scheint nicht ab¬
geneigt gewesen, das ganze Verfahren gegen ihn fallen zu lassen.
Es wurde ihm auf eine etwas mysteriöse, eigenthümliche Weise von
einer Gerichtsperson eröffnet, man werde ita gern ziehen lassen und
seine Sache niederschlagen, es hinge nur von ihm ab, das
Ganze der Vergessenheit zu übergeben. Er möge beden¬
ken, man könne auch auf andere Schriften früherer Jahre
zurückkommen!! Rösing drang indeß auf ein Urtheil, das ihm end¬
lich nach fast einjährigen Hinzögern am 7. Mai 1842 eröffnet wurde.
Gegen dieses auf zwei Monate Gefängniß lautende Erkenntniß des
Kriminalgerichts legte Rösing Appellation beim Obergerichte ein, das
indeß am II. Februar 184Z daS Urtheil erster Instanz bestätigte, mit
der Ermäßigung, daß Rösing freigestellt wurde, sich durch zweihundert
Thaler in Gold loszukaufen. „Ob man," sagt Rösing, „ein stra¬
fendes Urtheil gefällt hat, aus Furcht, ich möge sofort, wenn ich frei¬
gesprochen würde, das Kriminalgericht verklagen und für erlittene
schmachvolle Behandlung Satisfaction und Entschädigung fordern,
welche Klage ich in Lübeck (beim Obcrappcllationsgcricht der freien
Städte) anstellen könnte, und ob deshalb durch das Kriminalgericht
das Urtheil gefällt ist, weil ich nach den Gesetzen der freien Stadt
Bremen die Appellation nur beim Obergerichte dieser freien Stadt,
also klagend über Senatoren bei Senatoren, nicht aber vor
einem auswärtigen Gericht oder einer Facultät führen konnte, —
wage ich nicht zu entscheiden."

Rösing war unterdeß nach Paris übergesiedelt. Bei seiner Ab¬
reise salutirt die auf der Hauptwache befindliche Bürgerwchr. Acht¬
zig Bürger Bremens gaben ihm in fünfundzwanzig Wagen das Ehren¬
geleit bis zur Grenze. Dort wurde ihm ein großer kostbarer, herrlich
gearbeiteter Pokal überreicht. Der Pokal wurde beim Eintritt in
Frankreich durch die französischen Beamten von der gesetzlich zu zah¬
lenden Abgabe und von dem Stempel befreit. Ein solches Ehren»
gescheut dürfe den französischen Stempel nicht erhalten und keine
Abgabe entrichten. —

Auf die Kunde, daß das Urtheil erster Instanz bestätigt, reist


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[0504] des Vereins, die sonst den Verein sehr selten besuchten, waren bei dieser außerordentlichen Generalversammlung gegenwärtig,. Der An¬ trag ging durch. Rösing beschloß, Bremen zu verlassen. Man scheint nicht ab¬ geneigt gewesen, das ganze Verfahren gegen ihn fallen zu lassen. Es wurde ihm auf eine etwas mysteriöse, eigenthümliche Weise von einer Gerichtsperson eröffnet, man werde ita gern ziehen lassen und seine Sache niederschlagen, es hinge nur von ihm ab, das Ganze der Vergessenheit zu übergeben. Er möge beden¬ ken, man könne auch auf andere Schriften früherer Jahre zurückkommen!! Rösing drang indeß auf ein Urtheil, das ihm end¬ lich nach fast einjährigen Hinzögern am 7. Mai 1842 eröffnet wurde. Gegen dieses auf zwei Monate Gefängniß lautende Erkenntniß des Kriminalgerichts legte Rösing Appellation beim Obergerichte ein, das indeß am II. Februar 184Z daS Urtheil erster Instanz bestätigte, mit der Ermäßigung, daß Rösing freigestellt wurde, sich durch zweihundert Thaler in Gold loszukaufen. „Ob man," sagt Rösing, „ein stra¬ fendes Urtheil gefällt hat, aus Furcht, ich möge sofort, wenn ich frei¬ gesprochen würde, das Kriminalgericht verklagen und für erlittene schmachvolle Behandlung Satisfaction und Entschädigung fordern, welche Klage ich in Lübeck (beim Obcrappcllationsgcricht der freien Städte) anstellen könnte, und ob deshalb durch das Kriminalgericht das Urtheil gefällt ist, weil ich nach den Gesetzen der freien Stadt Bremen die Appellation nur beim Obergerichte dieser freien Stadt, also klagend über Senatoren bei Senatoren, nicht aber vor einem auswärtigen Gericht oder einer Facultät führen konnte, — wage ich nicht zu entscheiden." Rösing war unterdeß nach Paris übergesiedelt. Bei seiner Ab¬ reise salutirt die auf der Hauptwache befindliche Bürgerwchr. Acht¬ zig Bürger Bremens gaben ihm in fünfundzwanzig Wagen das Ehren¬ geleit bis zur Grenze. Dort wurde ihm ein großer kostbarer, herrlich gearbeiteter Pokal überreicht. Der Pokal wurde beim Eintritt in Frankreich durch die französischen Beamten von der gesetzlich zu zah¬ lenden Abgabe und von dem Stempel befreit. Ein solches Ehren» gescheut dürfe den französischen Stempel nicht erhalten und keine Abgabe entrichten. — Auf die Kunde, daß das Urtheil erster Instanz bestätigt, reist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/504>, abgerufen am 23.07.2024.